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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Stigma
Stigma bezeichnet in der Psychologie und Sozialwissenschaften die gesellschaftliche Abwertung oder Ausgrenzung von Individuen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale, Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die als negativ oder unnormgerecht betrachtet werden. Der Begriff geht auf das griechische Wort stigma zurück, was so viel wie "Brandzeichen" oder "Makierung" bedeutet, und bezieht sich auf die Praxis, Menschen aufgrund von vermeintlichen Mängeln oder abweichendem Verhalten öffentlich zu kennzeichnen. In der modernen Psychologie umfasst das Konzept des Stigmas sowohl die individuellen als auch die sozialen Prozesse, die zu dieser Ausgrenzung führen.
Ein zentrales Merkmal von Stigma ist, dass es in der Regel mit einer Wahrnehmung von Unzulänglichkeit oder Abweichung von der Norm verbunden ist. Diese Normen können kulturelle, soziale oder moralische Standards sein, die in einer bestimmten Gesellschaft oder Gruppe herrschen. So kann jemand aufgrund von körperlichen Merkmalen, einer bestimmten Krankheit, psychischen Störungen, sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit oder sozialer Herkunft stigmatisiert werden. Das Stigma führt oft zu Vorurteilen und Diskriminierung, die die betroffenen Personen oder Gruppen benachteiligen und ihre soziale Teilhabe einschränken.
Die sozialen Auswirkungen von Stigmatisierung sind tiefgreifend. Betroffene erleben häufig eine Verzerrung ihrer Identität und ein vermindertes Selbstwertgefühl, was zu einer verstärkten sozialen Isolation führen kann. Stigmatisierung kann auch die psychische Gesundheit beeinträchtigen, indem sie zu Angstzuständen, Depressionen und weiteren psychischen Belastungen führt. Das Gefühl, von der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden, kann das Vertrauen in soziale Institutionen und das Gefühl der Zugehörigkeit erheblich verringern.
Es gibt verschiedene Formen von Stigma, die sich in ihrer Intensität und den betroffenen Bereichen unterscheiden können. Die bekannteste Form ist das sogenannte "öffentliche Stigma", bei dem die Gesellschaft eine Person aufgrund bestimmter Merkmale ablehnt oder ausgrenzt. Es gibt jedoch auch "selbst-stigmatisierende" Prozesse, bei denen eine betroffene Person die negativen Bewertungen und Vorurteile der Gesellschaft internalisiert und dadurch selbst ein negatives Bild von sich entwickelt. In einem solchen Fall kann das Stigma zu einem bedeutenden Bestandteil der eigenen Identität werden, was die soziale und emotionale Anpassung erschwert. Des Weiteren existiert das "strukturelle Stigma", das sich auf institutionelle Diskriminierung bezieht, die systematisch Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen benachteiligt.
In der psychologischen Forschung wird das Konzept des Stigmas auch durch die Theorie der „Stigmatisierung und Entstigmatisierung“ erklärt, die beschreibt, wie Stigma in sozialen Interaktionen erzeugt und aufrechterhalten wird. Laut dieser Theorie entstehen Stigmata häufig in sozialen Kontexten, in denen Individuen Unterschiede und Abweichungen als Bedrohung wahrnehmen und diese durch negative Etikettierung zu kategorisieren versuchen. Umgekehrt kann Entstigmatisierung durch Bildungsprozesse, Aufklärung und positive Repräsentation erreicht werden, indem die Vorurteile in der Gesellschaft abgebaut werden.
Ein weiteres wichtiges Konzept im Zusammenhang mit Stigma ist das sogenannte "Selbstwertmodell der Stigmatisierung", das darauf hinweist, dass Menschen, die stigmatisiert werden, oft versuchen, sich selbst zu schützen, indem sie Strategien entwickeln, um ihre soziale Identität zu bewahren. Dazu gehören das Verbergen von stigmatisierten Merkmalen, die Teilnahme an Stigmatisierungsprozessen (z.B. durch die Abwertung anderer) oder das Streben nach sozialer Unterstützung und Akzeptanz in bestimmten Gruppen, die als weniger stigmatisierend angesehen werden.
Besondere Aufmerksamkeit hat das Stigma im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen gewonnen. Menschen mit psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie sind häufig von Stigmatisierung betroffen, was sowohl die Behandlungschancen als auch die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigt. Das ständige Fehlen von Akzeptanz und Unterstützung aus der Gesellschaft kann dazu führen, dass sich Menschen mit psychischen Erkrankungen zurückziehen oder sich schämen, Hilfe zu suchen. Dieses Phänomen hat in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit in der Forschung und Politik erhalten, um das Stigma zu reduzieren und die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen voranzutreiben.
Die Bekämpfung von Stigmatisierung erfordert sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Veränderungen. Auf individueller Ebene können Menschen durch Bewusstseinsbildung und Empathie für die Bedürfnisse und Erfahrungen stigmatisierter Gruppen sensibilisiert werden. Auf gesellschaftlicher Ebene ist es notwendig, diskriminierende Normen und institutionelle Barrieren zu überwinden, um ein inklusiveres und gerechteres Umfeld zu schaffen. Hierbei spielen Medien, Bildung und politische Maßnahmen eine wichtige Rolle, um das Bewusstsein für Stigmatisierung zu schärfen und langfristige Veränderungsprozesse zu unterstützen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Stigma ein komplexes sozialpsychologisches Phänomen darstellt, das tiefgreifende Auswirkungen auf die betroffenen Individuen und Gruppen hat. Es ist ein zentrales Thema in der psychologischen Forschung, weil es eng mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Identitätsbildung und der psychischen Gesundheit verbunden ist.
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