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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Neurose

Der Begriff Neurose stammt aus der Psychologie und Psychiatrie und bezeichnet eine Gruppe von psychischen Störungen, die durch langanhaltende und tief verwurzelte emotionale und kognitive Schwierigkeiten gekennzeichnet sind, jedoch ohne eine organische Grundlage. Typische Merkmale einer Neurose sind Ängste, Zwänge, Phobien, Depressionen und psychosomatische Beschwerden, die das Alltagsleben und das Wohlbefinden der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können, ohne dass dabei der Kontakt zur Realität völlig verloren geht – ein wesentlicher Unterschied zu psychotischen Störungen. Im Gegensatz zu Psychosen, bei denen Realitätsverlust und gravierende Persönlichkeitsveränderungen auftreten können, bleibt das Realitätsbewusstsein bei neurotischen Störungen grundsätzlich intakt, und die Betroffenen sind sich ihrer Probleme häufig bewusst.

Historisch gesehen wurde der Begriff Neurose erstmals im 18. Jahrhundert von dem schottischen Arzt William Cullen eingeführt und bezog sich ursprünglich auf nervliche Erkrankungen ohne erkennbaren körperlichen Grund. Sigmund Freud und andere Pioniere der Psychoanalyse wie Carl Gustav Jung und Alfred Adler prägten später das Verständnis von Neurosen, indem sie sie als Ausdruck innerpsychischer Konflikte verstanden. Freud definierte Neurosen als Folge ungelöster unbewusster Konflikte, die aus verdrängten Wünschen und Bedürfnissen stammen, die häufig in der Kindheit wurzeln. Nach Freud äußern sich diese Konflikte in Form von neurotischen Symptomen wie Ängsten, Phobien, Zwangshandlungen und psychosomatischen Beschwerden. Freud führte den Begriff weiter aus und unterschied verschiedene Typen von Neurosen, darunter die Angstneurose, die Zwangsneurose und die hysterische Neurose.

Eine der zentralen Charakteristika von Neurosen sind **Angstsymptome**. Angst spielt in fast allen neurotischen Störungen eine entscheidende Rolle und kann sich in verschiedenen Formen äußern, von generalisierten Ängsten und Panikattacken bis hin zu spezifischen Phobien. Bei der Zwangsneurose (heute als Zwangsstörung bekannt) manifestiert sich die Angst beispielsweise in Form von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die die Betroffenen zur kurzfristigen Erleichterung der Anspannung wiederholt durchführen. In anderen Fällen, wie bei der Konversionsneurose (heute unter dissoziativen Störungen subsumiert), kann die Angst unbewusst in körperliche Symptome umgewandelt werden, wie etwa Lähmungen, Blindheit oder Taubheit, für die es keine organische Erklärung gibt.

In der modernen Psychologie und Psychiatrie wird der Begriff der Neurose seltener verwendet, da er durch spezifischere und besser definierte diagnostische Kategorien ersetzt wurde. In den gängigen Klassifikationssystemen für psychische Störungen wie dem DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) und der ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten) ist der Begriff „Neurose“ kaum mehr zu finden. Stattdessen wird die Symptomatik durch spezifische Begriffe wie „Angststörungen“, „Zwangsstörungen“ und „dissoziative Störungen“ abgedeckt, die genauere diagnostische Kriterien bieten und eine gezieltere Behandlung ermöglichen.

Die psychodynamische und psychoanalytische Theorie sieht jedoch weiterhin die **innere Konflikthaftigkeit** als zentrales Merkmal neurotischer Störungen. Diese Konflikte betreffen oft den Gegensatz zwischen unbewussten Wünschen oder Trieben und den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen, die das Individuum verinnerlicht hat. Die psychoanalytische Therapie, die auf Freuds Theorien basiert, zielt darauf ab, die unbewussten Konflikte bewusst zu machen und durch therapeutische Einsicht zu einer Symptomlinderung beizutragen. Die kognitive Verhaltenstherapie hingegen, die bei vielen neurotischen Störungen wirksam ist, konzentriert sich darauf, die Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu ändern, die die Symptome aufrechterhalten.

Insgesamt beschreibt die Neurose ein breites Spektrum an Störungen, die sich in Form von Ängsten, Zwängen, Phobien und psychosomatischen Symptomen äußern und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Sie stellt keinen Realitätsverlust dar, sondern vielmehr eine übersteigerte und oft dysfunktionale Art, mit inneren Konflikten und äußeren Anforderungen umzugehen. Durch die Entwicklung der modernen Psychologie und Psychiatrie haben sich die Diagnosen und Behandlungsansätze jedoch verfeinert, wodurch der Begriff „Neurose“ in seiner klassischen Form weitgehend durch differenziertere Diagnosen ersetzt wurde, die präziser auf die individuellen Symptome und die Therapie der Betroffenen eingehen. Dennoch bleibt das Konzept der Neurose ein bedeutender historischer und theoretischer Ansatz, der das Verständnis psychischer Störungen und deren Behandlung maßgeblich beeinflusst hat.

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