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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Normen
Normen sind allgemein akzeptierte Verhaltensstandards, Erwartungen und Regeln, die innerhalb einer Gesellschaft oder Gruppe bestehen und die das Verhalten und die Einstellungen der Mitglieder steuern. Sie sind ein zentrales Konzept in der Sozialpsychologie und Soziologie und tragen wesentlich zur Aufrechterhaltung sozialer Ordnung und zur Förderung des Zusammenlebens bei. Normen können explizit, wie in Form von Gesetzen oder Verhaltensregeln, oder implizit, also unausgesprochen und informell, existieren. Sie prägen die Art und Weise, wie Menschen in sozialen Interaktionen agieren, und beeinflussen ihre Wahrnehmung, ihre Handlungen und ihr Selbstbild.
Normen lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen, abhängig davon, wie verbindlich oder wie stark sie das Verhalten steuern. Eine gängige Einteilung umfasst deskriptive Normen, injunktive Normen und persönliche Normen:
Deskriptive Normen: Diese Normen beziehen sich darauf, was Menschen in einer bestimmten Situation tatsächlich tun, also das Verhalten, das in einer Gruppe als üblich oder typisch gilt. Deskriptive Normen vermitteln oft subtile Hinweise auf das richtige Verhalten, indem sie das beobachtete Verhalten anderer als Vorbild darstellen. Zum Beispiel zeigen Studien, dass Menschen dazu neigen, sich an den Müllentsorgungsgewohnheiten ihrer Umgebung zu orientieren, also eher ihren Müll wegwerfen, wenn sie sehen, dass andere dies tun.
Injunktive Normen: Injunktive Normen beziehen sich auf das, was in einer Gesellschaft oder Gruppe als moralisch akzeptabel gilt, und sind eng mit Werten und ethischen Vorstellungen verbunden. Sie sagen aus, welches Verhalten von der Gruppe gutgeheißen oder abgelehnt wird. Diese Normen sind also stark wertbehaftet und dienen oft als Leitfaden für die eigene Handlungsorientierung. Zum Beispiel ist es in den meisten Kulturen eine injunktive Norm, anderen Menschen in Not zu helfen, und Menschen erleben oft Schuldgefühle oder soziale Missbilligung, wenn sie gegen diese Norm verstoßen.
Persönliche Normen: Diese Normen sind individuelle moralische Überzeugungen, die darüber hinausgehen, was gesellschaftlich oder kulturell erwartet wird. Sie beruhen auf persönlichen Werten und Überzeugungen und reflektieren, was ein Individuum für sich als richtig oder falsch empfindet, unabhängig davon, was die Gesellschaft erwartet. Persönliche Normen spielen eine wichtige Rolle bei der Selbststeuerung und der persönlichen Integrität und können in Konflikt mit gesellschaftlichen Normen geraten. Ein Beispiel wäre, dass eine Person Vegetarier ist und das Töten von Tieren ablehnt, auch wenn der Fleischkonsum gesellschaftlich akzeptiert ist.
Normen sind besonders wirksam, weil sie durch verschiedene Mechanismen auf das Verhalten einwirken. Ein bedeutender Mechanismus ist der soziale Druck, der in Form von Sanktionen (Strafen, Missbilligung, Ablehnung) oder Belohnungen (Anerkennung, Lob, Akzeptanz) zum Ausdruck kommen kann. Menschen streben oft danach, von anderen akzeptiert und respektiert zu werden, weshalb sie sich an die Normen ihrer Gruppe oder Gesellschaft anpassen. Ein weiterer Mechanismus ist die interne Normverinnerlichung, bei der Normen so stark verinnerlicht werden, dass Menschen ohne äußeren Druck das Verhalten ausführen, weil sie es als richtig empfinden.
Normen spielen auch eine wichtige Rolle in der Gruppenzugehörigkeit und Identitätsbildung. Durch die Einhaltung und Vermittlung gemeinsamer Normen können Gruppen eine kollektive Identität entwickeln, die das Gefühl von Zusammengehörigkeit und sozialem Zusammenhalt stärkt. Normen sorgen dafür, dass innerhalb der Gruppe bestimmte Verhaltensmuster als „normal“ wahrgenommen und andere als „abweichend“ betrachtet werden. Diejenigen, die von den Normen abweichen, riskieren, von der Gruppe ausgeschlossen oder kritisiert zu werden, was als Normabweichung bezeichnet wird. Normabweichendes Verhalten kann jedoch auch zur Bildung neuer Normen führen, insbesondere wenn sich ein solches Verhalten als sozial akzeptabel oder vorteilhaft herausstellt und von mehreren Mitgliedern übernommen wird.
In der Forschung wird oft untersucht, wie Normen entstehen, wie sie aufrechterhalten und verändert werden und welchen Einfluss sie auf das individuelle und kollektive Verhalten haben. Besonders relevant sind Normen in der Untersuchung von sozialen Rollen und Erwartungen, die mit bestimmten Positionen innerhalb einer Gesellschaft verbunden sind, wie etwa Geschlechterrollen oder berufliche Rollen. Die Sozialpsychologie untersucht zudem, wie Normen durch soziale Einflüsse entstehen und wie sie durch Konformitätsdruck aufrechterhalten werden. Experimente wie die von Solomon Asch zum Konformitätsverhalten zeigen, dass Menschen häufig dazu neigen, ihre Meinung an die der Gruppe anzupassen, selbst wenn diese der eigenen Überzeugung widerspricht.
Insgesamt bieten Normen eine wichtige Grundlage für das soziale Zusammenleben und die Integration von Individuen in gesellschaftliche Strukturen. Sie helfen, Stabilität und Vorhersehbarkeit im menschlichen Verhalten zu schaffen und ermöglichen das Funktionieren komplexer sozialer Systeme. Gleichzeitig können Normen auch problematisch sein, wenn sie individuelle Freiheit einschränken oder diskriminierende Strukturen aufrechterhalten. In solchen Fällen sind soziale Bewegungen oft darauf ausgerichtet, veraltete oder ungerechte Normen infrage zu stellen und neue, inklusivere Standards zu etablieren.
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