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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Sprachentwicklung

Die Sprachentwicklung beschreibt den Prozess, in dem Menschen die Fähigkeit erlangen, Sprache zu verstehen und zu sprechen. Sie ist ein zentraler Aspekt der kindlichen Entwicklung und umfasst das Erlernen von Lauten, Wörtern, Grammatik und der sozial-kulturellen Bedeutung von Sprache. Der Prozess beginnt bereits im Säuglingsalter und ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von biologischen, kognitiven und sozialen Faktoren. Sprachentwicklung ist nicht nur ein rein kognitiver Vorgang, sondern wird stark von der Interaktion mit der Umwelt und der sozialen Umgebung beeinflusst.

Die Sprachentwicklung verläuft in mehreren Stufen, die von einfachen Lautäußerungen bis hin zur komplexen Satzbildung und zum differenzierten Sprachgebrauch führen. Bereits im ersten Lebensjahr entwickeln Kinder grundlegende kommunikative Fähigkeiten. Zunächst produzieren sie Laute und vokalisieren in Form von Schreien und Lachen. Diese Phase wird als prälinguistische Phase bezeichnet, da sie noch keine Worte, sondern nur Laute umfasst. Etwa ab dem sechsten Lebensmonat beginnen Babys zu lallen, das heißt, sie produzieren Silbenfolgen wie "bababa" oder "dadada". Diese frühen Lautkombinationen sind ein wichtiger Schritt im Lernprozess, weil sie den Säuglingen ermöglichen, ihre Sprachwerkzeuge wie Lippen, Zunge und Gaumen zu kontrollieren.

Im zweiten Lebensjahr tritt das Kind in die Phase des Wortschatzaufbaus ein. Die ersten Wörter, die Kinder lernen, sind oft Begriffe, die sie in ihrem Alltag häufig hören und mit wichtigen Menschen oder Gegenständen verbinden, wie "Mama" oder "Papa". Dieser anfängliche Wortschatzaufbau beschleunigt sich im Alter von etwa 18 bis 24 Monaten erheblich, was oft als Wortschatzexplosion bezeichnet wird. Während dieser Zeit erweitern Kinder ihren Wortschatz um mehrere neue Begriffe pro Tag. Dies deutet darauf hin, dass sie beginnen, abstrakte Konzepte zu verstehen und Sprache als Mittel zur Benennung und Strukturierung ihrer Umwelt zu nutzen.

Im Alter von etwa zwei bis drei Jahren lernen Kinder, einfache Sätze zu bilden und grammatikalische Strukturen zu verwenden. Sie beginnen, Wörter zu kombinieren und einfache Satzmuster zu erzeugen, etwa "Ich essen Apfel" oder "Mama gehen". Diese Phase wird auch als Telegrammstil bezeichnet, da die Sätze oft verkürzt und auf wesentliche Informationen beschränkt sind. In den folgenden Jahren erweitern Kinder ihre grammatikalischen Fähigkeiten und beginnen, komplexere Sätze zu bilden, Fragen zu stellen und Vergangenheitsformen zu nutzen. Die Phase der vollständigen grammatikalischen Entwicklung, in der Kinder die Struktur ihrer Muttersprache beherrschen und zunehmend fehlerfrei sprechen, wird etwa im Alter von fünf bis sieben Jahren erreicht.

Neben den kognitiven und biologischen Voraussetzungen spielen soziale Interaktionen eine entscheidende Rolle in der Sprachentwicklung. Eltern, Betreuer und andere Bezugspersonen tragen durch gezielte sprachliche Anregungen zur Förderung der Sprache bei, indem sie beispielsweise mit Kindern sprechen, Geschichten erzählen oder ihnen Bücher vorlesen. Solche Interaktionen helfen Kindern, den Zusammenhang zwischen Sprache und Bedeutung zu verstehen und ihre sprachlichen Fähigkeiten aktiv zu erweitern. Die kindgerichtete Sprache, also eine besondere Sprechweise von Erwachsenen gegenüber Kindern, bei der in hoher Stimme und langsamer Geschwindigkeit gesprochen wird, unterstützt das Sprachverständnis zusätzlich und regt das Kind zur aktiven Teilnahme am Gespräch an.

Die Theorien zur Sprachentwicklung sind vielfältig. Die linguistische Theorie von Noam Chomsky geht davon aus, dass die Fähigkeit zur Sprachverarbeitung biologisch angelegt ist und Menschen mit einem angeborenen „Sprachorgan“ oder Sprachmodul ausgestattet sind, das die Grundlagen aller Sprachen umfasst. Nach Chomsky besitzen alle Menschen eine universelle Grammatik, die es ihnen erlaubt, jede Sprache zu lernen. Demgegenüber betont die soziale Lerntheorie von Lev Vygotsky die Bedeutung der sozialen Interaktion für die Sprachentwicklung. Er sah Sprache als ein Werkzeug, das im sozialen Kontext erlernt und durch Kommunikation gefördert wird.

Insgesamt ist die Sprachentwicklung ein komplexer, multidimensionaler Prozess, der von biologischen Anlagen und Umweltfaktoren beeinflusst wird. Sie ist ein entscheidender Bestandteil der kognitiven und sozialen Entwicklung und bildet die Grundlage für den Austausch von Gedanken, Gefühlen und Wissen. Ein gesundes Sprachverständnis und eine solide Sprachproduktion sind essentiell für den späteren Erfolg in Schule und Beruf und beeinflussen das gesamte Leben eines Menschen. Störungen in der Sprachentwicklung können daher tiefgreifende Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwicklung haben und werden in der Sprachtherapie und Logopädie gezielt behandelt, um Kindern die bestmögliche Unterstützung zu bieten.

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