Stell dir vor, das menschliche Gehirn ist wie ein riesiges Konzert mit vielen Instrumenten – manche spielen laut, manche leise, manche sind manchmal komplett verstimmt. Und bei Menschen mit Inselbegabung, auch Savant-Syndrom genannt, ist es, als würde plötzlich ein einzelnes Instrument – sagen wir das Klavier – völlig ausrasten und ein Solo hinlegen, das selbst Mozart neidisch machen würde. Während der Rest des Orchesters vielleicht nicht ganz harmonisch spielt, haut dieser eine Teil virtuos in die Tasten.
Inselbegabung bezeichnet ein faszinierendes neurologisches Phänomen, bei dem Menschen – oft mit Autismus oder geistigen Einschränkungen – außergewöhnliche Fähigkeiten in einem sehr begrenzten Bereich zeigen. Das kann Mathematik sein (Zahlen aus dem Kopf potenzieren wie ein Taschenrechner), Musik (nach einmaligem Hören ein ganzes Konzertstück auf dem Klavier nachspielen), Kunst (fotorealistische Stadtpanoramen aus dem Gedächtnis zeichnen) oder sogar das exakte Erinnern von Kalenderdaten über Jahrzehnte hinweg.
Klingt nach Superkraft? Fast! Aber hier kommt der Clou: Diese "Inseln" der Hochbegabung liegen oft inmitten eines Ozeans von kognitiven Einschränkungen. Während andere Alltagsfähigkeiten wie Sprache, Sozialverhalten oder Problemlösen beeinträchtigt sind, sind bestimmte Gehirnareale so hochspezialisiert, dass sie Leistungen vollbringen, die bei neurotypischen Menschen kaum vorstellbar sind.
Ein berühmtes Beispiel ist Kim Peek, das reale Vorbild für Dustin Hoffmans Figur im Film Rain Man. Peek konnte sich über 12.000 Bücher wortwörtlich merken – Seite für Seite. Gleichzeitig hatte er Schwierigkeiten mit motorischen Aufgaben wie dem Zuknöpfen eines Hemdes.
Neurowissenschaftlich gesehen ist die Ursache noch nicht vollständig verstanden. Man vermutet aber, dass bei Inselbegabten bestimmte Hemmungen im Gehirn fehlen – und dadurch ungewöhnliche Verbindungen entstehen. Es könnte also sein, dass das, was bei anderen Menschen "heruntergeregelt" ist, bei Savants auf voller Lautstärke läuft.
Kurios: Inselbegabungen sind super selten. Man schätzt, dass etwa 1 von 10 Menschen im Autismus-Spektrum eine Form der Inselbegabung zeigt – bei der Allgemeinbevölkerung ist’s sogar noch seltener. Und: Diese Talente sind meist nicht trainierbar – sie sind einfach da. Wie ein Bonuslevel, das man plötzlich freigeschaltet hat, ohne zu wissen, wie.