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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Reaktanz

Reaktanz bezeichnet in der Psychologie eine spezifische Reaktion, die auftritt, wenn eine Person das Gefühl hat, dass ihre Freiheit oder Autonomie in irgendeiner Weise bedroht oder eingeschränkt wird. Dieser Begriff wurde ursprünglich von dem Sozialpsychologen Jack Brehm 1966 im Rahmen seiner Theorie der Reaktanz entwickelt. Brehm beschrieb Reaktanz als ein Motivationssystem, das ausgelöst wird, wenn eine Person wahrnimmt, dass sie in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird, und als eine natürliche Reaktion auf wahrgenommene Freiheitseinschränkungen, die ein starkes Bedürfnis nach Wiederherstellung dieser Freiheit erzeugt.

Reaktanz tritt oft in Situationen auf, in denen eine Person das Gefühl hat, dass ihr Verhalten durch äußere Faktoren oder Vorschriften gesteuert wird, oder wenn sie von anderen zu einer bestimmten Handlung gedrängt oder manipuliert wird. Das typische Ergebnis einer Reaktanzreaktion ist ein verstärkter Widerstand gegen die Person oder die Institution, die die Einschränkung auferlegt hat, sowie das verstärkte Bedürfnis, die verlorene Freiheit wiederzuerlangen. In vielen Fällen kann Reaktanz sogar zu genau dem Verhalten führen, das ursprünglich verhindert werden sollte, ein Phänomen, das als „Reaktanzverhalten“ bezeichnet wird.

Ein klassisches Beispiel für Reaktanz findet sich in der Werbung oder in sozialen Beeinflussungsprozessen. Wenn beispielsweise ein Werbespot eine Person zu einem Produktkauf drängt, kann dieser Zwangsversuch dazu führen, dass die betroffene Person das Produkt ablehnt, selbst wenn sie es zuvor als wünschenswert angesehen hat. Auch in zwischenmenschlichen Beziehungen tritt Reaktanz auf, wenn eine Person das Gefühl hat, dass sie in ihrer Handlungsfreiheit durch die Wünsche oder Forderungen anderer eingeschränkt wird. Ein typisches Beispiel wäre, wenn jemand von einem Freund oder Partner dazu gedrängt wird, eine bestimmte Entscheidung zu treffen oder eine Handlung zu vollziehen, obwohl die Person selbst eine andere Präferenz hat.

Die Theorie der Reaktanz betont, dass Menschen grundsätzlich bestrebt sind, ihre Autonomie und Entscheidungsfreiheit zu bewahren. Diese Freiheit wird als grundlegendes psychologisches Bedürfnis verstanden, und wenn dieses Bedürfnis bedroht wird, erzeugt dies eine negative emotionale Reaktion, die die betroffene Person zu Verhaltensweisen motiviert, die darauf abzielen, die Freiheit wiederzuerlangen. Reaktanz ist damit eng mit dem Konzept der Selbstbestimmung verbunden und kann als ein widerstandsfähiger Mechanismus verstanden werden, der darauf abzielt, die persönliche Integrität zu schützen.

Reaktanz kann in verschiedenen Kontexten eine Rolle spielen. In der Erziehung beispielsweise kann zu viel Kontrolle oder strikte Anleitung von Lehrern und Eltern zu einer Reaktanzreaktion führen, was sich negativ auf die Lernmotivation und das Verhalten von Schülern auswirken kann. Ähnlich kann in der Werbung das Gefühl, „gezwungen“ zu werden, ein Produkt zu kaufen, zu einer negativen Reaktion führen, die das Vertrauen und die Bereitschaft zum Kauf beeinträchtigt.

Es gibt auch Forschungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass Reaktanzreaktionen in bestimmten Situationen auch positive Auswirkungen haben können. Zum Beispiel können Menschen, die in einer Situation eine Reaktanz zeigen, dazu motiviert werden, mehr Kontrolle zu übernehmen und sich für eine höhere Selbstbestimmung einzusetzen. Auf der anderen Seite kann zu viel Reaktanz auch zu negativen Verhaltensweisen führen, wie etwa einem übermäßigen Widerstand gegen Autoritäten oder einer erhöhten Ablehnung von normativen oder sozialen Regeln.

Ein besonders interessanter Aspekt der Reaktanztheorie ist die Tatsache, dass nicht nur der Grad der Freiheitseinschränkung, sondern auch die Wahrnehmung der Bedrohung für diese Freiheit entscheidend ist. Menschen reagieren auf unterschiedlichste Weisen auf diese wahrgenommenen Einschränkungen, abhängig von ihrer individuellen Wahrnehmung und den damit verbundenen Gefühlen. Faktoren wie die Persönlichkeit des Individuums, frühere Erfahrungen und der Kontext der Situation spielen eine Rolle dabei, wie intensiv die Reaktanz ausfällt und welche Verhaltensweisen sie hervorruft.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Reaktanz eine fundamentale Reaktion auf wahrgenommene Einschränkungen der persönlichen Freiheit ist, die sowohl in individuellen als auch in sozialen Kontexten eine zentrale Rolle spielt. Sie stellt ein Schutzmechanismus dar, der darauf abzielt, die Autonomie zu bewahren, und kann zu einem verstärkten Widerstand oder einer Ablehnung gegenüber denjenigen führen, die als Bedrohung für diese Freiheit wahrgenommen werden. Das Verständnis von Reaktanz ist nicht nur für die Psychologie von Bedeutung, sondern auch für viele Bereiche der sozialen Einflussnahme, wie etwa in der Erziehung, der Werbung und der sozialen Kommunikation.

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