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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Rolle

In der Psychologie bezieht sich der Begriff „Rolle“ auf ein sozial erwartetes Verhalten, das einer Person aufgrund ihrer Position innerhalb eines sozialen Systems oder einer sozialen Gruppe zugewiesen wird. Rollen sind normierte und häufig wiederkehrende Verhaltensweisen, die in bestimmten Kontexten von Individuen erwartet werden und durch gesellschaftliche Normen, Werte und Erwartungen geprägt sind. Sie sind eine zentrale Komponente der Sozialisation und bestimmen maßgeblich, wie Menschen in verschiedenen sozialen Situationen agieren und interagieren.

Die Rollentheorie, die von verschiedenen Sozialpsychologen wie George Herbert Mead und Erving Goffman entwickelt wurde, beschreibt, wie Menschen ihre Rollen internalisieren und wie sie in ihrem sozialen Umfeld auftreten, um den Erwartungen dieser Rollen gerecht zu werden. Rollen können dabei sowohl bewusst als auch unbewusst übernommen werden, und sie beeinflussen nicht nur das Verhalten der Individuen, sondern auch die Interaktionen innerhalb von Gruppen und Gesellschaften.

Eine Rolle umfasst in der Regel ein Set von Erwartungen und Verhaltensnormen, die von der Gesellschaft oder der Gruppe festgelegt werden. Diese Erwartungen können sich auf verschiedene Bereiche des Lebens beziehen, wie etwa die berufliche Rolle, die familiäre Rolle oder die Rolle innerhalb einer Freundesgruppe. Zum Beispiel wird von einem Lehrer erwartet, dass er Wissen vermittelt und Autorität in der Klasse ausübt, während von einem Schüler erwartet wird, dass er lernt und respektvoll gegenüber dem Lehrer ist. Die Übernahme einer Rolle geht also oft mit spezifischen Pflichten, Aufgaben und Verhaltensnormen einher, die durch soziale Interaktionen verstärkt oder angepasst werden.

Rollen sind nicht statisch, sondern können sich im Laufe der Zeit und je nach Situation verändern. Ein Individuum kann mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen, etwa als Elternteil, Arbeiter, Partner oder Freund. Dies kann zu sogenannten Rollenkonflikten führen, wenn die Anforderungen der verschiedenen Rollen nicht miteinander vereinbar sind oder wenn eine Person Schwierigkeiten hat, den Erwartungen der verschiedenen sozialen Gruppen gerecht zu werden. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund beruflicher Verpflichtungen Schwierigkeiten hat, genug Zeit für die Familie zu finden, was zu Stress oder Unzufriedenheit führen kann.

Die Rollenkonflikte können auch auftreten, wenn es zu einer Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Rolle und den tatsächlichen Erwartungen kommt. Ein klassisches Beispiel ist der sogenannte „Selbst-Rollen-Konflikt“, der auftritt, wenn eine Person sich in einer Rolle gefangen fühlt, die sie nicht als ihre wahre Identität empfindet. Dies kann etwa bei einem Beruf der Fall sein, der nicht den eigenen Interessen entspricht oder bei einer familiären Rolle, die als einschränkend erlebt wird.

Ein weiteres Konzept im Zusammenhang mit Rollen ist das der „Rollenübernahme“, das besonders von George Herbert Mead hervorgehoben wurde. Dieses Konzept besagt, dass Individuen in der sozialen Interaktion lernen, sich in die Perspektiven anderer hineinzuversetzen und deren Erwartungen zu verstehen, was eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung von sozialen Rollen ist. Dies ist besonders wichtig, um in sozialen Interaktionen angemessen reagieren und sich an die sozialen Normen anpassen zu können.

Darüber hinaus können Rollen auch auf Gruppenebene untersucht werden. Die Gruppendynamik spielt eine wichtige Rolle dabei, wie sich Rollen in sozialen Gruppen entwickeln und wie sie das Verhalten einzelner Gruppenmitglieder beeinflussen. In vielen Fällen entstehen in Gruppen spezifische Rollenmuster, wie etwa die des Anführers, des Mitläufers oder des Außenseiters, die das Verhalten und die Interaktionen innerhalb der Gruppe bestimmen. Diese Rollenzuweisungen können bewusst oder unbewusst geschehen und sind oft entscheidend für das reibungslose Funktionieren oder das Entstehen von Konflikten in Gruppen.

In der Psychotherapie, insbesondere in der Systemischen Therapie, wird das Konzept der Rolle ebenfalls genutzt, um Verhaltensmuster zu analysieren und zu verändern. In diesem Kontext wird häufig untersucht, wie familiäre oder soziale Rollen das Verhalten eines Individuums prägen und welche Veränderungen erforderlich sind, um gesündere Beziehungen oder ein besseres Selbstverständnis zu entwickeln. Eine Person, die in der Familie die Rolle des „Helfers“ oder „Retters“ übernommen hat, könnte lernen, diese Rolle kritisch zu hinterfragen, um gesündere Grenzen zu setzen und eine ausgewogenere Beziehung zu entwickeln.

Rollen sind auch in der sozialen Identitätsentwicklung von zentraler Bedeutung. Besonders in der Jugendzeit sind die Prozesse der Identitätsfindung eng mit der Übernahme von sozialen Rollen verbunden. Jugendliche probieren unterschiedliche Rollen aus, um ihre Persönlichkeit und ihre sozialen Identitäten zu entwickeln. Dieser Prozess der Rollenerkundung und -übernahme kann sowohl befreiend als auch konfliktbeladen sein, insbesondere wenn es zu Spannungen zwischen verschiedenen sozialen Erwartungen kommt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rollen in der Psychologie eine fundamentale Bedeutung für das soziale Verhalten und die soziale Interaktion haben. Sie strukturieren das Verhalten der Individuen und helfen dabei, soziale Ordnung zu schaffen, indem sie Erwartungen an das Verhalten in bestimmten Kontexten definieren. Gleichzeitig können sie jedoch auch zu Herausforderungen führen, insbesondere wenn es zu Rollenkonflikten oder zu einer starken Identifikation mit einer Rolle kommt, die das persönliche Wohlbefinden oder die Authentizität beeinträchtigt. Das Verständnis von Rollen und ihrer Dynamik ist somit nicht nur in der Sozialpsychologie, sondern auch in der klinischen Praxis und der sozialen Interaktion von zentraler Bedeutung.

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