Glossar der Astronomie
Biosignatur
Wenn wir uns auf die Suche nach Leben jenseits der Erde begeben, wonach suchen wir dann eigentlich genau? Nicht nach kleinen grünen Männchen, sondern nach viel subtileren Hinweisen, nach Biosignaturen. Dieser Begriff umfasst alle Arten von Anzeichen, die auf die Existenz von gegenwärtigem oder vergangenem Leben hindeuten, seien es spezifische Moleküle, ungewöhnliche Isotopenverhältnisse oder komplexe Strukturen, die sich nur schwer ohne biologischen Ursprung erklären lassen.
Die Suche nach Biosignaturen ist ein zentrales Element der Astrobiologie und eng mit der Frage verknüpft, wie wir Leben überhaupt definieren. Denn bevor wir nach etwas suchen können, müssen wir zumindest eine Vorstellung davon haben, wonach wir suchen. Das ist keine triviale Frage, denn Leben kann sich in Formen manifestieren, die sich grundlegend von dem unterscheiden, was wir von der Erde kennen. Dennoch basieren die meisten Ansätze zur Suche nach außerirdischem Leben auf der Annahme, dass dieses zumindest einige grundlegende Gemeinsamkeiten mit irdischem Leben aufweist, wie zum Beispiel einen Kohlenstoff-basierten Stoffwechsel und die Abhängigkeit von flüssigem Wasser.
Eine der am häufigsten gesuchten Biosignaturen ist die Anwesenheit bestimmter Gase in der Atmosphäre eines Exoplaneten. Auf der Erde produzieren biologische Prozesse eine Vielzahl von Gasen, die sich in der Atmosphäre anreichern und chemische Ungleichgewichte erzeugen, die ohne die ständige Nachlieferung durch Lebewesen nicht lange bestehen würden. Ein prominentes Beispiel ist Sauerstoff (O2). Der größte Teil des Sauerstoffs in der Erdatmosphäre stammt aus der Photosynthese von Pflanzen und Cyanobakterien. Ein hoher Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre eines Exoplaneten könnte daher ein Hinweis auf eine aktive Biosphäre sein. Allerdings ist Sauerstoff nicht immer eine eindeutige Biosignatur, da er auch durch abiotische, also nicht-biologische Prozesse erzeugt werden kann, zum Beispiel durch die Photolyse von Wasser durch UV-Strahlung.
Um die Wahrscheinlichkeit eines biologischen Ursprungs zu erhöhen, sucht man daher nicht nur nach einzelnen Gasen, sondern nach Kombinationen von Gasen, die sich im chemischen Ungleichgewicht befinden und nur schwer ohne biologische Aktivität zu erklären sind. Ein Beispiel hierfür wäre die gleichzeitige Anwesenheit von Sauerstoff und Methan (CH4). Methan wird auf der Erde sowohl durch geologische Prozesse, zum Beispiel durch Vulkanismus, als auch durch biologische Prozesse, wie den Stoffwechsel von Mikroorganismen, produziert. In einer sauerstoffreichen Atmosphäre sollte Methan jedoch schnell oxidiert werden. Wenn also beide Gase gleichzeitig in signifikanten Mengen vorhanden sind, könnte dies darauf hindeuten, dass sie kontinuierlich durch biologische Prozesse nachgeliefert werden.
Die Suche nach Biosignaturgasen erfolgt mit Hilfe von Spektroskopie. Wenn ein Exoplanet von der Erde aus gesehen vor seinem Stern vorbeizieht (ein sogenannter "Transit"), absorbiert ein Teil des Sternenlichts, das durch die Atmosphäre des Planeten scheint, bestimmte Wellenlängen, die für die in der Atmosphäre vorhandenen Gase charakteristisch sind. Durch die Analyse des resultierenden Absorptionsspektrums können Astronomen die chemische Zusammensetzung der Planetenatmosphäre bestimmen und nach möglichen Biosignaturen suchen. Diese Technik ist jedoch sehr anspruchsvoll, da die Signale extrem schwach sind und leicht durch andere Effekte, wie zum Beispiel die Aktivität des Sterns, überlagert werden können.
Biosignaturen sind jedoch nicht nur auf Gase in Atmosphären beschränkt. Auch die Oberfläche eines Planeten kann Hinweise auf Leben liefern. So erzeugen Pflanzen auf der Erde durch die Absorption von Licht für die Photosynthese eine charakteristische "rote Kante" im Reflexionsspektrum, die mit zukünftigen Teleskopen möglicherweise auch auf Exoplaneten nachweisbar wäre. Auch die Form und Struktur von Gesteinen kann eine Biosignatur darstellen. Auf der Erde gibt es beispielsweise Stromatolithen, geschichtete Gesteinsformationen, die durch die Aktivität von Mikroorganismen entstanden sind. Ähnliche Strukturen auf anderen Planeten könnten ein Hinweis auf vergangenes Leben sein, aber auch hier ist Vorsicht geboten, da es auch abiotische Prozesse gibt, die ähnliche Strukturen erzeugen können.
Eine weitere vielversprechende Möglichkeit ist die Suche nach "Technosignaturen", also Hinweisen auf die Existenz von intelligenten Zivilisationen. Dazu gehören beispielsweise die Suche nach künstlichen Radiosignalen, die sich von natürlichen Radioquellen unterscheiden, oder nach ungewöhnlichen Strukturen auf der Planetenoberfläche oder im Orbit, die auf technologische Aktivität hindeuten könnten, wie beispielsweise Dyson-Sphären, riesige Strukturen, die einen Stern umgeben, um seine Energie zu nutzen.
Die Suche nach Biosignaturen ist ein relativ junges, aber sich rasant entwickelndes Forschungsfeld. Mit der Entdeckung von tausenden Exoplaneten in den letzten Jahren und der Entwicklung immer leistungsfähigerer Teleskope, wie dem James Webb Space Telescope, stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Ära der Astrobiologie. Dieses Teleskop, das 2021 gestartet wurde, ist in der Lage, die Atmosphären von Exoplaneten detaillierter zu untersuchen als je zuvor und nach einer Vielzahl von Biosignaturgasen zu suchen.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Entdeckung einer potenziellen Biosignatur nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis von außerirdischem Leben ist. Jede potenzielle Biosignatur muss sorgfältig auf mögliche abiotische Erklärungen geprüft werden. Selbst wenn eine Biosignatur gefunden wird, die sich nur schwer ohne biologischen Ursprung erklären lässt, ist dies noch kein endgültiger Beweis. Es ist eher ein starker Hinweis, der weitere Untersuchungen erfordert. Die Interpretation von Biosignaturen erfordert ein tiefes Verständnis der geologischen, atmosphärischen und chemischen Prozesse, die auf einem Planeten ablaufen, sowie ein umfassendes Verständnis der möglichen Formen von Leben und seiner Wechselwirkung mit der Umwelt.
Die Suche nach Biosignaturen wirft einige grundlegende Fragen auf: Wie sicher können wir sein, dass eine bestimmte Beobachtung tatsächlich auf Leben zurückzuführen ist? Wie können wir zwischen echten Biosignaturen und "falschen Positiven" unterscheiden? Und was wäre, wenn wir auf eine Form von Leben stoßen, die so anders ist als alles, was wir kennen, dass wir ihre Biosignaturen gar nicht als solche erkennen? Trotz dieser Herausforderungen ist die Suche nach Biosignaturen eine der aufregendsten und vielversprechendsten Möglichkeiten, die Frage zu beantworten, ob wir allein im Universum sind. Und wer weiß, vielleicht steht die Menschheit kurz davor, eine der größten Entdeckungen aller Zeiten zu machen – den Nachweis, dass das Leben kein auf die Erde beschränktes Phänomen ist, sondern ein universelles Prinzip, das sich in den Weiten des Kosmos in den verschiedensten Formen manifestiert.





























