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Gentrifizierung

Stadtsoziologie & Kulturwandel

Links ein Altbau mit Späti, Graffiti und Bäckerei, rechts ein modernes Haus mit Boutique, Café und E-Roller. Dazwischen ein Bauzaun mit dem Schild „Kulturquartier 2.0“. Eine Szene im Wandel.

„Früher war hier nur ’n Späti und ’ne Pommesbude – heute gibt’s veganes Sushi, Concept Stores und drei Galerien.“ Klingt wie ein hipper Stadtteil-Guide, ist aber oft ein Fall von Gentrifizierung – dem sozialen Verdrängungsprozess durch Stadtaufwertung.


Der Begriff stammt vom englischen gentry – also dem niederen Adel – und wurde in den 1960ern von der Soziologin Ruth Glass geprägt, die beobachtete, wie in Londoner Arbeiterbezirken plötzlich Wohlhabende einzogen, alteingesessene Mieter*innen verdrängt wurden – und sich das Gesicht der Viertel dramatisch veränderte.


Ein Viertel ist günstig, vielleicht ein bisschen runtergekommen, dafür charmant: Altbauten, urbane Wildnis, kreative Energie. Dann ziehen Künstlerinnen, Studierende und andere Pionierinnen hin, weil sie Raum und bezahlbare Miete suchen. Es entstehen Kulturangebote, Cafés, Coworking-Spaces – das Viertel wird hip. 


Investoren und Gutverdienende entdecken den Charme – Eigentumswohnungen, Sanierungen, Mietsteigerungen folgen. Die ursprünglichen Bewohner*innen können sich die Mieten nicht mehr leisten, müssen gehen – die soziale Struktur kippt.


Das Ergebnis: Aus einem diversen, oft subkulturellen Quartier wird ein wohlhabendes, homogenes Wohnviertel. Der Bio-Wein fließt, aber die Kiezkneipe schließt. Der Friseur von nebenan wird durch ein Start-up ersetzt. Und plötzlich diskutieren Leute, ob Latte-Art als Kulturleistung gilt.


Ist Gentrifizierung immer schlecht? Jein. Auf der einen Seite bringt sie Sanierung, bessere Infrastruktur und neue Impulse. Auf der anderen Seite stehen Verdrängung, Mietwucher und der Verlust gewachsener Nachbarschaften. Inzwischen gibt’s sogar Re-Gentrifizierung – wenn die Hipster von gestern von noch zahlungskräftigeren Zugezogenen verdrängt werden.


Gegenmaßnahmen? Möglich, wenn Städte mutig sind: Mietpreisbremsen, Sozialwohnungen, Milieuschutz, Bürgerbeteiligung – und ein Stadtbild, das nicht nur auf Rendite, sondern auch auf Identität setzt.


Fazit: Gentrifizierung ist kein Naturgesetz, sondern ein soziales Spannungsfeld. Sie zeigt, wie Stadtentwicklung über Zugehörigkeit entscheidet – und darüber, wer sich morgen noch leisten kann, was heute „kreativ“ genannt wird.

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