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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Logotherapie

Die Logotherapie ist eine von Viktor Frankl in den 1930er Jahren entwickelte psychotherapeutische Methode, die darauf abzielt, den Menschen dabei zu helfen, einen tieferen Sinn in ihrem Leben zu finden. Sie wird oft als „dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet, da sie nach der Psychoanalyse von Sigmund Freud und der Individualpsychologie von Alfred Adler als eigenständiger Ansatz entstand. Im Zentrum der Logotherapie steht die Überzeugung, dass das Streben nach einem persönlichen Lebenssinn das grundlegende Motiv des menschlichen Daseins ist und dass der Verlust dieses Sinns zu inneren Konflikten, psychischen Krisen und Leiden führen kann. Die Logotherapie konzentriert sich auf die Frage nach dem Lebenssinn und auf die Unterstützung von Menschen dabei, in herausfordernden Lebenssituationen Sinn und Zielorientierung zu finden.

Ein grundlegendes Konzept der Logotherapie ist der „Wille zum Sinn“. Nach Frankl ist der Mensch bestrebt, eine Bedeutung in seinem Leben zu finden, die ihm Erfüllung und Orientierung gibt. Während Freud den „Willen zur Lust“ und Adler den „Willen zur Macht“ als zentrale Motive menschlichen Handelns beschrieben, betonte Frankl, dass das tiefere Bedürfnis des Menschen nicht allein im Streben nach Lust oder Macht besteht, sondern in der Verwirklichung von Sinn. Der Wille zum Sinn gibt dem Menschen die Kraft, selbst schwierige Situationen zu bewältigen, und bietet eine innere Motivation, die ihn über rein materielle oder körperliche Bedürfnisse hinausführt. In der Logotherapie gilt der Sinn als etwas Individuelles, das jeder Mensch selbst entdecken und verwirklichen muss, da es keine allgemeingültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn gibt.

Ein weiteres zentrales Prinzip der Logotherapie ist das Konzept der „existentiellen Vakuums“. Frankl beobachtete, dass viele Menschen an einem Gefühl der inneren Leere oder Sinnlosigkeit leiden, das er als existenzielles Vakuum bezeichnete. Dieses Vakuum entsteht oft in einer modernen Gesellschaft, die Menschen keine verbindlichen Werte oder klaren Orientierungshilfen mehr bietet. Menschen, die sich in einem existentiellen Vakuum befinden, erleben oft Langeweile, Frustration, oder fühlen sich entwurzelt und orientierungslos. Diese Leere kann zu Symptomen wie Depression, Angst oder Suchtverhalten führen, da Betroffene versuchen, das innere Vakuum mit kurzfristigen Befriedigungen zu füllen. Die Logotherapie hilft Betroffenen, diesen Zustand zu erkennen und durch die Suche nach individuellem Sinn und persönlichen Werten zu überwinden.

In der Logotherapie spielt der Begriff der „Selbsttranszendenz“ eine zentrale Rolle. Frankl beschrieb Selbsttranszendenz als die Fähigkeit des Menschen, über sich selbst hinauszugehen und in den Dienst einer größeren Sache oder eines höheren Ziels zu treten. Dieses Konzept betont, dass Sinn nicht allein in der Befriedigung persönlicher Wünsche liegt, sondern häufig in der Hingabe an etwas, das den eigenen Einfluss übersteigt, wie beispielsweise das Engagement für andere Menschen, für Kunst, Wissenschaft, soziale Gerechtigkeit oder eine spirituelle Dimension. Durch Selbsttranszendenz können Menschen ein tiefes Gefühl der Erfüllung und Zufriedenheit erlangen, das über die eigenen Bedürfnisse hinausreicht und einen dauerhaften Sinn schafft.

Ein wichtiger Bestandteil der logotherapeutischen Praxis ist die „paradoxe Intention“, eine Technik, die darauf abzielt, Menschen bei der Überwindung von Ängsten und Zwängen zu unterstützen. Bei der paradoxen Intention wird der Klient ermutigt, das Gegenteil dessen zu tun, wovor er Angst hat oder was ihn belastet. Wenn eine Person beispielsweise unter Prüfungsangst leidet, könnte sie dazu angeleitet werden, sich bewusst vorzustellen, wie sie die Prüfung nicht besteht. Die paradoxe Intention funktioniert auf der Annahme, dass die intensive Fokussierung auf das Vermeidbare oder Negative den Druck und die Angst verringert und eine entlastende Wirkung hat. Diese Technik zeigt auf, wie Humor und eine flexible Perspektive dabei helfen können, den eigenen Ängsten gelassener zu begegnen und sich von irrationalen Denkmustern zu befreien.

Ein weiteres zentrales Element der Logotherapie ist die „Dereflektion“. Dieses therapeutische Verfahren wird eingesetzt, wenn Menschen stark auf sich selbst fixiert sind, etwa auf ihre Probleme, Ängste oder körperlichen Symptome. Die Dereflektion zielt darauf ab, den Fokus der Aufmerksamkeit von diesen belastenden Themen weg und auf andere, positive und sinnstiftende Aktivitäten oder Gedanken zu lenken. Zum Beispiel könnte ein Klient, der unter starkem Selbstzweifel leidet, ermutigt werden, seine Energie auf Aktivitäten zu richten, die ihm Freude bereiten oder ihm einen persönlichen Mehrwert bieten, um so den negativen Kreislauf der Selbstbeobachtung zu durchbrechen. Die Dereflektion hilft Menschen dabei, aus ihrem Gedankenkarussell auszubrechen und ihre Perspektive zu erweitern, wodurch das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit gesteigert werden können.

Frankls Ansatz in der Logotherapie ist zutiefst von seinen Erfahrungen als Holocaust-Überlebender geprägt. Seine Überzeugung, dass Menschen selbst unter den extremsten Umständen einen Sinn im Leben finden können, beruhte auf seiner persönlichen Erfahrung und der Beobachtung, dass diejenigen, die einen tiefen Lebenssinn hatten, eher in der Lage waren, das Leiden zu überstehen. Die Logotherapie sieht das Leben als grundsätzlich sinnvoll an, selbst in schwierigen und schmerzvollen Situationen. Sie hilft Menschen, die eigenen Werte, Ressourcen und Ziele zu erkennen und zu entwickeln, um das Leben trotz aller Schwierigkeiten als sinnvoll zu erleben.

Zusammenfassend ist die Logotherapie eine existenzielle und sinnorientierte Form der Psychotherapie, die dem Menschen helfen will, die tieferen Fragen seines Lebens zu beantworten und eine sinnvolle Richtung zu finden. Sie bietet einen Ansatz, der über das rein Psychische hinausgeht und den Menschen in seiner Ganzheit betrachtet – als Wesen, das nach Sinn strebt und durch die Verwirklichung von Sinn Erfüllung und Zufriedenheit finden kann. Die Logotherapie wird heute weltweit als psychotherapeutische Methode in verschiedenen Kontexten eingesetzt, insbesondere bei Menschen, die nach einer Sinnorientierung in Krisensituationen, bei Verlust, existenzieller Angst oder Lebensumbrüchen suchen.

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