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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Behaviorale Sucht (Verhaltenssucht)
Behaviorale Sucht oder Verhaltenssucht beschreibt eine Form der Abhängigkeit, bei der das Suchtverhalten nicht durch eine Substanz wie Alkohol oder Drogen ausgelöst wird, sondern durch bestimmte Handlungen oder Aktivitäten. Hierbei entwickeln Betroffene eine zwanghafte und kontrollverlustartige Beziehung zu Verhaltensweisen wie Spielen, Einkaufen, Essen, Arbeiten oder der Nutzung digitaler Medien. Diese Handlungen werden nicht mehr primär aus Genuss oder Interesse ausgeführt, sondern erfüllen für die Betroffenen oft eine emotionale oder psychische Funktion, beispielsweise den Abbau von Stress oder das Flüchten aus belastenden Situationen.
Der Begriff "Verhaltenssucht" entstand, als Psychologen erkannten, dass bestimmte Verhaltensmuster neurobiologische Ähnlichkeiten zur klassischen Drogenabhängigkeit aufweisen. Diese Aktivitäten stimulieren das Belohnungssystem des Gehirns, vor allem durch die Freisetzung von Dopamin, einem Neurotransmitter, der positive Gefühle und eine gesteigerte Motivation hervorruft. Beim wiederholten Ausführen der verhaltenssüchtigen Aktivität gewöhnt sich das Gehirn an diese Dopaminausschüttung, und es entsteht eine Toleranzentwicklung: Die Betroffenen benötigen zunehmend intensivere oder häufigere Wiederholungen der Handlung, um das gleiche Maß an Befriedigung zu erfahren. So wie bei Substanzabhängigkeiten kann der Wegfall des Verhaltens zu Entzugserscheinungen führen, etwa Unruhe, Nervosität oder starke innere Anspannung.
Ein klassisches Beispiel für Verhaltenssucht ist die Spielsucht, auch bekannt als pathologisches Glücksspiel. Hierbei erleben Betroffene eine fast unkontrollierbare Drang, regelmäßig an Glücksspielen teilzunehmen, selbst wenn dies zu erheblichen finanziellen und sozialen Konsequenzen führt. Ein weiteres Beispiel ist die Internetsucht, die insbesondere in der heutigen digitalen Gesellschaft häufig auftritt. Hier verbringen Betroffene zwanghaft lange Zeit im Internet, oft in sozialen Medien, bei Online-Spielen oder beim Online-Shopping, was zu Vernachlässigung anderer Lebensbereiche wie Familie, Beruf oder Schule führt. Auch Essstörungen wie Binge Eating (zwanghaftes Überessen) oder Sportsucht, bei der exzessives Training zwanghaft betrieben wird, gelten als Formen der Verhaltenssucht.
Aus klinischer Sicht wird Verhaltenssucht häufig als Mischung aus Zwangs- und Suchtverhalten betrachtet, da Betroffene einen fast zwanghaften Drang empfinden, die Handlung auszuführen, und dabei gleichzeitig Anzeichen einer klassischen Sucht zeigen, wie Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen. Verhaltenssüchte können ernste psychische und physische Folgen haben, die bis zur sozialen Isolation, zu finanziellen Problemen und zur Vernachlässigung der eigenen Gesundheit reichen. Die Auswirkungen und Risiken der Verhaltenssucht sind somit oft vergleichbar mit denjenigen von substanzbezogenen Abhängigkeiten.
Die Behandlung der Verhaltenssucht ist anspruchsvoll und erfordert meist einen multimodalen Ansatz, der kognitive, verhaltenstherapeutische und, bei Bedarf, medikamentöse Interventionen umfasst. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) wird häufig eingesetzt, um dysfunktionale Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Ziel ist es, den Betroffenen zu helfen, alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln und die Kontrolle über das eigene Verhalten zurückzugewinnen. Auch der Einsatz von Achtsamkeitstechniken und Selbsthilfestrategien kann dabei unterstützen, den impulsiven Drang zur Ausführung der verhaltenssüchtigen Handlung zu verringern. In schweren Fällen kann eine stationäre Therapie erforderlich sein, insbesondere wenn die Verhaltenssucht mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen einhergeht.
Zusammenfassend ist die behaviorale Sucht ein komplexes psychisches Phänomen, das durch ein unkontrolliertes und zwanghaftes Ausführen bestimmter Verhaltensweisen charakterisiert ist. Sie betrifft zunehmend Menschen in modernen Gesellschaften, in denen Belohnungsstrukturen im Gehirn durch Aktivitäten wie Online-Gaming, Glücksspiel und Internetnutzung stark stimuliert werden. Verhaltenssucht ist ernstzunehmend und stellt Betroffene und Behandler vor ähnliche Herausforderungen wie Substanzabhängigkeiten, da sie tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen und deren soziales Umfeld haben kann.
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