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Cholinesterase
Cholinesterase ist ein Enzym, das eine zentrale Rolle bei der Übertragung von Nervenimpulsen im Nervensystem spielt. Es ist dafür verantwortlich, den Neurotransmitter Acetylcholin in seine Bestandteile Cholin und Essigsäure zu zerlegen. Dieser Prozess wird als Hydrolyse bezeichnet. Durch den Abbau von Acetylcholin beendet Cholinesterase die Signalübertragung an den Synapsen zwischen den Nervenzellen und ermöglicht somit, dass die Nerven nach der Signalübertragung wieder in ihren Ruhezustand zurückkehren können. Ohne die Aktivität der Cholinesterase würde Acetylcholin in der synaptischen Spalte verbleiben und kontinuierlich an den Rezeptoren der postsynaptischen Zellen binden, was zu einer anhaltenden Erregung der Nerven- und Muskelzellen führen würde. Dies kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Muskelfunktion und das Nervensystem insgesamt haben.
Es gibt zwei Haupttypen von Cholinesterasen: die Acetylcholinesterase (AChE), die hauptsächlich in Nerven- und Muskelgeweben vorkommt, und die Butyrylcholinesterase (BChE), die in der Leber sowie im Blutplasma vorkommt und breitere Substratspezifität aufweist. Während die Acetylcholinesterase spezifisch für die Hydrolyse von Acetylcholin ist und somit direkt an der schnellen Signalübertragung in den Nerven beteiligt ist, kann die Butyrylcholinesterase auch andere cholinhaltige Ester abbauen und spielt vermutlich eine Rolle in der Entgiftung und im Abbau fremder Substanzen im Körper. Die genaue biologische Bedeutung der Butyrylcholinesterase ist noch nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass sie im Nervensystem eine unterstützende Funktion haben könnte und möglicherweise eine Schutzfunktion vor neurotoxischen Substanzen bietet.
Die Aktivität der Cholinesterasen kann durch bestimmte Substanzen gehemmt werden, was in der Medizin, Landwirtschaft und teilweise auch in der Biowaffenforschung eine große Bedeutung hat. So wirken einige Pestizide und Nervengifte, wie Organophosphate und Carbamate, als Hemmstoffe der Cholinesterase, indem sie das aktive Zentrum des Enzyms blockieren. Dies führt zu einer Überansammlung von Acetylcholin an den Synapsen, was zu einer Dauererregung der Nerven und Muskeln und letztlich zu einer lähmenden Wirkung führen kann. Die Lähmung der Atemmuskulatur durch solche Hemmstoffe ist oft die Ursache für Todesfälle bei Vergiftungen mit Organophosphaten oder bestimmten chemischen Kampfstoffen. Aufgrund dieser Wirkung werden Cholinesterase-Hemmer auch in der Behandlung bestimmter neurologischer Erkrankungen wie der Myasthenia gravis und in der Anästhesie eingesetzt, allerdings in kontrollierten und deutlich niedrigeren Dosen.
Auch in der Diagnostik spielt die Bestimmung der Cholinesterase-Aktivität eine wichtige Rolle. So kann eine verminderte Aktivität der Pseudocholinesterase, also der Butyrylcholinesterase, auf eine Lebererkrankung oder genetische Defekte hinweisen. Ebenso kann die Bestimmung der Cholinesterase-Aktivität im Blutserum Hinweise auf eine mögliche Vergiftung mit Organophosphaten geben, da die Enzymaktivität bei einer Vergiftung stark reduziert ist. Eine abnormale Aktivität der Cholinesterasen kann außerdem mit genetischen Polymorphismen in Zusammenhang stehen, die beispielsweise die Anfälligkeit für bestimmte Medikamente oder Substanzen beeinflussen. Personen mit einem genetischen Mangel an Butyrylcholinesterase zeigen eine verlängerte Wirkung von Muskelrelaxantien bei Operationen, was eine wichtige Information für die Wahl der Anästhesie sein kann.
Zusammenfassend ist Cholinesterase ein lebenswichtiges Enzym, das eine kontrollierte und wiederholbare Signalübertragung im Nervensystem ermöglicht. Die genaue Regulation und Aktivität von Cholinesterase sind essenziell für die gesunde Funktion des gesamten Nervensystems, und Störungen in dieser Regulation können zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen. Daher ist die Forschung an Cholinesterasen, ihren Hemmstoffen und möglichen genetischen Varianten sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die medizinische Praxis von großer Bedeutung.
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