Wenn du beim nächsten Streit mal wieder impulsiv sagst: „Ich kann nicht logisch denken, wenn ich so wütend bin!“, dann freut sich die Affektlogik – denn genau darum geht’s bei ihr! Aber halt, das bedeutet nicht, dass Gefühle die Feinde der Logik sind. Im Gegenteil: Laut dem Schweizer Psychiater Luc Ciompi, der den Begriff geprägt hat, sind Gefühle ein fester Bestandteil unseres Denkens – sie beeinflussen, strukturieren und steuern es sogar.
Stell dir dein Gehirn wie ein Konzert vor: Deine rationalen Gedanken sind die Musiker, präzise, analytisch, sachlich. Die Affekte? Sie sind der Dirigent. Ohne sie läuft das ganze Orchester aus dem Takt. Und wenn der Dirigent mal einen schlechten Tag hat – also wenn du z. B. übermüdet, gestresst oder verliebt bist – dann klingt plötzlich alles ganz anders. Entscheidungen, Bewertungen, Erinnerungen – alles wird durch die aktuelle Gefühlslage eingefärbt. Klingt unlogisch? Ist aber hochlogisch – zumindest aus Sicht der Affektlogik.
Emotionen bringen Prioritäten ins Denken. Ohne sie würden wir Informationen zwar sammeln, aber nie wissen, was wichtig ist. Du könntest stundenlang alle Vor- und Nachteile eines Jobs abwägen, aber wenn dein Bauchgefühl (a.k.a. limbisches System) nicht irgendwann sagt: „Der fühlt sich gut an“, bleibst du ewig in Analyse-Starre hängen. Affekte strukturieren unsere Aufmerksamkeit, helfen uns, Erfahrungen zu bewerten und blitzschnell zu reagieren – z. B. wenn dir beim Waldspaziergang ein „knackendes Geräusch“ komisch vorkommt und du instinktiv stehen bleibst, bevor du den Bären überhaupt siehst.
Die Affektlogik zeigt auch, warum kalte Rationalität oft scheitert: Sie ignoriert, dass jede Entscheidung emotional aufgeladen ist. Ja, sogar der Kauf von Klopapier basiert auf Gefühlen: Sicherheit, Gewohnheit, Vertrauen. Oder Angst – erinnert ihr euch noch an 2020?
Ciompi hat die Affektlogik ursprünglich in der Schizophrenieforschung entwickelt. Er stellte fest, dass bei psychischen Erkrankungen nicht nur Gedanken gestört sind, sondern auch ihre emotionale Einfärbung – quasi eine Fehlkalibrierung des Dirigenten. Die Affekte dirigieren also nicht nur unser Denken, sie prägen unsere Wirklichkeit.
Kurzum: Denken ohne Fühlen ist blind. Und Fühlen ohne Denken? Vielleicht wild, aber selten zielführend. Erst zusammen ergibt sich das faszinierende Puzzle des Menschseins. Die Affektlogik ist dabei unser unsichtbarer Kompass – immer mit dabei, ob wir wollen oder nicht.