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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Quasi-Experiment
Ein Quasi-Experiment ist eine Forschungsmethode in der Psychologie, die Elemente eines klassischen Experiments verwendet, jedoch ohne die vollständige Kontrolle über alle experimentellen Variablen. Im Gegensatz zu einem echten Experiment, bei dem die Forscher die Bedingungen und Variablen strikt kontrollieren und zufällige Zuordnung von Teilnehmern zu verschiedenen Gruppen vornehmen, erlaubt das Quasi-Experiment keine zufällige Zuweisung der Teilnehmer zu den Bedingungen oder Gruppen. Das bedeutet, dass in einem Quasi-Experiment die unabhängige Variable (diejenige, die manipuliert wird) nicht zufällig zugeordnet wird, sondern oft bereits vorgegebene Gruppen oder natürliche Variablen genutzt werden.
Quasi-Experimente werden häufig in realen, natürlichen Umfeldern durchgeführt, in denen eine vollständige Kontrolle über die experimentellen Bedingungen nicht möglich oder ethisch unvertretbar ist. Typische Beispiele sind Untersuchungen im Bildungsbereich, in der klinischen Psychologie oder in der Sozialforschung, in denen Forscher mit bestehenden Gruppen von Menschen arbeiten (z. B. Schüler, Patienten oder bestimmte soziale Gruppen), die nicht zufällig zugewiesen werden können.
Es gibt verschiedene Arten von Quasi-Experimenten, die sich in der Methodik und den Bedingungen unterscheiden. Zu den häufigsten gehören:
Unterschiedliche Gruppen-Designs: Bei dieser Art von Quasi-Experiment werden verschiedene Gruppen von Teilnehmern verglichen, die sich bereits in einer bestimmten Eigenschaft unterscheiden, wie etwa Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand oder Bildungshintergrund. Die Forscher manipulieren dann die unabhängige Variable in einer der Gruppen, ohne dass die Teilnehmer zufällig zugewiesen werden. Ein Beispiel könnte die Untersuchung von Schülern aus verschiedenen Schulen sein, bei denen eine Schule ein spezielles Lernprogramm implementiert hat und die andere nicht. Die Forscher untersuchen dann den Unterschied in den Lernergebnissen zwischen den beiden Gruppen.
Vorher-Nachher-Designs (auch als „prä-post“ bekannt): Hierbei handelt es sich um eine Art von Quasi-Experiment, bei dem eine Gruppe vor und nach einer Intervention oder Veränderung untersucht wird. Dabei wird nicht mit einer Kontrollgruppe gearbeitet. Ein Beispiel könnte eine Untersuchung zum Einfluss eines Trainingsprogramms auf die Fitness von Teilnehmern sein, bei der die Messungen der körperlichen Fitness vor und nach dem Programm durchgeführt werden. In diesem Fall gibt es keine zufällige Zuweisung zu einer Kontrollgruppe, sodass es schwierig sein kann, alternative Erklärungen für Veränderungen auszuschließen.
Nicht-Äquivalente Gruppen-Designs: In dieser Art von Quasi-Experiment gibt es zwei oder mehr Gruppen, die sich jedoch nicht zufällig zusammensetzen. Ein Beispiel könnte eine Untersuchung zur Effektivität einer bestimmten Therapieform für Patienten mit Angststörungen sein, bei der eine Gruppe eine Therapie erhält und eine andere Gruppe keine Behandlung erhält, aber die Teilnehmer der beiden Gruppen nicht zufällig ausgewählt wurden.
Obwohl Quasi-Experimente im Vergleich zu echten Experimenten eine geringere interne Validität aufweisen, bieten sie dennoch wertvolle Erkenntnisse, insbesondere in Situationen, in denen ein vollständiges Experiment ethisch nicht durchführbar ist oder wenn es unpraktisch wäre, zufällige Zuordnungen vorzunehmen. Sie ermöglichen es, kausale Zusammenhänge zu untersuchen, auch wenn die Forscher keine vollständige Kontrolle über alle Variablen haben.
Ein wichtiger Nachteil von Quasi-Experimenten ist, dass sie anfälliger für Störfaktoren sind, die die Ergebnisse beeinflussen können. Da die Teilnehmer nicht zufällig zugewiesen werden, können bereits bestehende Unterschiede zwischen den Gruppen die Ergebnisse verfälschen. Dies macht es schwieriger, klare Kausalzusammenhänge zu etablieren. In einem echten Experiment kann durch zufällige Zuweisung sichergestellt werden, dass die Gruppen zu Beginn der Untersuchung so ähnlich wie möglich sind, was den Einfluss von Störvariablen minimiert. In einem Quasi-Experiment können jedoch bereits Unterschiede in den Gruppen bestehen, die die Interpretation der Ergebnisse erschweren.
Um die Gültigkeit der Ergebnisse zu verbessern, verwenden Forscher in Quasi-Experimenten oft statistische Kontrolltechniken wie Regression oder Propensity-Score-Matching, um den Einfluss von Störfaktoren zu minimieren und eine genauere Schätzung der Effekte der unabhängigen Variablen zu ermöglichen. Auch die Verwendung von mehreren Messzeitpunkten oder die Einbeziehung von Kontrollgruppen, wenn möglich, kann dazu beitragen, die Ergebnisse robuster zu machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Quasi-Experimente eine wertvolle Forschungsmethode darstellen, um in natürlichen Umfeldern kausale Zusammenhänge zu untersuchen, wenn vollständige experimentelle Kontrolle nicht möglich ist. Sie bieten nützliche Erkenntnisse, insbesondere in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften, wo die Manipulation von Variablen oder die zufällige Zuweisung von Teilnehmern oft ethische oder praktische Probleme aufwerfen würde. Trotz ihrer Einschränkungen bei der Kontrolle von Störfaktoren können Quasi-Experimente helfen, wichtige Hypothesen zu testen und Einsichten in realistische Szenarien zu gewinnen.
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