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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Prägung

Prägung ist ein Begriff aus der Entwicklungspsychologie und Verhaltensbiologie, der einen speziellen Lernprozess beschreibt, bei dem sich ein junges Tier oder ein Mensch während einer sensiblen Entwicklungsphase dauerhaft und meist irreversibel auf ein bestimmtes Objekt, Wesen oder Verhalten festlegt. Im klassischen Sinne bezeichnet die Prägung die Bindung eines Jungtiers an das erste bewegte Objekt, das es nach der Geburt oder dem Schlüpfen sieht – oft die Mutter oder eine Mutterfigur. Der Begriff wurde vor allem durch die Forschungen des Verhaltensforschers Konrad Lorenz bekannt, der die Prägung bei Graugänsen untersuchte.

Lorenz stellte fest, dass junge Gänse, die nach dem Schlüpfen ihn als erstes sahen und ihm folgten, eine dauerhafte Bindung zu ihm entwickelten. Diese Bindung zeigte sich darin, dass die Gänse Lorenz als „Mutterfigur“ betrachteten und ihm instinktiv folgten. Dies galt auch, wenn Lorenz von den Gänsen räumlich getrennt war und sie später anderen Gänsen begegneten. Die Gänse hatten sich auf ihn geprägt, und diese Prägung konnte nicht mehr umgekehrt oder auf ein anderes Objekt übertragen werden.

Prägung ist in der Regel an eine sogenannte sensible Phase gebunden, einen Zeitraum früher Entwicklung, in dem ein Lebewesen besonders empfänglich für bestimmte äußere Einflüsse ist. Diese Phase ist oft kurz und auf bestimmte Verhaltensweisen beschränkt. Außerhalb dieser Phase fällt es schwer oder ist es unmöglich, eine Prägung herbeizuführen. In der Natur hat die Prägung eine wichtige Überlebensfunktion: Indem Jungtiere lernen, wem sie folgen sollen, können sie Schutz und Nahrung sicherstellen, was ihre Überlebenschancen erhöht.

Der Begriff der Prägung wurde im Laufe der Zeit auch auf den Menschen übertragen, insbesondere in Bezug auf emotionale Bindungen und soziale Beziehungen. Ein bekanntes Beispiel ist die Bindungstheorie des Psychologen John Bowlby, die beschreibt, wie Babys eine enge emotionale Bindung an ihre primäre Bezugsperson – meist die Mutter – entwickeln. Ähnlich wie bei der Prägung bei Tieren durchlaufen auch Menschen eine sensible Phase, in der Bindungen aufgebaut werden. Eine sichere und stabile Bindung in dieser frühen Phase ist entscheidend für die psychische und soziale Entwicklung des Kindes und beeinflusst sein zukünftiges Beziehungsverhalten sowie seine emotionale Stabilität.

Ein weiteres Beispiel menschlicher Prägung findet sich in der Sprachentwicklung. Kinder sind in den ersten Lebensjahren besonders empfänglich für den Spracherwerb, und diese Phase gilt als kritisch für das Erlernen der Muttersprache. Wenn Kinder in dieser Zeit keine sprachliche Anregung erfahren, fällt es ihnen später schwer oder wird unmöglich, eine Sprache vollständig zu erlernen, was als Beleg für eine sensible Phase des Spracherwerbs gilt.

Prägung ist jedoch nicht mit klassischem Lernen gleichzusetzen. Während Lernprozesse meist wiederholtes Üben und Erfahrungen benötigen und reversibel sein können, geschieht Prägung häufig nur einmal und bleibt ein Leben lang bestehen. Zudem ist sie stark von Instinkten und biologischen Mechanismen beeinflusst, die in bestimmten Situationen das Verhalten automatisch auslösen.

Zusammengefasst beschreibt Prägung einen einzigartigen Lernprozess, der in einer kurzen, empfindlichen Phase auftritt und eine dauerhafte Bindung oder Verhaltensweise erzeugt. Sie ist entscheidend für das Verständnis von Bindungsverhalten, Sozialisation und der frühen Entwicklung, sowohl bei Tieren als auch beim Menschen. Erkenntnisse über Prägung unterstreichen die Bedeutung von frühen Erfahrungen und Bindungen und deren Einfluss auf das Verhalten und die psychische Gesundheit über das gesamte Leben hinweg.

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