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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Assimilation

Assimilation ist ein zentraler Begriff aus der Entwicklungspsychologie und beschreibt einen kognitiven Prozess, bei dem neue Informationen in bestehende Denkmuster und Wissensstrukturen integriert werden. Der Begriff wurde vor allem durch den schweizerischen Entwicklungspsychologen Jean Piaget geprägt, der Assimilation als eine der beiden grundlegenden Anpassungsformen betrachtete, durch die sich das Denken und Verstehen von Kindern entwickelt. Die zweite Anpassungsform ist die Akkommodation, bei der bestehende Strukturen verändert oder angepasst werden, um neue Informationen aufzunehmen. Beide Prozesse – Assimilation und Akkommodation – sind integraler Bestandteil des kognitiven Entwicklungsprozesses und wirken zusammen, um ein stabiles und dennoch flexibles Wissen aufzubauen.

Bei der Assimilation wird eine neue Information so interpretiert oder verarbeitet, dass sie in das bereits bestehende Wissen passt, ohne dass dieses Wissen grundlegend verändert wird. Ein einfaches Beispiel: Ein Kind, das bereits gelernt hat, dass ein Hund ein vierbeiniges Tier ist, könnte auch eine Katze zunächst als „Hund“ identifizieren, weil sie dieselben grundlegenden Merkmale – vier Beine und Fell – aufweist. In diesem Fall wird die neue Information (die Katze) in eine bestehende Kategorie (Hund) eingefügt. Diese Assimilation zeigt, dass das Kind mit seinen vorhandenen kognitiven Schemata versucht, die Welt zu verstehen, auch wenn diese noch nicht vollständig zutreffen.

Assimilation spielt eine wichtige Rolle bei der frühen kognitiven Entwicklung und bildet die Grundlage für Lernprozesse in verschiedenen Lebensphasen. Sie ermöglicht es, neue Informationen auf einfache Weise zu verarbeiten und das bestehende Wissen effizient zu nutzen. Assimilation vereinfacht das Lernen, indem sie die Notwendigkeit minimiert, kognitive Strukturen kontinuierlich anzupassen, was bei jeder neuen Erfahrung sehr aufwändig wäre. Gleichzeitig kann übermäßige Assimilation dazu führen, dass ein Individuum starr oder festgefahren in seinem Denken wird und Schwierigkeiten hat, sich an neue oder komplexe Informationen anzupassen, die eine Neustrukturierung des Wissens erfordern würden.

Im Rahmen der Entwicklung verändert sich das Verhältnis zwischen Assimilation und Akkommodation stetig. In frühen Entwicklungsphasen neigen Kinder stärker zur Assimilation, da sie neue Eindrücke zunächst auf Basis ihrer bisherigen Erfahrungen einordnen. Je mehr sich ihr Wissen erweitert und verfeinert, desto häufiger wird auch Akkommodation erforderlich, um differenzierte oder widersprüchliche Informationen zu verarbeiten. Dieses Zusammenspiel ermöglicht die Entwicklung zunehmend differenzierterer und umfassenderer Wissensstrukturen.

Assimilation ist nicht nur auf die kindliche Entwicklung beschränkt, sondern bleibt ein lebenslanger Prozess, durch den Menschen neue Erfahrungen in ihre vorhandenen mentalen Modelle einfügen. Auch Erwachsene greifen häufig auf bestehende kognitive Schemata zurück, um neue Informationen zu verstehen und zu bewerten. In der Lernpsychologie wird Assimilation auch als Teil der kognitiven Anpassungsprozesse verstanden, die beim Erlernen neuer Fähigkeiten und beim Verstehen komplexer Konzepte eine Rolle spielen. Zum Beispiel kann jemand, der eine neue Sprache lernt, zunächst versuchen, diese Sprache auf Basis der eigenen Muttersprache zu verstehen und anzuwenden – was oft zu typischen „Anfängerfehlern“ führt, da die neue Sprache in das bestehende Sprachverständnis assimiliert wird.

Zusammenfassend ist Assimilation ein grundlegender kognitiver Prozess, der es ermöglicht, neue Informationen in bestehendes Wissen einzufügen und die Welt auf Basis bereits gemachter Erfahrungen zu interpretieren. Sie stellt eine wesentliche Komponente des Lernens und der kognitiven Entwicklung dar und bildet im Zusammenspiel mit der Akkommodation die Grundlage für eine dynamische Anpassung an die Umwelt und den fortlaufenden Wissensaufbau.

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