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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Überlernen
Überlernen bezeichnet in der Psychologie einen Lernprozess, bei dem ein Individuum ein bestimmtes Wissen oder eine Fähigkeit über das notwendige Maß hinaus erlernt. Dies bedeutet, dass das zu lernende Material nicht nur ausreichend beherrscht wird, sondern so häufig wiederholt oder geübt wird, dass es vollständig automatisiert wird. Der Begriff wird sowohl in der kognitiven Psychologie als auch in der Lernpsychologie verwendet, um die Auswirkung von intensiver Wiederholung und Übung auf den Lernprozess zu beschreiben.
Das Konzept des Überlernens basiert auf der Erkenntnis, dass Wiederholung und Übung zu einer stärkeren Verankerung von Wissen oder Fertigkeiten im Langzeitgedächtnis führen. Überlernen geht über die bloße Beherrschung hinaus, da es eine tiefe und stabile Verfestigung der erlernten Information oder Fähigkeit zur Folge hat. In vielen Fällen führt Überlernen dazu, dass das Gelernte auch in stressigen oder abgelenkten Situationen leicht abgerufen werden kann. So wird das Wissen oder die Fähigkeit nicht nur auswendig gelernt, sondern im wahrsten Sinne des Wortes „verinnerlicht“.
Beispielsweise wird bei der Motorik das Überlernen oft genutzt, um motorische Fertigkeiten wie das Klavierspielen, das Fahren eines Fahrzeugs oder das Ausführen eines sportlichen Bewegungsablaufs zu perfektionieren. Hierbei wird durch kontinuierliche Übung und Wiederholung die Fähigkeit soweit automatisiert, dass sie ohne bewusste Anstrengung abgerufen werden kann. Das ist besonders wichtig in Situationen, in denen schnelle, präzise Reaktionen gefragt sind, wie etwa beim Sport oder in gefährlichen oder stressigen Situationen.
In der Gedächtnisforschung wird Überlernen oft als eine Methode betrachtet, um die Stabilität des Gelernten zu erhöhen. Studien zeigen, dass Informationen, die über das notwendige Maß hinaus geübt werden, länger im Gedächtnis bleiben und weniger anfällig für Vergessen sind. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Lernen von Vokabeln: Wenn ein Lernender Vokabeln immer wieder wiederholt, bis er sie vollständig beherrscht, hat er nicht nur das notwendige Mindestmaß an Wissen erreicht, sondern auch das Langzeitgedächtnis in einer Weise aktiviert, die es schwieriger macht, diese Informationen zu vergessen.
Ein wichtiger Aspekt des Überlernens ist die Effizienz der Wiederholung. Wiederholungen, die über das notwendige Minimum hinausgehen, haben jedoch nicht immer den gleichen Nutzen. In manchen Fällen kann das Überlernen weniger effektiv sein, wenn es zu viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt, ohne signifikante zusätzliche Vorteile zu bieten. Dies liegt daran, dass das Gehirn nach einer gewissen Anzahl an Wiederholungen dazu tendiert, weniger auf die spezifische Aufgabe fokussiert zu bleiben, da das Wissen bereits ausreichend im Gedächtnis verankert ist.
In der kognitiven Psychologie wird Überlernen manchmal als doppelschneidiges Schwert betrachtet. Einerseits stärkt es die Erinnerung und Automatisierung von Fähigkeiten, andererseits kann es in bestimmten Fällen zu Lernstagnation führen, wenn es keine neuen Lernimpulse gibt. Zu viel Überlernen kann dazu führen, dass die Lernperson auf „automatische“ Weise handelt und nicht mehr in der Lage ist, flexibel auf neue Anforderungen oder Veränderungen zu reagieren.
In der Praxis ist Überlernen besonders vorteilhaft in Bereichen, in denen Schnelligkeit und Genauigkeit gefragt sind, wie etwa bei der Fehlervermeidung oder Stressbewältigung. In der Notfallmedizin, beim Militär oder bei anderen hochdruckbelasteten Berufen werden bestimmte Reaktionen oder Verhaltensweisen durch intensives Überlernen so stark automatisiert, dass die Fachkraft in der Lage ist, unter extremem Stress korrekt und schnell zu handeln, ohne über jede Handlung nachdenken zu müssen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Überlernen einen tiefen und stabilen Lernprozess beschreibt, der über das bloße Erlernen hinausgeht und das Wissen oder die Fähigkeiten so stark festigt, dass sie auf Abruf und in stressigen Situationen leicht abrufbar sind. Obwohl Überlernen in vielen Kontexten vorteilhaft sein kann, muss es mit Bedacht angewendet werden, da zu viel Wiederholung auch zu einer gewissen Überlastung führen kann, ohne signifikante zusätzliche Vorteile zu bringen.
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