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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Bewertungsangst

Bewertungsangst, auch als Prüfungsangst oder Leistungsangst bekannt, ist eine spezifische Form der sozialen Angst, bei der betroffene Personen starke Ängste und Unsicherheiten in Situationen empfinden, in denen sie von anderen beurteilt oder bewertet werden. Diese Angst kann sich auf eine Vielzahl von Kontexten beziehen, etwa auf Prüfungen in der Schule oder Universität, Präsentationen am Arbeitsplatz oder sogar auf alltägliche soziale Interaktionen. Die Bewertungsangst ist eng mit der Angst vor negativer Bewertung verbunden und kann das Selbstbewusstsein und die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen.

Ursachen und Auslöser der Bewertungsangst
Bewertungsangst entsteht oft aus einer Kombination genetischer, psychologischer und umweltbedingter Faktoren. Eine genetische Veranlagung zur Ängstlichkeit, gepaart mit prägenden Erfahrungen wie strengen Erziehungspraktiken, Kritik oder Mobbing, kann die Entwicklung dieser Angst fördern. Besonders in leistungsorientierten Gesellschaften, in denen individueller Erfolg oft als Maßstab für persönlichen Wert gesehen wird, kann Bewertungsangst verstärkt auftreten. Häufig entwickelt sich diese Angst auch aufgrund von Perfektionismus, einem tief verwurzelten Bedürfnis, stets den hohen Erwartungen anderer oder sich selbst gerecht zu werden. Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche, die in einem Umfeld mit hohen Leistungsansprüchen aufwachsen, besonders anfällig für Bewertungsangst sind.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Rolle der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung – also der Überzeugung, dass man selbst in der Lage ist, schwierige Situationen zu bewältigen. Personen mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung fühlen sich in bewertenden Situationen oft hilflos und überfordert, was die Bewertungsangst zusätzlich verstärken kann.

Symptome und Auswirkungen der Bewertungsangst
Die Symptome der Bewertungsangst können körperlicher, emotionaler und kognitiver Natur sein. Körperliche Symptome umfassen oft Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, Magenbeschwerden und Schwindel. Auf emotionaler Ebene berichten Betroffene von intensiver Nervosität, Scham oder gar Panik in Situationen, in denen sie bewertet werden. Diese Gefühle gehen oft mit kognitiven Symptomen wie Gedankenrasen, Selbstzweifeln und einer erhöhten Fokussierung auf mögliche Fehler einher. Die betroffene Person kann in solchen Situationen Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren oder ihre volle Leistungsfähigkeit abzurufen, was letztlich die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Misserfolgs erhöhen kann – eine Dynamik, die als „self-fulfilling prophecy“ bekannt ist.

Langfristig kann Bewertungsangst zu gravierenden psychischen und sozialen Einschränkungen führen. Menschen, die unter dieser Angst leiden, ziehen sich oft aus sozialen oder beruflichen Kontexten zurück, um mögliche Bewertungssituationen zu vermeiden. Dies kann zu Isolation, sinkendem Selbstwertgefühl und im Extremfall zu Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen führen.

Bewältigungsstrategien und therapeutische Ansätze
Es gibt verschiedene Ansätze, Bewertungsangst zu überwinden oder zu lindern. Ein bewährter therapeutischer Ansatz ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), bei der die betroffenen Personen lernen, ihre negativen Gedankenmuster zu erkennen und umzustrukturieren. Ein zentraler Bestandteil der KVT ist das Expositionstraining, bei dem die Betroffenen Schritt für Schritt lernen, sich bewertenden Situationen auszusetzen, ohne sich dabei von ihrer Angst überwältigen zu lassen. Durch diese wiederholte Konfrontation mit der angstauslösenden Situation können die Betroffenen lernen, dass ihre Befürchtungen meist übertrieben sind und ihre Fähigkeit, die Situation zu bewältigen, höher ist, als sie ursprünglich dachten.

Weitere Strategien zur Bewältigung von Bewertungsangst umfassen Entspannungstechniken wie Atemübungen, Meditation und progressive Muskelentspannung, die helfen, die körperliche Reaktion auf Stress zu regulieren. Auch die Förderung der eigenen Selbstwirksamkeit durch positive Selbstgespräche und das Setzen realistischer Ziele kann langfristig helfen, die Angst vor Bewertungen abzubauen.

Relevanz und gesellschaftliche Bedeutung
Bewertungsangst ist in unserer leistungsorientierten Gesellschaft von großer Bedeutung, da sie das Potenzial hat, die berufliche und persönliche Entwicklung erheblich zu beeinträchtigen. In Bildungseinrichtungen und Unternehmen wird zunehmend Wert darauf gelegt, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Bewertungsangst zu überwinden, sei es durch Präventionsmaßnahmen, Aufklärung oder psychologische Beratung. Die Bedeutung eines offenen Umgangs mit Bewertungsangst ist essenziell, um Betroffenen frühzeitig Hilfestellungen zu bieten und sie dazu zu ermutigen, ihr Potenzial ohne Angst vor Beurteilung auszuschöpfen.

Insgesamt ist Bewertungsangst ein vielschichtiges psychologisches Phänomen, das durch komplexe Wechselwirkungen zwischen Persönlichkeit, Erfahrungen und Umweltfaktoren entsteht. Ein umfassendes Verständnis dieser Angstform ist ein erster Schritt, um effektive Bewältigungsstrategien zu entwickeln und betroffene Personen dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial in gesellschaftlichen und beruflichen Kontexten zu entfalten.

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