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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Bezugsgruppe

Eine Bezugsgruppe bezeichnet in der Psychologie und Soziologie eine Gruppe von Personen, an der sich ein Individuum in seinem Verhalten, seinen Einstellungen und seiner Werteorientierung bewusst oder unbewusst orientiert. Bezugsgruppen haben eine erhebliche Einflusskraft auf das Denken, Handeln und die Selbstwahrnehmung von Individuen, da sie als Maßstab und Vergleichsrahmen für soziale Normen und Erwartungen dienen. Die Mitglieder einer Bezugsgruppe teilen oft ähnliche Interessen, Ansichten und Werte, was dem Einzelnen hilft, Orientierung und Identität innerhalb eines sozialen Kontextes zu entwickeln. Die Bedeutung von Bezugsgruppen reicht von familiären und freundschaftlichen Netzwerken bis hin zu beruflichen oder sozialen Gruppen und ist besonders einflussreich in der Jugend- und Persönlichkeitsentwicklung.

Bezugsgruppen lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen: Mitgliedsgruppen und Referenzgruppen. Eine Mitgliedsgruppe ist eine Bezugsgruppe, der eine Person tatsächlich angehört, wie etwa die Familie, der Freundeskreis oder das Team am Arbeitsplatz. Diese Gruppen prägen das Verhalten und die Werte eines Individuums durch direkte Interaktion und soziale Kontrolle, das heißt, durch Erwartungen, Belohnungen und Sanktionen. Referenzgruppen hingegen sind Gruppen, denen das Individuum nicht unbedingt angehört, die aber trotzdem als Vorbilder oder Orientierungspunkte dienen. Beispiele für solche Gruppen sind prominente Persönlichkeiten, soziale Bewegungen oder bestimmte Berufsgruppen. Individuen nutzen Referenzgruppen oft, um soziale Normen und Standards zu bewerten und sich selbst in diesen Kontexten zu positionieren.

Die Rolle von Bezugsgruppen ist besonders stark in der Identitätsbildung und Werteentwicklung während der Jugend- und Adoleszenzphase. Jugendliche orientieren sich oft stark an Gleichaltrigengruppen, um Akzeptanz und Anerkennung zu finden. Die Anpassung an die Normen und Verhaltensweisen der Peer-Gruppe hilft Jugendlichen, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln und sich von den elterlichen Einflüssen abzugrenzen. Dabei ist zu beobachten, dass die Gruppe häufig zum Maßstab für „richtiges“ Verhalten und Wertvorstellungen wird. Dieser Einfluss kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben: Während Bezugsgruppen Jugendliche motivieren können, akademische oder sportliche Leistungen zu steigern, kann eine ungesunde Gruppendynamik auch zu problematischem Verhalten wie Gruppenzwang, Risikoverhalten oder Konformität führen.

Neben der Jugend ist die Zugehörigkeit zu Bezugsgruppen auch im Erwachsenenalter von großer Bedeutung. Berufliche Bezugsgruppen, etwa Kollegenkreise oder Berufsgemeinschaften, tragen maßgeblich zur beruflichen Sozialisation und Identifikation bei. Auch der soziale Status und das Konsumverhalten werden stark von Bezugsgruppen beeinflusst. In der Konsumforschung spielt die Bezugsgruppe eine wichtige Rolle, da Menschen häufig Produkte und Marken bevorzugen, die von ihrer Bezugsgruppe geschätzt oder verwendet werden. Dadurch entstehen in der Gesellschaft bestimmte Trends und Moden, die durch Gruppen und soziale Netzwerke verbreitet werden.

Psychologisch gesehen beeinflussen Bezugsgruppen die Selbstwahrnehmung und das Selbstbild des Individuums. Menschen neigen dazu, sich mit ihrer Bezugsgruppe zu vergleichen und sich an deren Standards zu messen. Dieser soziale Vergleich kann positive Effekte haben, indem er als Anreiz für die persönliche Weiterentwicklung dient, kann aber auch zu negativen Gefühlen wie Neid, Unsicherheit und Minderwertigkeit führen, wenn die eigenen Leistungen oder das eigene Verhalten als unzureichend im Vergleich zur Bezugsgruppe empfunden werden. Studien zeigen, dass ein übermäßiger Vergleich mit idealisierten Bezugsgruppen, wie sie in den sozialen Medien oft präsentiert werden, zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung und niedrigem Selbstwertgefühl führen kann.

Bezugsgruppen können auch einen starken normativen Einfluss ausüben, der das Verhalten eines Individuums reguliert. Dieser normative Einfluss tritt auf, wenn das Individuum die Erwartungen und Normen der Gruppe übernimmt, um Mitgliedschaft, Akzeptanz und Anerkennung zu sichern. Solche Normen beeinflussen Verhalten, Sprache, Werte und sogar den Lebensstil eines Individuums. Der normative Druck einer Bezugsgruppe führt oft zu Konformität, da Menschen dazu neigen, Verhaltensweisen zu übernehmen, die innerhalb der Gruppe akzeptiert und unterstützt werden. Allerdings kann dieser Konformitätsdruck auch zu Konflikten führen, wenn die Erwartungen der Bezugsgruppe den persönlichen Überzeugungen oder Zielen widersprechen.

Zusammengefasst ist die Bezugsgruppe ein zentraler Einflussfaktor auf das Verhalten, die Einstellungen und die Selbstwahrnehmung eines Individuums. Sie bietet Orientierung, ermöglicht sozialen Vergleich und beeinflusst die Entwicklung sozialer und persönlicher Identität. Die Zugehörigkeit zu einer Bezugsgruppe kann sowohl positive Effekte in Form von Motivation und Zugehörigkeitsgefühl haben als auch Herausforderungen mit sich bringen, wenn normativer Druck zu Konformität oder sogar zu negativen Verhaltensweisen führt. Das Verständnis des Einflusses von Bezugsgruppen ist daher von entscheidender Bedeutung für die Analyse sozialer Dynamiken und individueller Verhaltensmuster in der Psychologie und Soziologie.

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