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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Attributionsfehler
Ein Attributionsfehler bezeichnet eine systematische Verzerrung bei der Ursachenzuschreibung menschlichen Verhaltens, insbesondere bei der Erklärung von eigenen und fremden Handlungen. Attributionen sind mentale Prozesse, bei denen Menschen versuchen, Gründe oder Ursachen für das Verhalten anderer oder für eigene Erlebnisse zu finden. Attributionsfehler treten auf, wenn diese Ursachen aufgrund kognitiver Verzerrungen oder Schemata falsch oder einseitig interpretiert werden, wodurch oft fehlerhafte Annahmen über die Motive und Absichten hinter bestimmten Handlungen entstehen.
Ein bekannter Typus des Attributionsfehlers ist der Fundamentale Attributionsfehler, auch als Korrespondenzverzerrung bezeichnet. Dieser beschreibt die Tendenz, das Verhalten anderer Menschen hauptsächlich auf deren Persönlichkeit oder Charaktereigenschaften zurückzuführen, während situative oder externe Faktoren übersehen oder unterschätzt werden. Beispielsweise könnte jemand, der einen Kollegen bei einem Fehler beobachtet, diesen Fehler auf die Unfähigkeit oder mangelnde Sorgfalt des Kollegen zurückführen, anstatt zu bedenken, dass der Kollege möglicherweise unter Zeitdruck stand oder nur unzureichende Informationen hatte. Der fundamentale Attributionsfehler führt dazu, dass wir in sozialen Interaktionen oft voreilige Schlüsse über die Persönlichkeit anderer ziehen, ohne die äußeren Umstände zu berücksichtigen.
Ein weiterer häufiger Attributionsfehler ist der Akteur-Beobachter-Fehler. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Menschen ihr eigenes Verhalten eher auf die Situation und weniger auf ihre Persönlichkeit zurückführen, während sie bei anderen das Verhalten auf persönliche Eigenschaften zurückführen. Ein Beispiel: Wenn wir selbst zu spät kommen, könnten wir dies mit äußeren Umständen (z. B. einem Stau) erklären, während wir bei jemand anderem, der sich verspätet, eher annehmen, dass dieser Mensch unzuverlässig ist. Diese Verzerrung entsteht oft dadurch, dass wir bei anderen nur das Verhalten, nicht aber die spezifischen Umstände, unter denen dieses Verhalten auftritt, unmittelbar wahrnehmen.
Ein dritter wichtiger Attributionsfehler ist der Selbstwertdienliche Attributionsfehler, der auftritt, wenn Menschen ihre Erfolge auf eigene Fähigkeiten oder Eigenschaften zurückführen, während sie Misserfolge auf äußere Faktoren schieben. Dieser Fehler dient dem Schutz und der Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes. So könnte beispielsweise ein Schüler, der eine gute Note erzielt, dies seiner Intelligenz zuschreiben, während er bei einer schlechten Note äußere Umstände wie die Schwierigkeit der Prüfung oder die Unfairness des Lehrers verantwortlich macht. Der selbstwertdienliche Attributionsfehler ist weit verbreitet und kann dazu führen, dass Menschen ein verzerrtes Selbstbild entwickeln und weniger bereit sind, Verantwortung für ihre Misserfolge zu übernehmen.
Kulturelle Unterschiede beeinflussen ebenfalls die Häufigkeit und Art von Attributionsfehlern. Studien zeigen, dass der fundamentale Attributionsfehler in westlichen, individualistischen Kulturen stärker ausgeprägt ist, während Menschen in kollektivistisch geprägten Kulturen häufiger situative Faktoren in ihre Ursachenerklärungen einbeziehen. In individualistischen Gesellschaften wird das Verhalten oft als Ausdruck individueller Eigenschaften gesehen, was die Neigung zur Überschätzung interner Faktoren verstärkt.
Attributionsfehler haben erhebliche Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen und die soziale Wahrnehmung. Sie können zu Missverständnissen und Konflikten führen, da falsche Annahmen über Motive und Charaktereigenschaften anderer Menschen getroffen werden. Diese Fehler können besonders in stressreichen oder konfliktbeladenen Situationen verstärkt auftreten, da Menschen dann häufig zu schnellen und einfachen Erklärungen greifen, die oft verzerrt sind. Ein Bewusstsein für Attributionsfehler und deren Auswirkungen kann helfen, diese Wahrnehmungsverzerrungen zu reduzieren und empathischer und weniger voreingenommen auf das Verhalten anderer Menschen zu reagieren.
Zusammenfassend beschreibt der Attributionsfehler verschiedene kognitive Verzerrungen, die bei der Ursachenzuschreibung von Verhalten auftreten und dazu führen, dass Menschen externe oder interne Faktoren systematisch überschätzen oder unterschätzen. Attributionsfehler sind ein universelles Phänomen, das tief in unseren kognitiven Verarbeitungsmustern verwurzelt ist und unsere Wahrnehmung, unser Selbstbild und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen erheblich beeinflusst.
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