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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Behaviorismus
Der Behaviorismus ist eine psychologische Theorie und Forschungsrichtung, die sich auf das beobachtbare Verhalten von Individuen konzentriert und den Einfluss von Umweltreizen auf das Verhalten untersucht. Im Gegensatz zu anderen psychologischen Schulen, die sich auch mit inneren mentalen Prozessen wie Gedanken und Gefühlen befassen, betont der Behaviorismus das objektiv messbare Verhalten und betrachtet es als das zentrale Untersuchungsobjekt der Psychologie. Er ist der Ansicht, dass Verhalten erlernt ist und durch Reize aus der Umwelt geformt wird. Das Ziel des Behaviorismus besteht darin, Gesetzmäßigkeiten zu finden, die das Verhalten erklären und vorhersagen können, und somit eine solide Grundlage für die Psychologie als empirische Wissenschaft zu schaffen.
Der Behaviorismus entstand im frühen 20. Jahrhundert als Reaktion auf die introspektive Psychologie, die stark auf subjektive Erfahrungen und Selbstbeobachtung setzte. Der US-amerikanische Psychologe John B. Watson gilt als einer der Begründer des Behaviorismus. Watson war der Meinung, dass Psychologie nur dann als Wissenschaft ernst genommen werden könne, wenn sie sich auf beobachtbare Phänomene stütze. Sein berühmtes Zitat „Gib mir ein Dutzend gesunde Kleinkinder… und ich werde sie zu jeder Art von Spezialist formen, die ich wähle“ verdeutlicht seine Überzeugung, dass das Verhalten des Menschen durch die Umweltbedingungen formbar ist und nicht durch angeborene Eigenschaften bestimmt wird. Watson führte Experimente durch, die das Konzept der klassischen Konditionierung betonten, wie etwa den „kleinen Albert“, bei dem ein kleines Kind konditioniert wurde, Angst vor einer weißen Ratte zu entwickeln, indem der Anblick der Ratte mit einem lauten Geräusch gekoppelt wurde.
Ein bedeutender Vertreter des Behaviorismus war der Psychologe B.F. Skinner, der den sogenannten „radikalen Behaviorismus“ begründete. Skinner legte seinen Fokus auf das operante Konditionieren – eine Form des Lernens, bei der das Verhalten durch die Konsequenzen beeinflusst wird, die auf dieses Verhalten folgen. In Experimenten mit Tieren wie Tauben und Ratten entwickelte Skinner die Idee, dass Verstärkung das Verhalten formt. Wenn ein Verhalten belohnt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es in Zukunft erneut auftritt. Skinner untersuchte auch den Einfluss der Bestrafung, die dazu dient, die Häufigkeit eines unerwünschten Verhaltens zu reduzieren. Seine Arbeiten haben dazu beigetragen, das Verständnis des Lernens in den Mittelpunkt des Behaviorismus zu rücken und eine Basis für viele Anwendungsbereiche zu schaffen, insbesondere in der Erziehung und Verhaltenstherapie.
Ein weiteres wichtiges Konzept im Behaviorismus ist die klassische Konditionierung, die von Iwan Pawlow entwickelt wurde. Pawlow entdeckte, dass Hunde einen bestimmten Reiz, wie etwa das Läuten einer Glocke, mit Futter assoziieren konnten, sodass sie schließlich bereits beim Hören der Glocke zu speicheln begannen – selbst wenn kein Futter präsentiert wurde. Diese Art des Lernens wird als „Reiz-Reaktions-Verbindung“ bezeichnet und verdeutlicht, dass Verhalten durch die Verknüpfung von Reizen erworben werden kann. Pawlows Arbeiten bildeten die Grundlage für Watsons Überzeugung, dass auch menschliches Verhalten durch einfache Assoziationen geformt werden kann.
Der Behaviorismus hatte weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung der Psychologie als Wissenschaft. Seine Betonung der Messbarkeit und Objektivität half, die Psychologie als empirische Disziplin zu etablieren. Der behavioristische Ansatz prägte eine Vielzahl von praktischen Anwendungen, darunter auch die Verhaltenstherapie. In der Verhaltenstherapie wird das Verhalten von Menschen durch gezielte Konditionierungstechniken verändert, um problematische Verhaltensmuster zu reduzieren und positive Verhaltensweisen zu fördern. Die Techniken des operanten und klassischen Konditionierens sind hierbei von großer Bedeutung. Beispielsweise kann die systematische Desensibilisierung eingesetzt werden, um Ängste zu überwinden, indem ein angstauslösender Reiz Schritt für Schritt mit Entspannungsübungen kombiniert wird.
Kritiker des Behaviorismus bemängelten jedoch, dass der Ansatz zu eng gefasst sei, da er innere mentale Prozesse und Emotionen weitgehend ignorierte. Der radikale Behaviorismus versuchte, das Bewusstsein und subjektive Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Betrachtung des Menschen auszuschließen, was von anderen psychologischen Strömungen wie der kognitiven Psychologie als unzureichend betrachtet wurde. Die kognitive Wende in den 1960er Jahren führte dazu, dass innerpsychische Prozesse wie Wahrnehmung, Denken und Problemlösen zunehmend in den Fokus rückten und die rein behavioristische Perspektive an Bedeutung verlor. Dennoch hat der Behaviorismus wertvolle Erkenntnisse über die Mechanismen des Lernens geliefert und bildet bis heute die Grundlage für viele verhaltenstherapeutische Ansätze.
Zusammenfassend betrachtet der Behaviorismus das Verhalten als Ergebnis von Umweltbedingungen und lehnt die Analyse innerer mentaler Prozesse als wissenschaftliches Untersuchungsobjekt ab. Seine Prinzipien des Konditionierens haben wesentliche Erkenntnisse über das menschliche Verhalten geliefert und praktische Anwendungen in Bereichen wie Erziehung und Therapie ermöglicht. Der Behaviorismus hat die Psychologie als empirische Wissenschaft geprägt, und seine Konzepte und Methoden sind bis heute relevant, insbesondere in der Behandlung von Verhaltensstörungen und in der Pädagogik. Trotz der Kritik, die zu einem erweiterten Verständnis durch die kognitive Psychologie geführt hat, bleibt der Behaviorismus eine fundamentale Strömung der Psychologie mit wichtigen Beiträgen zum Verständnis des menschlichen und tierischen Verhaltens.
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