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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Biopsychosoziales Modell
Das biopsychosoziale Modell ist ein integrativer Ansatz zur Betrachtung von Gesundheit und Krankheit, der biologische, psychologische und soziale Faktoren gleichermaßen berücksichtigt. Im Gegensatz zum traditionellen biomedizinischen Modell, das Gesundheit primär als Abwesenheit körperlicher Krankheit definiert und vor allem auf physiologische und genetische Ursachen fokussiert, bietet das biopsychosoziale Modell eine holistische Perspektive. Es wurde maßgeblich von dem Psychiater George L. Engel in den 1970er Jahren entwickelt und stellt eine Erweiterung des medizinischen Verständnisses dar, indem es auch psychologische und soziale Einflüsse als wichtige Komponenten anerkennt. Dadurch ermöglicht das Modell eine differenzierte Betrachtung und einen umfassenden Ansatz zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten und Störungen, die alle Aspekte des menschlichen Lebens und Erlebens umfassen.
Biologische Faktoren umfassen alle physiologischen und genetischen Prozesse, die das körperliche Funktionieren und die Gesundheit beeinflussen. Dazu zählen genetische Prädispositionen, Immunsystem, Hormone, Gehirnstruktur und -funktionen sowie biochemische Prozesse. Bei der Untersuchung und Behandlung von Krankheiten wird hier der Fokus auf die körperlichen Ursachen und Prozesse gelegt, wie beispielsweise die Erkennung genetischer Risiken für bestimmte Erkrankungen oder die Rolle von Neurotransmittern bei psychischen Störungen. Das biologische Element bildet die Grundlage des biopsychosozialen Modells und wird durch die Erkenntnis ergänzt, dass körperliche Erkrankungen auch durch nicht-biologische Faktoren beeinflusst werden können.
Psychologische Faktoren im biopsychosozialen Modell beziehen sich auf die kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Ebene, die die individuelle Wahrnehmung, den Umgang mit Stress und den Umgang mit gesundheitlichen Herausforderungen beeinflusst. Emotionale Zustände wie Angst, Depression oder Stress können beispielsweise das Immunsystem schwächen und so die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen. Gleichzeitig kann die Einstellung eines Menschen zur eigenen Gesundheit und sein Bewältigungsstil (z. B. ob er/sie resilient oder anfällig für Stress ist) maßgeblich die Genesung und das Wohlbefinden beeinflussen. Das Modell betont hier, dass der psychische Zustand einer Person eine direkte Wechselwirkung mit ihrem physischen Zustand hat und somit bei der Diagnose und Behandlung berücksichtigt werden sollte.
Soziale Faktoren beziehen sich auf die Rolle des Umfeldes und die sozialen Interaktionen, die die Gesundheit beeinflussen können. Soziale Unterstützung durch Familie, Freunde und Gemeinschaft, der sozioökonomische Status, kulturelle Einflüsse und das soziale Netzwerk spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Menschen, die sozial gut vernetzt und unterstützt sind, zeigen oft eine bessere psychische und körperliche Gesundheit, da soziale Bindungen Resilienz fördern und als Bewältigungsressourcen dienen können. Isolation und Armut hingegen sind Risikofaktoren für psychische und physische Erkrankungen, da sie Stress verstärken und die Möglichkeiten zur gesunden Lebensführung einschränken können. Das biopsychosoziale Modell erkennt damit an, dass der soziale Kontext einer Person eine entscheidende Komponente ist, die im Zusammenspiel mit biologischen und psychologischen Faktoren zur Gesundheit beiträgt.
Das biopsychosoziale Modell hat weitreichende Implikationen für die Praxis in Psychologie, Medizin und Sozialwissenschaften, insbesondere für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Anstatt eine Krankheit isoliert auf einer Ebene zu betrachten, wird die Komplexität menschlicher Gesundheit anerkannt, was eine personalisierte und patientenzentrierte Gesundheitsversorgung fördert. Das Modell fordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, bei der Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter gemeinsam arbeiten, um die bestmögliche Versorgung zu bieten. So wird beispielsweise bei der Behandlung einer chronischen Erkrankung nicht nur der biologische Zustand durch Medikamente behandelt, sondern auch psychologische Unterstützung zur Krankheitsbewältigung und gegebenenfalls soziale Beratung zur Integration in die Gesellschaft angeboten.
Zusammenfassend betrachtet das biopsychosoziale Modell den Menschen in seiner Gesamtheit und fördert ein dynamisches Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Es unterstreicht, dass körperliches und psychisches Wohlbefinden nicht isoliert betrachtet werden sollten, sondern dass das Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren entscheidend ist. Dadurch hat das biopsychosoziale Modell die herkömmliche Sichtweise auf Krankheit revolutioniert und trägt maßgeblich zur Entwicklung moderner, ganzheitlicher Behandlungskonzepte bei.
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