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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Übersuggestibilität
Übersuggestibilität bezeichnet die Tendenz einer Person, besonders empfänglich für Suggestionen oder äußere Beeinflussung zu sein. Menschen, die als übersuggestibel gelten, nehmen Hinweise, Vorschläge oder Ideen von anderen leicht auf und lassen sich in ihren Gedanken, Überzeugungen und Verhaltensweisen stark von externen Impulsen beeinflussen. Diese Eigenschaft ist eng mit der Fähigkeit verbunden, die eigene Wahrnehmung, Gedanken und Emotionen durch äußere Quellen zu verändern. Übersuggestibilität kann in verschiedenen Kontexten auftreten, sei es in der Hypnose, bei der Beeinflussung durch Werbung oder in sozialen Interaktionen.
In der psychologischen Forschung wird Suggestibilität oft als ein Maß für die Anfälligkeit eines Individuums gegenüber sozialen oder psychischen Beeinflussungsprozessen betrachtet. Ein übersuggestibles Individuum kann zum Beispiel dazu neigen, Aussagen oder Handlungen als wahr zu akzeptieren, auch wenn sie nicht auf objektiven Fakten beruhen. Dies kann sowohl in alltäglichen sozialen Interaktionen als auch in spezielleren Kontexten wie der Therapie, der Werbung oder der Massenbeeinflussung auftreten.
Übersuggestibilität ist nicht nur ein Merkmal von Individuen, sondern auch ein Konzept, das in verschiedenen psychologischen Theorien und Modellen untersucht wird, insbesondere in der Psychologie der Wahrnehmung, der Sozialpsychologie und in der Klinischen Psychologie. Ein prominentes Beispiel für die Anwendung von Suggestibilität ist die Hypnose. In diesem Zustand ist die Suggestibilität einer Person in der Regel stark erhöht. Hypnotisierte Personen sind besonders empfänglich für die Vorschläge des Hypnotiseurs, was es möglich macht, bestimmte Verhaltensweisen oder Empfindungen zu induzieren. Dieser Zustand der Erhöhten Suggestibilität wird nicht nur im therapeutischen Kontext genutzt, sondern auch in der Forschung, um das Phänomen der Beeinflussbarkeit und die Mechanismen der Wahrnehmungsverzerrung zu untersuchen.
Ein weiteres Beispiel für Übersuggestibilität ist die Beeinflussung durch Medien oder Werbung. Werbetechniken zielen darauf ab, Konsumenten in ihrem Verhalten zu lenken, indem sie bestimmte Bedürfnisse oder Wünsche ansprechen und suggerieren, dass der Kauf eines Produkts zu einer Verbesserung der Lebensqualität oder des Selbstwertgefühls führt. Besonders empfängliche Individuen können diese Suggestionen schneller und intensiver annehmen und ihre Kaufentscheidungen entsprechend beeinflussen lassen.
Übersuggestibilität ist auch in zwischenmenschlichen Beziehungen von Bedeutung. Besonders in hierarchischen Beziehungen, wie etwa zwischen einem Autoritäts- oder Führungsfiguren und ihren Untergebenen, kann Suggestibilität eine Rolle spielen. Menschen, die eine hohe Neigung zur Suggestibilität haben, sind anfälliger für den Einfluss von Autoritäten oder charismatischen Persönlichkeiten. Sie tendieren dazu, die Ansichten und Meinungen dieser Figuren zu übernehmen, ohne diese kritisch zu hinterfragen.
Persönlichkeitsmerkmale und individuelle Unterschiede spielen eine entscheidende Rolle in der Ausprägung der Suggestibilität. Menschen mit hoher Neurotizismus-Neigung, einem geringen Selbstwertgefühl oder einer starken Bedürftigkeit nach sozialer Zugehörigkeit sind tendenziell empfänglicher für äußere Beeinflussung. Solche Personen suchen oft nach Bestätigung von außen und neigen dazu, die Meinungen und Ansichten anderer zu übernehmen, um soziale Akzeptanz zu erlangen. Auf der anderen Seite können Menschen mit hoher Kritikalität, Selbstbewusstsein und einer starken inneren Überzeugungskraft tendenziell weniger suggestibel sein, da sie dazu neigen, Informationen gründlicher zu hinterfragen und zu analysieren, bevor sie ihnen Glauben schenken.
Ein relevantes Konzept in der Forschung zur Suggestibilität ist die soziale Beeinflussung, die verschiedene Techniken wie Konformität, Gehorsamkeit und Persuasion umfasst. Menschen sind oft empfänglich für soziale Normen und die Erwartungen ihrer sozialen Gruppen. Dies kann dazu führen, dass sie ihre Einstellungen und Verhaltensweisen anpassen, um der Gruppe zu entsprechen, auch wenn sie diese Entscheidungen nicht wirklich aus eigenen Überzeugungen treffen. In diesem Zusammenhang ist Suggestibilität nicht nur ein individuelles Merkmal, sondern auch ein soziales Phänomen, das durch Gruppenzwang und das Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz verstärkt wird.
Übersuggestibilität kann jedoch auch negative Auswirkungen haben, insbesondere wenn sie zu Manipulation führt. In therapeutischen oder zwischenmenschlichen Kontexten kann übermäßige Suggestibilität dazu führen, dass ein Individuum von anderen manipuliert wird, um bestimmte Verhaltensweisen oder Überzeugungen zu übernehmen, die gegen seine eigenen Interessen oder Werte verstoßen. In extremen Fällen kann dies zu Wahrnehmungsverzerrungen, falschen Erinnerungen oder sogar psychischen Störungen wie dem Stockholm-Syndrom führen, bei dem eine Person trotz Misshandlung eine emotionale Bindung zu ihrem Täter aufbaut.
In der psychotherapeutischen Praxis, insbesondere in der Hypnotherapie, wird die Suggestibilität gezielt genutzt, um positive Veränderungen im Verhalten oder Denken eines Klienten zu bewirken. Hierbei wird jedoch stets darauf geachtet, dass die Suggestionen im Einklang mit den Wünschen und Zielen des Klienten stehen und keine Manipulation oder schädlichen Eingriffe in die Autonomie des Individuums stattfinden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Übersuggestibilität ein komplexes Phänomen ist, das sowohl als Fähigkeit zur positiven Beeinflussung (z.B. in der Therapie) als auch als potenzielles Risiko für Manipulation und unerwünschte Beeinflussung betrachtet werden kann. Sie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter die persönliche Disposition, sozialer Kontext und kognitive Verarbeitung. Die bewusste Auseinandersetzung mit eigenen Wahrnehmungsprozessen sowie das Entwickeln von Kritikalität und Selbstreflexion können helfen, der negativen Wirkung von Übersuggestibilität entgegenzuwirken und eine gesunde Wahrnehmung und Entscheidungsfindung zu fördern.
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