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Fachbereich Psychologie
Begriffserklärung
Wirklichkeit
Der Begriff der Wirklichkeit in der Psychologie bezieht sich auf die Art und Weise, wie Menschen ihre Umwelt und die Welt um sie herum wahrnehmen, interpretieren und begreifen. Während Wirklichkeit im allgemeinen Sprachgebrauch oft als objektive, unveränderliche Realität verstanden wird, beschäftigt sich die psychologische Betrachtung insbesondere mit der subjektiven Wahrnehmung dieser Realität und den psychischen Prozessen, die dabei eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass es keine „eine“ Wirklichkeit gibt, sondern vielmehr unterschiedliche, durch individuelle Wahrnehmung, Erfahrung und kognitive Verarbeitung geprägte Versionen dieser Wirklichkeit existieren.
Ein zentrales Konzept in der Psychologie, das eng mit der Vorstellung von Wirklichkeit verbunden ist, ist die Wahrnehmung. Wahrnehmung ist der Prozess, durch den Individuen sensorische Informationen aufnehmen und diese Informationen in sinnvolle Eindrücke und Vorstellungen umwandeln. Dabei spielt die subjektive Wahrnehmung eine wesentliche Rolle: Zwei Menschen können denselben äußeren Reiz erleben, aber aufgrund unterschiedlicher kognitiver und emotionaler Prozesse sehr unterschiedliche Erfahrungen oder Interpretationen dieser Reize haben. Hieraus ergibt sich die Erkenntnis, dass die Wirklichkeit für jeden Menschen auf einzigartige Weise konstruiert wird.
Die Kognitive Psychologie hat hierzu bedeutende Erkenntnisse beigetragen, indem sie zeigte, wie unser Gehirn Informationen filtert, interpretiert und strukturiert. Diese kognitiven Prozesse sind oft von Vorerfahrungen, Erwartungen, Glaubenssystemen und persönlichen Überzeugungen beeinflusst. Ein Beispiel für die Bedeutung dieser Prozesse ist die selektive Wahrnehmung, bei der Individuen bestimmte Aspekte ihrer Umwelt stärker betonen und andere ausblenden, je nachdem, welche Bedeutung sie den Reizen beimessen. Diese subjektive Wirklichkeitskonstruktion ist nicht nur auf Wahrnehmungseffekte beschränkt, sondern beeinflusst auch die Art und Weise, wie Menschen Ereignisse und Situationen bewerten, beurteilen und in ihr Weltbild integrieren.
Im Bereich der Sozialpsychologie wird die Konstruktion von Wirklichkeit weiter untersucht, insbesondere in Bezug auf soziale und kulturelle Einflüsse. Die Wahrnehmung von Realität ist hier nicht nur ein individueller Prozess, sondern wird auch stark von sozialen Normen, Gruppenmeinungen und kollektiven Überzeugungen geprägt. So können gesellschaftliche oder kulturelle Kontexte eine Gruppe oder ein Individuum dazu führen, bestimmte Aspekte der Realität anders zu interpretieren oder bestimmte Wahrnehmungen als „normal“ oder „objektiv“ zu betrachten, während abweichende Wahrnehmungen möglicherweise als unrealistisch oder falsch angesehen werden. In einer globalisierten Welt, in der Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und sozialen Prägungen aufeinandertreffen, ist die Vielfalt der wahrgenommenen Wirklichkeiten besonders ausgeprägt.
In der Philosophie der Psychologie gibt es ebenfalls Diskussionen über die Natur der Wirklichkeit. Einige philosophische Strömungen, wie der Konstruktivismus, argumentieren, dass Wirklichkeit nicht einfach etwas ist, das objektiv existiert und nur entdeckt werden muss, sondern dass sie aktiv vom Individuum konstruiert wird. Dieser Prozess der Konstruktion ist nicht nur von Wahrnehmung und Kognition abhängig, sondern auch von sozialen Interaktionen und kulturellen Narrativen. Nach dieser Sichtweise gibt es keine „absoluten“ Wahrheiten, sondern nur unterschiedliche Perspektiven, die miteinander in Beziehung stehen.
Ein weiteres interessantes Konzept in der Psychologie ist die Psychopathologie, die untersucht, wie abweichende Wahrnehmungen von Wirklichkeit in Form von Halluzinationen oder Wahnvorstellungen auftreten können. Diese Phänomene, die häufig in psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie vorkommen, zeigen, wie tiefgreifend und störend eine veränderte Wahrnehmung der Wirklichkeit sein kann. Menschen, die an solchen Störungen leiden, erleben eine verzerrte oder komplett abweichende Wahrnehmung von der sogenannten „objektiven“ Realität, was zu Schwierigkeiten im täglichen Leben und sozialen Interaktionen führen kann.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Begriff der Wirklichkeit in der Psychologie nicht nur die objektive Außenwelt umfasst, sondern vor allem die subjektive, individuell erlebte Welt. Die Wahrnehmung und Interpretation der Realität sind komplexe Prozesse, die von vielen Faktoren beeinflusst werden – von biologischen und kognitiven Mechanismen über soziale und kulturelle Einflüsse bis hin zu persönlichen Erfahrungen und psychischen Zuständen. So wird Wirklichkeit zu einem dynamischen und mehrdimensionalen Konzept, das ständig im Fluss und in der Konstruktion durch den einzelnen Menschen und die Gesellschaft insgesamt steht.
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