Realismus





Die Geburt des Realismus: Eine Revolution gegen das Ideal
Der Realismus entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich als Reaktion auf die vorherrschende Romantik und den akademischen Klassizismus. Die Romantik, mit ihrer Betonung von Emotionen, Fantasie und dem Erhabenen, und der Klassizismus, mit seiner Orientierung an antiken Vorbildern und idealisierten Darstellungen, erschienen den Realisten als weltfremd und unaufrichtig. Sie strebten nach einer Kunst, die die Wirklichkeit ungeschönt und objektiv wiedergab, eine Kunst, die sich dem alltäglichen Leben und den sozialen Realitäten ihrer Zeit zuwandte. Der französische Maler Gustave Courbet prägte den Begriff "Realismus" und gilt als einer seiner wichtigsten Wegbereiter. In seinem Manifest von 1855 forderte er die Künstler auf, "die Sitten, die Ideen, das Aussehen meiner Epoche nach meiner eigenen Einschätzung wiederzugeben". Courbet wollte die Welt so darstellen, wie er sie sah, ohne Beschönigungen und ohne Rücksicht auf die Konventionen der akademischen Kunst.
Die Entstehung des Realismus war eng mit den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen dieser Zeit verbunden. Die industrielle Revolution hatte tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft bewirkt, die soziale Frage und die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse rückten in den Fokus. Die Revolution von 1848, die in Frankreich zur Ausrufung der Zweiten Republik führte, verstärkte das Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit und den Wunsch nach einer gerechteren Gesellschaft. Diese Entwicklungen spiegelten sich auch in der Kunst wider. Die Realisten wandten sich von historischen und mythologischen Sujets ab und konzentrierten sich auf die Darstellung des zeitgenössischen Lebens, insbesondere des Lebens der einfachen Leute, der Bauern und Arbeiter. Sie wollten die harten Realitäten des Alltags, die Armut, die Ausbeutung und die sozialen Missstände sichtbar machen und damit auch Kritik an den bestehenden Verhältnissen üben.
Der Realismus war somit nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Bewegung. Die Künstler verstanden sich als Chronisten ihrer Zeit und wollten mit ihren Werken zur Aufklärung und Veränderung beitragen. Sie sahen sich in der Tradition der Aufklärung und des Positivismus, die die Bedeutung von Beobachtung, Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnis betonten. Die Forderung nach einer objektiven und wahrheitsgetreuen Darstellung der Wirklichkeit war daher auch ein Ausdruck des Strebens nach einer rationalen und fortschrittlichen Gesellschaft.
Die Welt im Blick: Merkmale und Prinzipien des Realismus
Ein zentrales Merkmal des Realismus ist die Orientierung an der sichtbaren Wirklichkeit. Die Künstler strebten nach einer möglichst genauen und detailgetreuen Wiedergabe der äußeren Erscheinung von Menschen, Objekten und Landschaften. Sie beobachteten ihre Umgebung genau und studierten die anatomischen Details des menschlichen Körpers, die Beschaffenheit von Materialien und die Wirkung von Licht und Schatten. Diese genaue Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, das Gesehene präzise auf die Leinwand zu übertragen, zeichnet die Werke der Realisten aus. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Ablehnung von Idealisierung und Stilisierung. Die Realisten wollten die Welt so darstellen, wie sie war, mit all ihren Unvollkommenheiten und Widersprüchen. Sie zeigten Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung, bei der Arbeit oder in Momenten der Ruhe, ohne sie zu heroisieren oder zu idealisieren.
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