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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Interferenz

In der Psychologie bezeichnet der Begriff Interferenz den Prozess, bei dem Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind, sich gegenseitig beeinflussen und das Abrufen oder das Behalten von Informationen erschweren. Interferenz tritt auf, wenn neue oder alte Informationen mit bereits gespeicherten Inhalten in Konflikt geraten und dadurch das Gedächtnis beeinträchtigen. Dieser Begriff ist besonders relevant in der Gedächtnisforschung und bezieht sich auf die Schwierigkeiten, die beim Erinnern oder Lernen aufgrund von Überschneidungen oder Konkurrenz zwischen verschiedenen Gedächtnisinhalten entstehen.

Es gibt zwei Hauptarten der Interferenz im Gedächtnis: proaktive Interferenz und retroaktive Interferenz.

Proaktive Interferenz tritt auf, wenn alte Informationen das Lernen oder Abrufen neuer Informationen behindern. Ein klassisches Beispiel ist, wenn eine Person Schwierigkeiten hat, sich an eine neue Telefonnummer zu erinnern, weil sie noch immer die alte Nummer im Gedächtnis hat. Hier interferiert das bereits Gelernte (die alte Telefonnummer) mit der Fähigkeit, die neuen Informationen zu speichern oder abzurufen.

Retroaktive Interferenz bezieht sich auf den umgekehrten Fall, bei dem neue Informationen das Abrufen oder Behalten älterer Informationen erschweren. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn jemand Schwierigkeiten hat, sich an den Namen einer Person zu erinnern, die er vor einiger Zeit getroffen hat, weil er kürzlich neue Personen kennengelernt hat und sich deren Namen besser einprägen konnte. In diesem Fall interferiert das neu Gelernte (die neuen Namen) mit der Erinnerung an ältere Inhalte.

Interferenz kann nicht nur in Bezug auf Wort- oder Zahlenspeicherung auftreten, sondern auch auf das Lernen von Fähigkeiten oder motorischen Aufgaben. Zum Beispiel kann das Üben einer neuen Sportart oder Fertigkeit manchmal dazu führen, dass alte Bewegungsmuster das Erlernen neuer Techniken beeinträchtigen. In diesem Fall könnte die proaktive Interferenz eine Rolle spielen, da frühere Bewegungsabläufe mit den neuen interferieren.

Ein weiteres Beispiel für Interferenz ist das Lernen in einem überladenen Kontext, bei dem zu viele Informationen gleichzeitig aufgenommen werden müssen. Wenn zu viele Informationen gleichzeitig verarbeitet werden, ist es schwieriger, sie korrekt abzuspeichern, und es kommt zu einer interferierenden Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung. Dies ist besonders in Prüfungssituationen oder beim multitasking relevant, wo das Gedächtnis durch zu viele gleichzeitig bearbeitete Informationen überfordert werden kann.

Interferenz hat Auswirkungen auf verschiedene Gedächtnisprozesse, wie zum Beispiel auf das Kurzzeitgedächtnis (das für die Speicherung von Informationen auf kurze Zeiträume zuständig ist) und das Langzeitgedächtnis (das für die langfristige Speicherung von Informationen verantwortlich ist). Interferenz erklärt, warum Menschen in der Regel Schwierigkeiten haben, sich an Informationen zu erinnern, die sie in kurzer Zeit hintereinander lernen, besonders wenn diese Informationen sehr ähnlich sind.

Die theoretischen Modelle der Gedächtnisinterferenz gehen davon aus, dass das menschliche Gedächtnis nicht wie eine perfekte, unveränderliche Speicherbank funktioniert, sondern dass verschiedene Gedächtnisinhalte miteinander konkurrieren und durch ähnliche oder widersprüchliche Informationen beeinträchtigt werden. Das sogenannte Interferenzmodell des Gedächtnisses, das von John A. McGeoch formuliert wurde, betont, dass sowohl proaktive als auch retroaktive Interferenzen die Gedächtnisleistung beeinflussen können, je nachdem, wie ähnliche oder unterschiedliche die Lerninhalte sind.

In der Lernpsychologie spielt Interferenz eine große Rolle bei der Gestaltung von Lernstrategien. So wird oft empfohlen, Lerninhalte, die stark miteinander verwandt sind, in unterschiedlichen Zeitabständen oder mit klaren Trennungen zu üben, um Interferenz zu minimieren. Ein Beispiel hierfür ist das Prinzip der Spaced Repetition (Verteiltes Lernen), das darauf abzielt, das Lernen von Informationen über längere Zeiträume hinweg zu verteilen, um die Wahrscheinlichkeit von Interferenzen zu verringern und so das langfristige Behalten zu fördern.

Interferenz kann auch durch Stress oder emotionale Belastung verstärkt werden, da negative Emotionen und Stress die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung und zum Abrufen von Gedächtnisinhalten beeinträchtigen können. In solchen Fällen können sowohl die proaktive als auch die retroaktive Interferenz die kognitive Leistung verringern, indem sie das Abrufen von Gedächtnisinhalten und die Konzentration auf wichtige Informationen erschweren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Interferenz in der Psychologie als ein wichtiger Prozess im Gedächtnisverständnis betrachtet wird, der erklärt, warum das Lernen und Erinnern von Informationen durch die Wechselwirkung zwischen neuen und bereits gespeicherten Informationen erschwert werden kann. Sowohl proaktive als auch retroaktive Interferenzen beeinflussen das Abrufen von Gedächtnisinhalten und das Lernen, wobei Interferenzstrategien in der kognitiven und Lernpsychologie dazu beitragen können, diese Probleme zu verstehen und zu minimieren.

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