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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Neobehaviorismus

Der Neobehaviorismus ist eine Weiterentwicklung des klassischen Behaviorismus in der Psychologie und entstand in den 1930er Jahren. Während der klassische Behaviorismus, wie er von John B. Watson und später von B. F. Skinner vertreten wurde, das Verhalten fast ausschließlich als Ergebnis von Reizen und deren Konditionierung betrachtete, integrierte der Neobehaviorismus kognitive und motivationale Prozesse in das Verhaltensmodell. Er stellt somit eine Brücke zwischen dem radikalen Behaviorismus und der kognitiven Psychologie dar, da er anerkennt, dass innere Prozesse, sogenannte „intervenierende Variablen“, das Verhalten mit beeinflussen.

Zu den zentralen Vertretern des Neobehaviorismus zählen Clark L. Hull und Edward C. Tolman. Hull entwickelte ein mathematisch-theoretisches Modell des Lernens, in dem er annahm, dass Verhalten durch eine Kombination von Trieben (drive), Gewohnheiten und Anreizen gesteuert wird. Er betonte die Bedeutung von inneren Zuständen wie Motivation und Bedürfnis, die Verhalten in Gang setzen, und formulierte diese Prozesse in einem streng wissenschaftlichen Rahmen mit mathematischen Formeln und Hypothesen. Hulls Modell betonte, dass Lernen durch Verstärkung erfolgt, aber auch dass Bedürfnisse und innere Zustände das Verhalten einer Person beeinflussen und lenken.

Ein anderer bedeutender Neobehaviorist, Edward C. Tolman, brachte den Begriff des „zielgerichteten Verhaltens“ in die Diskussion ein. Tolman widersprach der Vorstellung, dass Verhalten nur eine einfache Reiz-Reaktions-Beziehung ist, und schlug stattdessen vor, dass Verhalten oft zielgerichtet und planvoll ist. In seinen Experimenten mit Ratten zeigte er, dass diese in einem Labyrinth nicht nur durch Versuch-und-Irrtum lernten, sondern mentale „kognitive Landkarten“ bildeten, die ihnen halfen, das Labyrinth effizient zu durchlaufen. Tolman führte das Konzept der „intervenierenden Variablen“ ein, um innere, nicht direkt beobachtbare Prozesse zu beschreiben, die das Verhalten beeinflussen. Damit bereitete er den Boden für die spätere Entwicklung der kognitiven Psychologie.

Der Neobehaviorismus legt somit besonderen Wert auf eine wissenschaftliche, experimentelle Untersuchung des Verhaltens, erkennt jedoch die Bedeutung von inneren Zuständen und kognitiven Prozessen an, die in das Verständnis von Verhalten einfließen. Diese inneren Prozesse sind allerdings immer noch nur indirekt zugänglich und werden im neobehavioristischen Modell nur dann berücksichtigt, wenn sie durch beobachtbares Verhalten und experimentelle Bedingungen erklärt werden können. Der wissenschaftliche Anspruch des Neobehaviorismus blieb hoch: er strebte nach objektiven, messbaren Daten und versuchte, Verhalten in klar definierte, überprüfbare Modelle zu fassen.

Zusammengefasst ist der Neobehaviorismus eine bedeutende Weiterentwicklung des klassischen Behaviorismus, die die Rolle innerer, psychischer Prozesse wie Motivation, Erwartung und Zielorientierung anerkennt, ohne die wissenschaftliche Strenge zu vernachlässigen. Er vereinte behavioristische Prinzipien mit einer offenen Haltung gegenüber kognitiven Einflüssen und bereitete so den Weg für die Entstehung der modernen Kognitionspsychologie. Der Neobehaviorismus trug wesentlich dazu bei, das Verständnis von Lernen und Verhalten zu vertiefen, indem er die Bedeutung von inneren Prozessen in die wissenschaftliche Betrachtung einbezog, während er gleichzeitig auf empirische Methoden und eine strenge wissenschaftliche Herangehensweise beharrte.

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