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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Bias (Verzerrung)
Bias, oder auf Deutsch „Verzerrung“, bezeichnet in der Psychologie eine systematische Abweichung von neutralem oder objektivem Denken und Handeln. Psychologische Verzerrungen beeinflussen, wie Menschen Informationen wahrnehmen, verarbeiten und bewerten, was zu Urteilsfehlern führen kann. Solche kognitiven Verzerrungen sind oft unbewusst und dienen der Vereinfachung komplexer Informationsverarbeitungsprozesse. Während sie dem Gehirn helfen, schnell und effizient zu reagieren, können sie gleichzeitig zu Fehlurteilen, Vorurteilen und unangemessenem Verhalten führen. Biases spielen sowohl in individuellen als auch in sozialen Kontexten eine zentrale Rolle, da sie nicht nur persönliche Entscheidungen beeinflussen, sondern auch Gruppenverhalten und gesellschaftliche Normen.
Ursachen und Arten von Bias
Kognitive Verzerrungen haben ihren Ursprung in den evolutionären Mechanismen des menschlichen Gehirns. In Situationen, die schnelle Entscheidungen erforderten, entwickelten sich „mentale Abkürzungen“ oder Heuristiken, die es ermöglichten, auf Basis begrenzter Informationen zu handeln. Diese Mechanismen, die oft unbewusst ablaufen, sind effizient, führen aber gelegentlich zu systematischen Denkfehlern. Es gibt zahlreiche Arten von Biases, die jeweils spezifische Effekte auf Wahrnehmung und Urteilsbildung haben. Zu den bekanntesten Biases gehören:
Bestätigungsfehler (Confirmation Bias): Menschen neigen dazu, Informationen so zu interpretieren, dass sie ihren bestehenden Überzeugungen und Erwartungen entsprechen. Sie suchen gezielt nach Bestätigung für ihre Ansichten und ignorieren oder entwerten widersprüchliche Informationen. Dieser Bias kann dazu führen, dass sich Überzeugungen verstärken und festigen, auch wenn sie objektiv falsch sind.
Verfügbarkeitsheuristik (Availability Heuristic): Personen schätzen die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses oft danach ein, wie leicht ähnliche Ereignisse aus dem Gedächtnis abgerufen werden können. Wenn bestimmte Informationen besonders auffällig oder leicht zugänglich sind, nehmen sie in der Urteilsbildung einen überproportionalen Stellenwert ein. Dies erklärt, warum Menschen nach Medienberichten über Flugzeugabstürze oft die Sicherheit des Fliegens überschätzen.
Ankereffekt (Anchoring Bias): Dieser Bias beschreibt die Tendenz, sich bei Urteilen oder Entscheidungen an einem als Ausgangspunkt dienenden Ankerwert zu orientieren, selbst wenn dieser irrelevant oder zufällig ist. So beeinflusst beispielsweise ein erster genannter Preis oft die Verhandlungsbereitschaft in Verhandlungen, unabhängig von seiner objektiven Angemessenheit.
Self-Serving Bias: Menschen schreiben Erfolge meist sich selbst und ihren Fähigkeiten zu, während sie Misserfolge eher auf äußere Umstände oder Pech zurückführen. Dieser Bias dient oft der Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes und kann sich negativ auf Lernprozesse und die Fähigkeit zur Selbstreflexion auswirken.
Attributionsfehler (Fundamental Attribution Error): Menschen neigen dazu, das Verhalten anderer eher auf deren Charaktereigenschaften als auf situative Einflüsse zurückzuführen. Beispielsweise könnte man einen Kollegen, der zu spät zur Arbeit kommt, als unzuverlässig bewerten, anstatt zu berücksichtigen, dass äußere Faktoren wie Verkehrsstörungen eine Rolle gespielt haben könnten.
Auswirkungen von Biases
Die Auswirkungen von Biases können tiefgreifend sein, da sie die Wahrnehmung, das Verhalten und die Entscheidungen von Menschen auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene prägen. Im sozialen Kontext führen Verzerrungen häufig zu Vorurteilen und Stereotypen, die zur Diskriminierung beitragen können. Der Bestätigungsfehler verstärkt etwa stereotype Überzeugungen, indem er nur Informationen zulässt, die diese Überzeugungen stützen. Auch in der Berufswelt haben Biases eine starke Wirkung: Der Halo-Effekt beispielsweise, eine Verzerrung, bei der eine positive Eigenschaft einer Person (wie ein ansprechendes Äußeres) dazu führt, dass man weitere positive Eigenschaften annimmt, beeinflusst Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen.
In der Forschung kann der sogenannte „Forscher-Bias“ dazu führen, dass Wissenschaftler Ergebnisse selektiv interpretieren oder nur Studien veröffentlichen, die ihre Hypothesen unterstützen, was die Objektivität und Validität wissenschaftlicher Erkenntnisse beeinträchtigt. Zudem beeinflussen Biases die Art und Weise, wie Menschen Risiken wahrnehmen, Konsumentscheidungen treffen und sich in sozialen Medien bewegen, da Algorithmen oft vorgefilterte Informationen präsentieren, die bestehende Meinungen bestätigen.
Methoden zur Reduzierung von Biases
Obwohl Biases tief in der menschlichen Kognition verwurzelt sind, gibt es Ansätze, ihre Auswirkungen zu minimieren. In der Psychologie und den Kognitionswissenschaften wird intensiv an Methoden zur Bias-Reduktion geforscht. Einige dieser Methoden umfassen:
Bewusstmachung und Reflexion: Indem Menschen sich ihrer Verzerrungen bewusstwerden und lernen, diese zu erkennen, können sie zumindest in bestimmten Entscheidungssituationen kontrollierter und bewusster reagieren. Bias-Trainings, wie sie in Unternehmen durchgeführt werden, sensibilisieren Mitarbeitende für ihre Vorurteile und fördern die Reflexion im Umgang mit Kollegen und Kunden.
Objektive Kriterien und strukturierte Entscheidungsprozesse: Insbesondere im beruflichen Kontext ist es hilfreich, standardisierte Kriterien und Bewertungsrichtlinien zu verwenden. Strukturierte Interviews oder Bewertungsskalen können helfen, unbewusste Vorurteile bei der Einschätzung von Leistungen oder der Auswahl von Kandidat
zu minimieren.
Gegenüberstellung unterschiedlicher Perspektiven: Ein weiterer Ansatz besteht darin, gezielt Informationen zu suchen, die den eigenen Überzeugungen widersprechen (sogenanntes „Debiasing“). Indem Menschen verschiedene Perspektiven einnehmen und in ihre Urteilsbildung einbeziehen, kann der Bestätigungsfehler abgeschwächt werden.
Nutzung statistischer Methoden und Algorithmen: In der Wissenschaft und im Gesundheitswesen können statistische Analysen und Algorithmen helfen, Entscheidungen auf Grundlage objektiver Daten zu treffen und Verzerrungen zu reduzieren. Diese Methoden sind jedoch nicht frei von Vorurteilen, da auch Algorithmen „verzerrt“ sein können, wenn die zugrunde liegenden Daten selbst verzerrt sind.
Gesellschaftliche Relevanz von Bias
Die Relevanz von Biases nimmt in einer global vernetzten und datengetriebenen Welt weiter zu. In sozialen Medien und Online-Plattformen beispielsweise verstärken Algorithmen Verzerrungen, indem sie Inhalte basierend auf Nutzungspräferenzen auswählen und so Echokammern oder Filterblasen schaffen. Dadurch können Vorurteile und Stereotype verstärkt und eine gesellschaftliche Polarisierung begünstigt werden.
Ein fundiertes Verständnis von Biases und deren Einflüssen ist daher essenziell, um präventiv und bewusst gegen Fehlwahrnehmungen und Fehlentscheidungen vorzugehen – sei es im sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Kontext.
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