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Glossar der Astronomie

Nutation

Stell dir vor, du beobachtest einen Kreisel, der sich dreht. Seine Achse steht nicht ganz still, sondern beschreibt eine leichte, regelmäßige Bewegung. Ähnlich verhält es sich mit der Erde: Ihre Rotationsachse ist nicht starr im Raum fixiert, sondern unterliegt einer Vielzahl von Einflüssen, die sie in Bewegung versetzen. Eine dieser Bewegungen ist die Nutation, ein leichtes "Nicken" oder "Wackeln" der Erdachse, das über einen Zeitraum von etwa 18,6 Jahren abläuft. Dieses Phänomen mag auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, doch es spielt eine wichtige Rolle im Verständnis des komplexen Systems Erde und beeinflusst unter anderem die Präzision astronomischer Beobachtungen.

Die Nutation ist nicht die einzige Bewegung der Erdachse. Wir kennen auch die Präzession, eine langsame, kegelförmige Bewegung der Erdachse mit einer Periode von etwa 26.000 Jahren, die an die Bewegung eines leicht taumelnden Kreisels erinnert. Diese Präzession wird hauptsächlich durch die Anziehungskraft von Sonne und Mond auf den Äquatorwulst der Erde verursacht. Der Äquatorwulst entsteht, weil die Erde keine perfekte Kugel ist, sondern am Äquator aufgrund der Fliehkraft etwas ausgebaucht. Der Mond und, etwas schwächer, die Sonne üben eine Gravitationskraft auf diesen Wulst aus und versuchen, die Erdachse aufzurichten. Dadurch weicht die Erdachse seitlich aus und beschreibt den besagten Kegel.

Während die Präzession ein kontinuierlicher, langsamer Prozess ist, ist die Nutation eine Überlagerung dieser Bewegung mit einer schnelleren, periodischen Schwankung. Dieses zusätzliche Wackeln wird vor allem durch die Neigung der Mondbahn gegenüber der Erdbahnebene verursacht. Die Mondbahn ist um etwa 5 Grad gegen die Erdbahnebene, die Ekliptik, geneigt. Die Schnittlinie der beiden Ebenen, die Knotenlinie, dreht sich in einem Zyklus von 18,6 Jahren einmal im Kreis. Dadurch verändert sich die Richtung, aus der die Anziehungskraft des Mondes auf den Äquatorwulst der Erde wirkt, in einem entsprechenden Rhythmus. Mal verstärkt sie die aufrichtende Kraft, mal schwächt sie sie ab. Dieses Auf und Ab führt zu einer wellenförmigen Abweichung von der eigentlichen Präzessionsbewegung, der Nutation.

Die Amplitude der Nutation ist relativ klein. Die Erdachse bewegt sich dabei nur um etwa 9 Bogensekunden, was einem Winkel von gerade einmal 0,0025 Grad entspricht. Das ist so klein, dass es mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar ist. Trotzdem hat die Nutation Auswirkungen auf präzise Messungen in der Astronomie und Geodäsie. Denn um die genaue Position von Himmelsobjekten oder Punkten auf der Erdoberfläche zu bestimmen, muss man die genaue Ausrichtung der Erdachse im Raum kennen. Würde man die Nutation nicht berücksichtigen, würden sich Fehler in die Berechnungen einschleichen.

Die Entdeckung der Nutation geht auf den englischen Astronomen James Bradley zurück, der im 18. Jahrhundert nach einem Weg suchte, die Parallaxe von Sternen zu messen. Die Parallaxe ist die scheinbare Verschiebung der Position eines Sterns vor dem Hintergrund weit entfernter Sterne, die durch die Bewegung der Erde um die Sonne verursacht wird. Durch die Messung der Parallaxe kann man die Entfernung zu den Sternen bestimmen. Bei seinen Beobachtungen stellte Bradley jedoch fest, dass sich die Positionen der Sterne nicht nur aufgrund der Parallaxe, sondern auch durch eine weitere, noch unbekannte Ursache veränderten. Nach jahrelangen Messungen und Analysen erkannte er, dass diese zusätzliche Bewegung durch das Nicken der Erdachse verursacht wurde, und prägte den Begriff "Nutation".

Heute ist die Nutation ein wichtiger Faktor in der hochpräzisen Positionsbestimmung. In der Astronomie dient sie dazu, die Koordinaten von Himmelsobjekten zu korrigieren und so genaue Sternkarten zu erstellen. In der Geodäsie, der Wissenschaft von der Vermessung der Erde, ist die Nutation wichtig, um die genaue Position von Punkten auf der Erdoberfläche zu bestimmen, beispielsweise für die Erstellung von Landkarten oder die Navigation mit GPS. Auch in der Raumfahrt spielt die Nutation eine Rolle, da die genaue Ausrichtung der Erdachse für die Bahnverfolgung von Satelliten und Raumsonden von Bedeutung ist.

Die Erforschung der Nutation ist bis heute nicht abgeschlossen. Durch immer präzisere Messmethoden, wie zum Beispiel die Very Long Baseline Interferometry (VLBI), können Wissenschaftler die Bewegung der Erdachse immer genauer vermessen und so unser Verständnis dieses Phänomens weiter vertiefen. Ein interessanter Aspekt, der aktuell untersucht wird, ist der Einfluss der inneren Struktur der Erde auf die Nutation. Es wird vermutet, dass die Viskosität des Erdmantels und die Form des Erdkerns einen Einfluss auf die Amplitude und Phase der Nutation haben.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Nutation, obwohl sie auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, ein faszinierendes und komplexes Phänomen ist, das uns tiefe Einblicke in die Dynamik des Systems Erde-Mond-Sonne ermöglicht. Sie zeigt uns, wie alles im Universum miteinander verbunden ist und wie selbst kleine Kräfte langfristig große Auswirkungen haben können. Denk doch einmal darüber nach: Wie viele andere unscheinbare Bewegungen und Wechselwirkungen mögen noch unentdeckt sein, die unser Bild von der Welt verändern könnten?

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