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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Überlegenheit
Überlegenheit bezeichnet in der Psychologie den Zustand oder das Gefühl, sich anderen in bestimmten Eigenschaften, Fähigkeiten oder Qualifikationen überlegen zu fühlen oder objektiv gesehen in einem bestimmten Bereich besser abzuschneiden als andere. Der Begriff ist vielschichtig und kann sowohl in sozialen, kognitiven, als auch in emotionalen Kontexten eine Rolle spielen. Überlegenheit kann sowohl in positiven als auch in negativen Formen auftreten und beeinflusst das Verhalten und die Wahrnehmung des Individuums sowie seine Interaktionen mit anderen Menschen.
In sozialpsychologischen Kontexten wird Überlegenheit häufig als ein Resultat des sozialen Vergleichs verstanden. Der sozialpsychologische Vergleich, der von Leon Festinger in den 1950er Jahren formuliert wurde, beschreibt den Prozess, bei dem Menschen ihre eigenen Fähigkeiten und Meinungen durch den Vergleich mit anderen bewerten. Menschen neigen dazu, sich als überlegen zu empfinden, wenn sie in bestimmten Aspekten ihres Lebens – sei es in Bezug auf Intelligenz, Attraktivität, Status oder materielle Besitztümer – besser abschneiden als andere. Diese Überlegenheitswahrnehmung kann als Teil eines Selbstwertschutzmechanismus fungieren, der es den Individuen ermöglicht, ihr Selbstbild aufrechtzuerhalten oder zu stärken. In solchen Fällen kann Überlegenheit als eine kognitive Verzerrung gesehen werden, die es ermöglicht, die eigene Position im sozialen Gefüge zu stabilisieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Überlegenheit ist der Zusammenhang mit Dominanz und Macht. In vielen sozialen Hierarchien, seien sie beruflich, gesellschaftlich oder in anderen Gruppen, kann das Gefühl der Überlegenheit mit einer dominierenden Stellung verbunden sein. Diese Art von Überlegenheit wird oft von einer Person oder Gruppe angestrebt, um Einfluss auszuüben, Macht zu sichern oder die eigene Autorität zu festigen. Dabei kann es sich um sichtbare Merkmale wie Führungskompetenz, Entscheidungsgewalt oder Ressourcenverteilung handeln, aber auch um subtilere Formen wie emotionale Kontrolle oder Manipulation.
Psychologisch gesehen wird Überlegenheit manchmal als eine Schutzstrategie betrachtet, die auf Unsicherheit oder Angst vor Unterlegenheit hinweist. Menschen, die sich innerlich unsicher fühlen oder eine geringe Selbstachtung haben, neigen möglicherweise dazu, nach außen hin überheblich oder überlegen zu wirken, um ihre eigene Position zu sichern. Dieses Verhalten kann jedoch auch als eine Form der Selbsttäuschung betrachtet werden, bei der das Individuum versucht, die eigene Unsicherheit zu kaschieren, indem es sich selbst oder andere abwertet. Solche Überlegenheitsgefühle sind nicht immer nachhaltig und können, wenn sie nicht durch echte Fähigkeiten oder Erfolge gestützt werden, zu Konflikten oder einem späteren Verlust des sozialen Status führen.
Die Überlegenheit kann in verschiedenen psychologischen Theorien eine Rolle spielen, etwa in der Theorie der sozialen Identität von Henri Tajfel, die die Bedeutung von Gruppenmitgliedschaften und den Vergleich zwischen „Eigenen“ und „Fremden“ betont. Diese Theorie postuliert, dass Menschen ihre eigene soziale Identität teilweise durch den Vergleich mit anderen Gruppen definieren und sich der Zugehörigkeit zu einer „überlegenen“ Gruppe besonders bewusst sind. Dieses Phänomen kann zu sozialen Spannungen führen, da die Überlegenheit der eigenen Gruppe oft mit der Herabsetzung anderer Gruppen verbunden ist, was zu Diskriminierung und Vorurteilen führen kann.
Nicht zuletzt spielt Überlegenheit auch in der individuellen Psychologie eine Rolle, besonders im Kontext der Persönlichkeitsentwicklung und des Wohlbefindens. In der humanistischen Psychologie, insbesondere in der Theorie von Abraham Maslow, wird Überlegenheit als ein potenzieller Bestandteil des Bestrebens nach Selbstverwirklichung und dem Streben nach Exzellenz betrachtet. Dabei wird jedoch betont, dass wahre Überlegenheit nur dann erreicht werden kann, wenn diese mit einer authentischen Anerkennung der eigenen Schwächen und der Verbindung zu anderen Menschen einhergeht. Übermäßiger Stolz oder die ständige Aufwertung des eigenen Selbst können hingegen als Hindernisse auf dem Weg zu persönlichem Wachstum und wahrer Zufriedenheit gesehen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Überlegenheit in der Psychologie ein komplexes Konzept ist, das in verschiedenen Kontexten und mit unterschiedlichen Auswirkungen auf das Individuum sowie auf soziale Gruppen betrachtet werden muss. Sie kann sowohl ein positives Gefühl des Selbstwertes als auch eine negative Form von Arroganz oder Machtstreben annehmen, wobei sie stets in Beziehung zu anderen Personen und deren Wahrnehmung steht.
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