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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Derealisation
Derealisation ist ein psychologisches Phänomen, bei dem die betroffene Person ihre Umgebung als unwirklich, fremd oder verzerrt wahrnimmt. Es handelt sich um eine Form der Dissoziation, bei der das Gefühl von Vertrautheit und Realität des Umfeldes verloren geht, was oft mit einem tiefen Gefühl von Entfremdung einhergeht. Menschen, die Derealisation erleben, berichten häufig, dass die Welt um sie herum wie durch einen Schleier oder eine Glasscheibe wahrgenommen wird, als ob sie „nicht wirklich da“ oder wie in einem Traum wären. Diese Wahrnehmungsveränderung kann episodisch auftreten oder in schwereren Fällen chronisch sein und ist in der Regel stark beunruhigend für die Betroffenen, da sie das Gefühl der Verbundenheit mit ihrer Umwelt beeinträchtigt.
Derealisation tritt oft in Verbindung mit anderen dissoziativen Symptomen auf, insbesondere mit Depersonalisation, bei der die betroffene Person sich selbst oder ihren Körper als fremd empfindet. Gemeinsam werden Derealisation und Depersonalisation als „Depersonalisations-Derealisationsstörung“ (DDD) bezeichnet, die zu den dissoziativen Störungen zählt. Diese Störung kann sowohl im Rahmen psychischer Erkrankungen, wie etwa Angststörungen, Depressionen, oder posttraumatischen Belastungsstörungen, als auch infolge von extremem Stress, Müdigkeit, Schlafentzug oder Substanzmissbrauch auftreten. Derealisation wird häufig als Schutzmechanismus des Gehirns betrachtet, das sich in besonders belastenden oder traumatischen Situationen von der Realität distanziert, um emotionale Überforderung zu vermeiden.
Ein typisches Merkmal der Derealisation ist, dass die Wahrnehmung sich verändert, ohne dass die Wahrnehmungsfähigkeit selbst gestört ist – das heißt, die betroffene Person erkennt, dass ihr Erleben der Realität „irgendwie falsch“ oder „verzerrt“ ist, und kann das Gefühl von Entfremdung oft genau beschreiben. Dieser sogenannte Realitätsbezug bleibt also erhalten, was Derealisation von psychotischen Störungen unterscheidet, bei denen die betroffene Person oft nicht zwischen inneren Erlebnissen und der äußeren Realität unterscheiden kann. Gerade dieses Bewusstsein über die eigene Wahrnehmungsveränderung macht das Erleben der Derealisation für viele Betroffene besonders belastend und angstbesetzt, da sie sich ihres veränderten Realitätsbezugs bewusst sind, ihn aber nicht kontrollieren können.
Die Ursachen von Derealisation sind vielschichtig und oft schwer zu identifizieren. Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Gehirnareale, wie der präfrontale Kortex und das limbische System, eine Rolle bei der Entstehung dissoziativer Zustände spielen können. Diese Hirnregionen sind für emotionale Regulation, Bewusstsein und Wahrnehmung zuständig und können in Situationen von starkem Stress oder Trauma veränderte Aktivitätsmuster zeigen. Die Derealisation dient dann möglicherweise als eine Art Schutzmechanismus, um das emotionale Erleben zu dämpfen und sich vor überwältigenden Gefühlen zu distanzieren. Dieser Prozess kann jedoch, wenn er chronisch wird, zu einer stabilen Wahrnehmungsverzerrung führen, die das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigt.
Die Behandlung der Derealisation hängt oft von der zugrunde liegenden Ursache ab. In Fällen, in denen Derealisation in Verbindung mit Angststörungen oder Depression auftritt, können psychotherapeutische Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilfreich sein, da sie darauf abzielt, belastende Denkmuster zu verändern und den Umgang mit Angst und Stress zu verbessern. Achtsamkeitstechniken und Meditation werden ebenfalls oft empfohlen, um Betroffenen zu helfen, sich im gegenwärtigen Moment zu verankern und ein stärkeres Gefühl der Verbundenheit mit der Umwelt zu entwickeln. In einigen Fällen, insbesondere wenn die Derealisation durch ein Trauma ausgelöst wurde, können auch traumaspezifische Therapieansätze, wie die EMDR-Therapie (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), wirksam sein.
Zusammenfassend ist Derealisation ein komplexes und oft belastendes Phänomen, das das Gefühl von Realität und Vertrautheit tiefgreifend stören kann. Sie kann als Reaktion auf extreme psychische Belastungen verstanden werden und dient möglicherweise als Schutzmechanismus des Gehirns. Die Bewältigung der Derealisation erfordert oft einen umfassenden therapeutischen Ansatz, der neben psychotherapeutischen Verfahren auch Strategien zur Selbstregulation und Achtsamkeit umfasst, um den Betroffenen zu helfen, sich wieder stärker in der Realität zu verankern und ein Gefühl der inneren Stabilität zurückzugewinnen.
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