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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Idealisierung

Idealisierung ist ein psychologischer Prozess, bei dem eine Person, ein Objekt oder eine Idee in übertrieben positivem Licht dargestellt wird, oft auf eine Weise, die unrealistisch oder verzerrt ist. Es handelt sich um eine kognitive Verzerrung, bei der bestimmte Merkmale oder Eigenschaften idealisiert werden, während negative oder weniger vorteilhafte Aspekte ausgeblendet oder verharmlost werden. Idealisierung tritt häufig in zwischenmenschlichen Beziehungen auf, besonders in frühen Phasen einer Beziehung, in denen eine Person ihren Partner oder eine andere bedeutende Bezugsperson in einem übertrieben positiven Licht sieht. Aber auch in anderen Kontexten, wie bei der Wahrnehmung von bestimmten gesellschaftlichen Normen, historischen Ereignissen oder Berühmtheiten, kann Idealisierung vorkommen.

Der Prozess der Idealisierung spielt eine zentrale Rolle in der psychologischen Entwicklung und in zwischenmenschlichen Beziehungen. Besonders in der Entwicklung von Kindern können Eltern als "idealisierte" Figuren wahrgenommen werden, die nahezu perfekt sind und deren Fehler oder Unzulänglichkeiten nicht gesehen oder ignoriert werden. Dieses idealisierte Bild hilft Kindern, sich sicher und geschützt zu fühlen, da es mit Vertrauen und Geborgenheit assoziiert wird. Mit zunehmendem Alter und dem Erreichen einer höheren kognitiven Reife beginnen Kinder jedoch, eine realistischere Sichtweise auf ihre Eltern und andere Bezugspersonen zu entwickeln.

In der Psychodynamischen Theorie, besonders in den Arbeiten von Melanie Klein und Otto Kernberg, wird Idealisierung als ein Mechanismus betrachtet, der in der Objektbeziehungstheorie eine wichtige Rolle spielt. Die Theorie geht davon aus, dass Menschen ihre inneren Objekte (d. h. Personen oder Vorstellungen, die sie im Laufe ihres Lebens internalisieren) in idealisierte und abgewertete Aspekte teilen. In der frühen Kindheit kann ein Kind seine Bezugspersonen idealisieren, um eine sichere, bewunderte und perfekt wahrgenommene Quelle von Unterstützung zu erleben. Wenn sich die Beziehung später verändert oder negative Aspekte der Person deutlicher werden, kann dies zu einem Frustrationszustand und möglicherweise auch zu einem Übergang zur Abwertung führen.

Idealisierung ist nicht nur auf Kind-Eltern-Beziehungen beschränkt, sondern kann auch in romantischen Partnerschaften auftreten. In einer Phase der Verliebtheit neigen Menschen dazu, ihren Partner zu idealisieren, indem sie dessen Fehler oder Schwächen nicht wahrnehmen oder diese als weniger bedeutend ansehen. Dieser Idealzustand kann dazu beitragen, dass sich Menschen besonders stark zueinander hingezogen fühlen und emotionale Bindungen entwickeln. Doch sobald die Beziehung in eine stabilere Phase übergeht, kann die Desillusionierung einsetzen, wenn die Realität des Partners erkannt wird, was häufig zu Enttäuschung oder Konflikten führen kann.

Idealisierung kann auch in der Gesellschaft und Kultur vorkommen, insbesondere bei der Verehrung von prominenten Persönlichkeiten oder historischen Figuren. Menschen neigen dazu, diese Figuren zu idealisieren, indem sie ihre positiven Eigenschaften hervorheben und deren Fehler oder negative Aspekte ignorieren oder relativieren. Ein klassisches Beispiel ist die Idealisierung von historischen Persönlichkeiten, bei der ihre Taten oft als herausragend und nahezu perfekt betrachtet werden, ohne die komplexen oder umstrittenen Teile ihrer Handlungen zu berücksichtigen.

Ein weiteres Beispiel für Idealisierung findet sich in der Selbstwahrnehmung. Menschen neigen manchmal dazu, sich selbst in einem übertrieben positiven Licht zu sehen, insbesondere in Bezug auf bestimmte Eigenschaften oder Fähigkeiten. Dieser Prozess kann ein Schutzmechanismus sein, um das Selbstwertgefühl zu erhalten, indem man eigene Schwächen und Fehler nicht erkennt oder minimiert. Es kann jedoch auch zu unrealistischen Erwartungen und Enttäuschungen führen, wenn die eigene Selbstwahrnehmung mit der Realität nicht übereinstimmt.

Die Idealisierung ist eng mit anderen psychologischen Konzepten verbunden, wie etwa Verleugnung, bei der negative Aspekte von etwas oder jemandem bewusst ignoriert oder heruntergespielt werden, und Projektion, bei der eigene unerwünschte Eigenschaften auf andere übertragen werden. Beide Mechanismen können in Kombination mit Idealisierung auftreten, um unangenehme Wahrnehmungen oder Gefühle zu vermeiden.

In der Therapie wird die Idealisierung oft als ein wichtiges Thema behandelt, besonders wenn sie die zwischenmenschlichen Beziehungen stört oder zu unrealistischen Erwartungen führt. Kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Therapie helfen dabei, diese Verzerrungen zu erkennen und eine realistischere und ausgewogenere Sicht auf Beziehungen und die eigene Person zu entwickeln. Das Ziel ist es, die Idealisierung zu hinterfragen und die negativen Auswirkungen zu minimieren, indem ein differenziertes und realistisches Bild geschaffen wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Idealisierung eine kognitive Verzerrung ist, die eine übermäßige Betonung positiver Eigenschaften und das Ausblenden negativer Merkmale umfasst. Sie tritt häufig in zwischenmenschlichen Beziehungen auf und kann sowohl zu positiven als auch zu negativen Folgen führen. Während sie anfangs hilfreich sein kann, um Bindungen zu schaffen oder emotionale Bedürfnisse zu erfüllen, kann die Aufrechterhaltung von Idealisierung zu Enttäuschung und Konflikten führen, wenn die Realität erkannt wird. Ein ausgewogenes Verständnis und eine realistischere Sichtweise können helfen, die negativen Auswirkungen der Idealisierung zu reduzieren.

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