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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung

Psychologie

Verfügbarkeit

In der Psychologie bezieht sich der Begriff „Verfügbarkeit“ auf die Zugänglichkeit von Informationen, Erinnerungen oder Ressourcen in unserem mentalen System. Dabei wird insbesondere darauf abgehoben, wie leicht oder schnell etwas in unserem Gedächtnis abrufbar ist oder wie schnell wir auf bestimmte Verhaltensweisen oder Entscheidungsstrategien zugreifen können. Der Begriff hat unterschiedliche Bedeutungen je nach Kontext, wobei er sowohl in kognitiven Prozessen als auch in der sozialen Psychologie eine Rolle spielt.

Eine der bekanntesten Anwendungen des Begriffs „Verfügbarkeit“ findet sich in der kognitiven Psychologie, vor allem im Zusammenhang mit der sogenannten „Verfügbarkeitsheuristik“. Diese Heuristik beschreibt eine Denkweise, bei der Menschen die Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit von Ereignissen aufgrund der Leichtigkeit, mit der sie entsprechende Beispiele oder Informationen aus ihrem Gedächtnis abrufen können, beurteilen. Mit anderen Worten: Wenn uns ein bestimmtes Ereignis oder eine Information besonders präsent oder einprägsam erscheint, neigen wir dazu, ihre Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit zu überschätzen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Einschätzung von Risiken: Wenn jemand in den Medien von mehreren Flugzeugabstürzen hört, kann die Verfügbarkeit dieser Ereignisse in seinem Gedächtnis dazu führen, dass er die Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes als höher einschätzt, als sie es in Wirklichkeit ist, obwohl statistisch gesehen Flugreisen sicherer sind als Autofahren.

Diese kognitive Verzerrung hat tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Entscheidungen und Urteile im Alltag. Sie beeinflusst nicht nur, wie wir Risiken bewerten, sondern auch, wie wir in sozialen Situationen urteilen. Beispielsweise kann jemand, der häufig von kriminellen Vorfällen in seiner Nachbarschaft hört, die allgemeine Kriminalitätsrate als höher einschätzen, selbst wenn objektive Daten eine andere Realität widerspiegeln. Ebenso beeinflusst die Verfügbarkeit von Informationen, wie wir uns an bestimmte Ereignisse oder Personen erinnern und diese bewerten.

Die Verfügbarkeit spielt auch eine zentrale Rolle in der Gedächtnisforschung. Die Erinnerungsfähigkeit einer Person hängt nicht nur davon ab, wie häufig oder intensiv ein Ereignis erlebt wurde, sondern auch davon, wie gut es mit anderen, leichter abrufbaren Informationen im Gedächtnis verknüpft ist. Ein Ereignis, das emotional besonders aufgeladen ist oder mit anderen wichtigen Erlebnissen assoziiert wird, ist tendenziell leichter abrufbar und damit „verfügbarer“ als weniger bedeutende Erfahrungen. In diesem Zusammenhang spielt auch die „Priming“-Effekt eine Rolle, bei dem kürzlich präsentierte Informationen oder Eindrücke die Verfügbarkeit ähnlicher Informationen im Gedächtnis beeinflussen und unsere Wahrnehmung oder Entscheidungen beeinflussen können.

In der sozialen Psychologie wird der Begriff der Verfügbarkeit auch im Zusammenhang mit sozialen Ressourcen verwendet. Hier geht es weniger um Gedächtnisinhalte als vielmehr um den Zugang zu sozialen Unterstützungsnetzwerken, Beziehungen oder sozialen Ressourcen, die für das Individuum verfügbar sind. Eine Person, die über ein breites und gut zugängliches Netzwerk an Freunden, Familie oder Kollegen verfügt, kann diese Ressourcen nutzen, um emotionale Unterstützung zu erhalten, Rat zu suchen oder Probleme zu bewältigen. In diesem Sinne bezieht sich Verfügbarkeit auf die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit dieser sozialen Netzwerke in Zeiten der Not.

Die Verfügbarkeit kann auch im Kontext der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielen, insbesondere im Bereich der Verhaltensökonomie und der sozialen Psychologie. Wenn bestimmte Optionen oder Lösungen für ein Problem leichter zugänglich sind – sei es durch vorherige Erfahrungen, durch Medienberichterstattung oder durch die Verfügbarkeit von Informationen – neigen Menschen dazu, diese Optionen eher zu wählen, auch wenn sie nicht die optimalen sind. So kann die Verfügbarkeit von kurzfristigen Belohnungen oder Lösungen die Entscheidung für eine weniger vorteilhafte, aber sofortige Option begünstigen, während langfristigere, möglicherweise schwierigere Lösungen übersehen werden.

Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung von Verfügbarkeit findet sich in der Therapie und Beratung. In diesem Zusammenhang spielt die Verfügbarkeit von Bewältigungsstrategien und gesunden Coping-Mechanismen eine zentrale Rolle. Klienten, die in der Lage sind, auf eine Vielzahl von Verhaltensweisen und Denkansätzen zurückzugreifen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, mit Stress und emotionalen Herausforderungen erfolgreich umzugehen. Daher wird in vielen therapeutischen Ansätzen darauf geachtet, dass Klienten ein breites Repertoire an verfügbaren Strategien entwickeln, um auf unterschiedliche Lebenssituationen flexibel reagieren zu können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Verfügbarkeit in der Psychologie ein weit gefasster Begriff ist, der sowohl auf die Zugänglichkeit von Informationen im Gedächtnis als auch auf den Zugang zu sozialen oder psychologischen Ressourcen hinweist. Ob im Rahmen der kognitiven Verzerrungen, der Gedächtnisforschung oder der sozialen Unterstützung, die Verfügbarkeit von Informationen und Ressourcen beeinflusst unsere Wahrnehmung, Entscheidungen und unser Verhalten auf eine fundamentale Weise. Die Fähigkeit, auf eine Vielzahl von verfügbaren Informationen oder Strategien zurückzugreifen, ist sowohl für die kognitive Verarbeitung als auch für das emotionale und soziale Wohlbefinden entscheidend.

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