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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Massenpsychologie
Massenpsychologie befasst sich mit dem Verhalten, den Einstellungen und den mentalen Prozessen von Individuen, wenn sie Teil einer größeren Gruppe oder Masse sind. Der Begriff beschreibt ein Phänomen, bei dem Einzelpersonen in einer großen Gruppe ihre Individualität verlieren und durch das Verhalten und die Emotionen der Menge beeinflusst werden. Massenpsychologische Prozesse treten besonders in Situationen auf, die intensive Emotionen hervorrufen, wie zum Beispiel bei Massenveranstaltungen, Protesten, religiösen Zusammenkünften oder auch in Online-Communities. In diesen Kontexten zeigen Individuen oft Verhaltensweisen, die sie in isolierten Situationen nicht aufweisen würden.
Ein zentraler Aspekt der Massenpsychologie ist die „Entindividualisierung“ der Einzelpersonen in der Gruppe. Diese führt dazu, dass Personen in einer Menge ihre persönliche Verantwortung verringert wahrnehmen, wodurch sie offener für kollektives, oft impulsives oder extremes Verhalten werden. Die Anonymität innerhalb der Masse und das Gefühl der Einheit mit anderen Menschen fördern dies. Der Einzelne wird durch die Gruppe getragen und fühlt sich weniger durch soziale Normen und persönliche Werte gebunden. Dieses Phänomen wurde insbesondere von Gustave Le Bon in seinem Werk Psychologie der Massen (1895) beschrieben. Le Bon betonte, dass sich die Masse durch emotionale Ansteckung und ein quasi-automatisches, irrationales Verhalten auszeichne, das in starkem Kontrast zu den rationalen und individuellen Entscheidungen eines Einzelnen stehe.
Ein weiteres wichtiges Konzept in der Massenpsychologie ist das der „sozialen Ansteckung“. Damit ist gemeint, dass Emotionen und Verhaltensweisen in einer Gruppe „ansteckend“ wirken und sich wie ein Virus ausbreiten können. Dies erklärt, warum Gefühle wie Angst, Wut oder Euphorie schnell durch eine Masse hindurchgehen können und Einzelne mitreißen. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte „Crowd Baiting“, bei dem eine Menge angestachelt wird und auf eine bestimmte Person oder Situation aggressiv reagiert. Dies wurde besonders bei historischen Ereignissen wie Lynchjustiz oder bei Ausschreitungen beobachtet. Forscher wie Sigmund Freud erweiterten das Verständnis von Le Bon und betrachteten die Masse als eine Art „übergeordnete Persönlichkeit“, die sich aus einem unbewussten kollektiven psychologischen Prozess zusammensetzt. Freud sah dabei die Rolle des „Massenführers“ als wesentlich an, da dieser die Aufmerksamkeit und Bewunderung der Masse auf sich zieht und als Vorbild dient.
Auch moderne Forschungen haben gezeigt, dass soziale Medien ein neuer Raum für massenpsychologische Phänomene sind. Durch digitale Plattformen können sich Massen von Menschen vernetzen und beeinflussen, was zu neuen Formen der Massenkommunikation und Meinungsbildung führt. Die „virale“ Verbreitung von Emotionen und Informationen in sozialen Netzwerken kann ähnliche Effekte haben wie physische Massenversammlungen. So können sich Meinungen, Falschinformationen oder moralische Empörungen in kürzester Zeit verbreiten und Menschen kollektiv beeinflussen. Dabei entstehen oft sogenannte „Echokammern“, in denen sich Gleichgesinnte versammeln und ihre Überzeugungen gegenseitig verstärken, was wiederum die polarisierende Wirkung von Massenphänomenen verstärken kann.
Zusammengefasst zeigt die Massenpsychologie, wie sich das Verhalten und die Einstellungen von Einzelpersonen unter dem Einfluss einer größeren Gruppe verändern. Sie verdeutlicht, dass Menschen in einer Menge häufig emotionale, impulsive und gelegentlich irrationale Entscheidungen treffen, die sie als Individuen nicht getroffen hätten. Massenpsychologie bietet so wichtige Einblicke in soziale Phänomene wie kollektives Verhalten, Gruppenentscheidungen und die Dynamik von sozialen Bewegungen, die das Verständnis von sozialem Einfluss und menschlicher Interaktion in kollektiven Kontexten erweitern.
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