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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Rationalisierung

Rationalisierung ist ein Abwehrmechanismus, der in der Psychologie eine wichtige Rolle spielt und sich auf den Prozess bezieht, bei dem Menschen unbewusst oder bewusst ihr Verhalten oder ihre Entscheidungen rechtfertigen, um unangenehme Gefühle wie Angst, Schuld oder Scham zu vermeiden. Dabei wird das eigene Verhalten oder eine Situation in eine vermeintlich logische oder akzeptable Erklärung umgewandelt, obwohl die eigentlichen Gründe möglicherweise emotional oder unbewusst sind. Rationalisierung hilft, kognitive Dissonanz zu reduzieren, also den inneren Konflikt, der entsteht, wenn das Verhalten einer Person nicht mit ihren Überzeugungen oder Werten übereinstimmt.

Dieser Abwehrmechanismus wurde ursprünglich von Sigmund Freud im Rahmen seiner Psychoanalyse formuliert. Er betrachtete Rationalisierung als eine Art psychologische Entschuldigung oder Rechtfertigung, die dem Individuum ermöglicht, unangenehme oder unangemessene Verhaltensweisen und Gedanken zu erklären, um das Selbstbild zu schützen und negative Emotionen zu vermeiden. In vielen Fällen dient die Rationalisierung dazu, die Verantwortung für eine problematische Handlung oder Entscheidung abzuwälzen oder abzuschwächen, indem sie durch plausible, aber oft verzerrte Erklärungen ersetzt wird.

Ein typisches Beispiel für Rationalisierung könnte eine Person sein, die einen Job kündigt, obwohl sie die Arbeit nicht mehr mag. Statt zuzugeben, dass sie die Arbeit nicht erfüllt hat oder dass sie mit ihrem Umfeld unzufrieden war, könnte sie rationalisieren, indem sie sagt: „Ich habe diesen Job verlassen, weil er keine langfristigen Perspektiven mehr bot“ oder „Es war eine tolle Gelegenheit, mich neu zu orientieren“. Diese Erklärung rechtfertigt die Entscheidung, vermeidet jedoch, die eigentlichen, vielleicht weniger rationalisierten, emotionalen Gründe (wie Unzufriedenheit oder Frustration) zu konfrontieren.

Rationalisierung kommt in vielen verschiedenen Lebensbereichen vor, sowohl in alltäglichen Entscheidungen als auch in größeren, lebensverändernden Handlungen. Zum Beispiel könnte jemand, der sich entscheidet, ungesund zu essen, dies rationalisieren, indem er sagt: „Ich habe mir das verdient, weil ich die ganze Woche über hart gearbeitet habe“, obwohl die eigentlichen Gründe für das ungesunde Verhalten möglicherweise in emotionaler Erleichterung oder Stressbewältigung liegen. Auch das Verhalten in sozialen oder zwischenmenschlichen Konflikten wird oft durch Rationalisierungen erklärt, etwa wenn jemand eine unfaire Behandlung durch andere rechtfertigt, anstatt die eigene Rolle in der Konfliktsituation anzuerkennen.

Rationalisierung ist ein Mechanismus, der kurzfristig dazu beiträgt, das psychische Wohlbefinden zu stabilisieren, indem er unangenehme Gefühle oder kognitive Dissonanz vermeidet. Auf lange Sicht kann diese Form der Selbsttäuschung jedoch dazu führen, dass die Person nicht in der Lage ist, sich mit den wahren Gründen für ihr Verhalten auseinanderzusetzen oder zu lernen, wie sie problematische Muster in ihrem Leben ändern kann. Dadurch wird es schwieriger, die eigentlichen Ursachen von Konflikten, innerer Unzufriedenheit oder Fehlverhalten zu erkennen und anzugehen.

Die Rationalisierung ist eng mit anderen Abwehrmechanismen wie Verleugnung oder Projektivierung verbunden, bei denen ebenfalls unangenehme Gefühle oder Wahrheiten auf andere Weise verdrängt oder verzerrt werden. Ein Unterschied besteht darin, dass Rationalisierung in der Regel eine intellektualisierte und logisch klingende Rechtfertigung liefert, die das Gefühl der inneren Kohärenz aufrechterhält, während bei anderen Mechanismen wie der Verleugnung die unangenehmen Gefühle oder Wahrheiten überhaupt nicht anerkannt werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass Rationalisierung nicht immer negativ oder schädlich ist. In bestimmten Kontexten kann sie ein vorübergehendes Mittel zur Bewältigung von Stress oder unangenehmen Situationen darstellen und einem Individuum helfen, mit schwierigen Emotionen umzugehen. Sie kann sogar ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer tiefergehenden Selbstreflexion oder Veränderung sein, wenn die Person schließlich die wahren Beweggründe für ihr Verhalten erkennt. Allerdings kann eine langfristige oder übermäßige Nutzung von Rationalisierungen dazu führen, dass sich eine Person von der Realität entfernt oder eine verzerrte Sicht auf ihre eigenen Bedürfnisse und Motivationen entwickelt, was die persönliche Entwicklung oder die Verbesserung von Beziehungen behindern kann.

In der psychotherapeutischen Praxis wird Rationalisierung häufig als ein Thema angesprochen, wenn es darum geht, die zugrunde liegenden emotionalen Probleme eines Klienten zu identifizieren und zu bearbeiten. Ein Therapeut könnte einem Klienten helfen, seine rationalisierten Erklärungen zu hinterfragen, um eine tiefere Auseinandersetzung mit den wahren Gefühlen und Bedürfnissen zu ermöglichen. Dabei geht es darum, die Selbsttäuschung zu verringern und ein authentischeres Verständnis von sich selbst und seinen Handlungen zu entwickeln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rationalisierung ein weit verbreiteter psychologischer Mechanismus ist, der eine wichtige Funktion im Umgang mit inneren Konflikten und unangenehmen Gefühlen hat, indem er das Verhalten in eine vermeintlich logische und akzeptable Erklärung kleidet. Während dies kurzfristig zur Reduzierung von Angst oder kognitiver Dissonanz beitragen kann, hindert eine übermäßige oder langanhaltende Verwendung von Rationalisierungen die individuelle Auseinandersetzung mit den eigentlichen Gefühlen und Ursachen von Problemen, was die persönliche Entwicklung erschweren kann.

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