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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Lernen
Lernen ist ein grundlegender psychologischer Prozess, der die Fähigkeit beschreibt, Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen durch Erfahrungen oder Übung zu erwerben und dauerhaft zu verändern. In der Psychologie wird Lernen als relativ überdauernde Veränderung des Verhaltenspotenzials definiert, die auf Erfahrung basiert und nicht ausschließlich durch biologische Reifung oder vorübergehende Zustände wie Müdigkeit beeinflusst wird. Das Thema Lernen umfasst eine Vielzahl von Theorien, Methoden und Ansätzen, die darauf abzielen zu erklären, wie Lebewesen, insbesondere Menschen, Informationen aufnehmen, verarbeiten, speichern und anwenden.
Ein zentraler Ansatz zur Erklärung des Lernprozesses ist die klassische Konditionierung, die ursprünglich vom russischen Physiologen Iwan Pawlow untersucht wurde. Bei der klassischen Konditionierung lernen Lebewesen, zwei Reize miteinander zu assoziieren, sodass ein ursprünglich neutraler Reiz eine Reaktion auslösen kann, die zuvor nur durch einen spezifischen Reiz hervorgerufen wurde. Ein bekanntes Beispiel ist Pawlows Experiment mit Hunden: Durch das wiederholte Koppeln eines Glockentons (neutraler Reiz) mit Futter (unkonditionierter Reiz) lernen die Hunde, bereits auf den Glockenton mit Speichelfluss zu reagieren, obwohl kein Futter präsentiert wird. Diese Form des Lernens spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Veränderung von Verhaltensweisen und wird in der Verhaltenstherapie zur Behandlung von Phobien und anderen Störungen eingesetzt.
Ein weiterer zentraler Lernansatz ist die operante Konditionierung, die maßgeblich durch den amerikanischen Psychologen B. F. Skinner geprägt wurde. Bei der operanten Konditionierung wird Verhalten durch die Konsequenzen beeinflusst, die darauf folgen. Verhalten, das positive Konsequenzen zur Folge hat, wird verstärkt und tritt in Zukunft häufiger auf, während Verhalten, das negative Konsequenzen hat, vermieden wird. Skinner führte hierzu Experimente mit Tieren durch, bei denen das Verhalten von Ratten und Tauben durch Belohnungen oder Bestrafungen beeinflusst wurde. Die Prinzipien der operanten Konditionierung werden nicht nur in der Psychologie, sondern auch in der Pädagogik und im Management angewendet, um gewünschte Verhaltensweisen zu fördern und unerwünschte zu verringern.
Neben der klassischen und operanten Konditionierung spielt das Lernen am Modell, auch Beobachtungslernen genannt, eine bedeutende Rolle. Der amerikanische Psychologe Albert Bandura zeigte in seinen Studien, dass Menschen durch die Beobachtung anderer lernen können, ohne direkt selbst die Konsequenzen eines Verhaltens zu erfahren. In seinem bekannten "Bobo-Doll-Experiment" beobachteten Kinder einen Erwachsenen, der aggressives Verhalten gegenüber einer Puppe zeigte. Später ahmten viele Kinder dieses Verhalten nach. Das Modelllernen ist besonders in sozialen Kontexten von Bedeutung, da Menschen häufig durch Nachahmung von Vorbildern, wie Eltern, Lehrern oder Medienfiguren, Verhaltensweisen und Normen übernehmen.
In der kognitiven Psychologie wird Lernen als aktiver, informationsverarbeitender Prozess betrachtet, bei dem das Gehirn sensorische Informationen verarbeitet, organisiert und im Gedächtnis speichert. Der Mensch lernt dabei nicht nur durch Reize und Konsequenzen, sondern auch durch Einsicht und Problemlösen. Die kognitive Lerntheorie hebt die Bedeutung interner Prozesse wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken hervor. Ein Beispiel hierfür ist die Theorie des entdeckenden Lernens, die von Jerome Bruner entwickelt wurde und betont, dass Lernen durch selbstständiges Erforschen und Verstehen besonders effektiv ist, da es die intrinsische Motivation und die langfristige Behaltensleistung fördert.
Das Lernen ist ebenfalls eng mit der neuronalen Plastizität verbunden, der Fähigkeit des Gehirns, sich an neue Informationen und Erfahrungen anzupassen. Durch wiederholte Lernprozesse können sich synaptische Verbindungen im Gehirn verstärken oder neu bilden, was langfristige Gedächtnisbildung und die Entwicklung von Fertigkeiten ermöglicht. Diese plastischen Veränderungen sind besonders intensiv in der Kindheit, treten aber auch im Erwachsenenalter auf und bilden die Grundlage für Rehabilitation und lebenslanges Lernen. Die Erforschung der neuronalen Mechanismen des Lernens hat bedeutende Fortschritte in der Medizin und der pädagogischen Psychologie hervorgebracht, insbesondere im Verständnis von Lernstörungen und der Entwicklung individueller Lernstrategien.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lernen ein vielschichtiger und komplexer Prozess ist, der von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird und in unterschiedlichen Kontexten stattfindet. Ob durch direkte Konditionierung, Beobachtung oder kognitive Einsicht – Lernen bildet die Grundlage für persönliche Entwicklung, Anpassungsfähigkeit und die gesellschaftliche Weitergabe von Wissen. Die Psychologie des Lernens untersucht daher nicht nur, wie und warum wir lernen, sondern auch, wie das Erlernte Verhalten und Denkweisen prägt und welche Bedingungen das Lernen fördern oder hemmen können.
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