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Geistes- und Sozialwissenschaften

Geistes- und Sozialwissenschaften

Psychologie

16. September 2024 um 19:35:07

geschrieben von Benjamin Metzig

Eine friedliche Szene zeigt eine Person, die einen ruhigen Pfad inmitten der Natur entlanggeht. Die Sonne steht tief am Horizont und wirft ein goldenes Licht auf die Landschaft, während sanfte Strahlen durch die Bäume scheinen. Das Bild strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus und symbolisiert, dass Glück auf dem Weg liegt, nicht im Ziel.

Glück – ein Begriff, der für viele das ultimative Lebensziel darstellt. Ob in den sozialen Medien, in der Werbung oder in persönlichen Gesprächen: Immer wieder stoßen wir auf die Aufforderung, glücklich zu sein oder das Glück zu finden. Doch was, wenn dieser ständige Drang, nach Glück zu streben, uns in Wahrheit weiter davon entfernt? Psychologische Erkenntnisse zeigen, dass Glück nicht unbedingt das Ergebnis gezielter Anstrengungen ist, sondern vielmehr ein Nebenprodukt bestimmter Lebensweisen und Handlungen. Dieser Artikel beleuchtet, warum das Streben nach Glück oft scheitert und wie wir durch die Veränderung unserer Perspektive ein erfüllteres Leben führen können.


Das Streben nach Glück: Ein weitverbreitetes Missverständnis?


In unserer modernen Gesellschaft ist das Glück zu einem regelrechten Lebensziel avanciert. Der Gedanke dahinter: Wenn wir nur genug tun, hart genug arbeiten oder die richtigen Entscheidungen treffen, dann erreichen wir dieses ultimative Ziel. Doch dieses Streben birgt eine Gefahr: Je mehr wir uns darauf konzentrieren, glücklich zu sein, desto schwieriger scheint es, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen.


Die Idee, dass Glück etwas ist, das aktiv verfolgt werden muss, basiert auf einem Missverständnis. Der Psychologe Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, prägte dazu den bekannten Satz: „Glück kann nicht angestrebt, sondern muss sich ergeben.“ Genau hierin liegt der Kern des Problems: Glück ist kein Ziel, das man auf direktem Wege erreichen kann. Es ist vielmehr das Resultat von Tätigkeiten, Beziehungen und Haltungen, die Sinn und Erfüllung bieten.


Psychologische Grundlagen des Glücks


Was genau ist Glück eigentlich? In der Psychologie wird oft zwischen zwei Formen des Glücks unterschieden: dem hedonischen und dem eudaimonischen Glück. Ersteres beschreibt das flüchtige, kurzfristige Gefühl von Freude und Zufriedenheit, das wir erleben, wenn wir angenehme Erlebnisse haben, wie ein gutes Essen oder einen schönen Urlaub. Letzteres hingegen bezieht sich auf ein tieferes, langfristigeres Gefühl von Erfüllung und Sinnhaftigkeit im Leben.


In der positiven Psychologie, einem Forschungsfeld, das sich mit den positiven Aspekten des menschlichen Daseins beschäftigt, gibt es verschiedene Theorien darüber, wie Glück entsteht. Der Psychologe Martin Seligman etwa unterscheidet in seinem „PERMA“-Modell fünf Elemente, die zu einem erfüllten Leben beitragen:


1️⃣ Positive Emotionen: Gefühle von Freude, Dankbarkeit, Hoffnung. 

2️⃣ Engagement: Das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit, die den sogenannten Flow-Zustand hervorruft. 

3️⃣ Positive Beziehungen: Tiefe, bedeutungsvolle soziale Verbindungen. 

4️⃣ Meaning (Sinnhaftigkeit): Die Überzeugung, dass das eigene Leben einem höheren Zweck dient. 

5️⃣ Accomplishment (Leistung): Das Erreichen persönlicher Ziele und das Gefühl, etwas zu schaffen.


Diese Elemente zeigen, dass Glück nicht einfach durch kurzfristige Freuden erreicht wird, sondern durch Aktivitäten, die unserem Leben Bedeutung und Tiefe verleihen.


Warum das Streben nach Glück oft scheitert


Wenn Glück nicht direkt erreicht werden kann, warum streben dann so viele Menschen danach? Ein Grund dafür ist das Phänomen der „hedonistischen Tretmühle“ (Hedonic Treadmill). Dieses Konzept beschreibt, dass Menschen sich schnell an neue Glücksquellen gewöhnen – sei es ein neuer Job, eine Gehaltserhöhung oder eine materielle Anschaffung. Sobald die anfängliche Euphorie abgeklungen ist, kehren wir schnell auf unser gewohntes Niveau des Wohlbefindens zurück und sind gezwungen, nach dem nächsten Glücksbringer zu suchen.


Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Glück ist der sogenannte „Paradox of Choice“ – der Paradoxon der Wahlfreiheit. In einer Welt voller Möglichkeiten kann die Entscheidung für eine Option das Gefühl verstärken, dass wir etwas Besseres verpasst haben. Statt Zufriedenheit zu empfinden, stellen wir uns vor, wie glücklich wir gewesen wären, hätten wir eine andere Wahl getroffen.


➡️ Das Streben nach Glück kann paradox wirken: Je mehr wir uns darauf konzentrieren, desto schwerer scheint es zu greifen.

➡️ Die ständige Anpassung an neue Glücksquellen führt dazu, dass wir nie langfristig zufrieden sind.

➡️ Zu viele Optionen führen dazu, dass wir uns unsicher und weniger glücklich mit unseren Entscheidungen fühlen.


Glück als Nebenprodukt: Was wirklich zählt


Statt Glück als Ziel zu definieren, sollten wir uns darauf konzentrieren, Aktivitäten und Lebensweisen zu kultivieren, die dieses Gefühl als Nebenprodukt mit sich bringen. Studien zeigen, dass Menschen, die nach Sinn und Erfüllung im Leben streben, langfristig zufriedener sind als jene, die primär nach Vergnügen suchen. Mihály Csíkszentmihályi, ein weiterer Pionier der positiven Psychologie, entwickelte das Konzept des „Flow“. Dabei handelt es sich um einen Zustand, in dem wir so sehr in einer Tätigkeit aufgehen, dass die Zeit zu verfliegen scheint und wir vollends darin aufgehen. Flow-Zustände sind besonders förderlich für das langfristige Glück, da sie uns tief in unsere Aktivitäten eintauchen lassen und uns das Gefühl geben, kompetent und engagiert zu sein.


Aber auch soziale Verbindungen spielen eine entscheidende Rolle. Glück ist oft eng mit unseren Beziehungen zu anderen Menschen verknüpft. Tiefgehende Freundschaften, Partnerschaften oder familiäre Bindungen können das Gefühl von Zugehörigkeit und Erfüllung fördern. Hierbei geht es nicht um die Quantität der Beziehungen, sondern um deren Qualität.


➡️ Glück entsteht, wenn wir in unseren Tätigkeiten aufgehen und einen Flow-Zustand erreichen.

➡️ Tiefe, bedeutungsvolle soziale Beziehungen tragen maßgeblich zu langfristiger Zufriedenheit bei.

➡️ Das Streben nach Sinn und Erfüllung ist oft der Schlüssel zu einem glücklicheren Leben.


Der Weg zu einem erfüllten Leben


Wenn Glück kein direktes Ziel ist, was bleibt uns dann? Der Weg zu einem erfüllten Leben liegt darin, unsere Prioritäten neu zu setzen. Statt Glück um jeden Preis zu jagen, sollten wir uns darauf konzentrieren, sinnvolle Tätigkeiten zu finden, tiefe Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen und uns kontinuierlich weiterzuentwickeln. Studien legen nahe, dass Menschen, die diese Werte in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen, langfristig zufriedener und glücklicher sind als jene, die ausschließlich nach kurzfristigen Freuden streben.


Um dies in die Praxis umzusetzen, könnten Sie folgende Fragen reflektieren: 

1️⃣ Welche Tätigkeiten lassen Sie das Gefühl von Flow erleben? 

2️⃣ Mit welchen Menschen fühlen Sie sich wirklich verbunden und warum? 

3️⃣ Was gibt Ihrem Leben Sinn und Bedeutung?


Durch diese Fragen kommen wir dem wahren Glück einen Schritt näher – nicht, weil wir es direkt suchen, sondern weil wir es als Nebenprodukt unserer Handlungen erleben.


Glück ist kein Ziel, das man erreichen kann, indem man es aktiv verfolgt. Vielmehr ergibt sich Glück, wenn wir unser Leben auf sinnvolle Weise gestalten, tiefgehende Beziehungen pflegen und uns selbst in unseren Tätigkeiten verwirklichen. Die Erkenntnis, dass Glück ein Nebenprodukt ist, mag zunächst ungewohnt klingen, bietet jedoch eine befreiende Perspektive: Wir müssen nicht ständig nach Glück suchen. Stattdessen können wir unser Leben auf bedeutsame Weise gestalten und dabei entdecken, dass das Glück ganz von selbst kommt – manchmal unerwartet, aber immer als Resultat unserer Handlungen.

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