Du sitzt an deinem Schreibtisch, schaust auf deine Hände – und plötzlich: „Hä? Irgendwie sieht das… falsch aus.“ Alles ist vertraut – aber fühlt sich komplett fremd an. Willkommen im faszinierenden, leicht unheimlichen Land des Jamais-vu.
Der Begriff kommt aus dem Französischen und heißt wörtlich „noch nie gesehen“. Während ein Déjà -vu der Eindruck ist, etwas schon mal erlebt zu haben, obwohl es eigentlich neu ist, ist das Jamais-vu genau das Gegenteil: Du erlebst etwas Vertrautes – aber dein Gehirn flüstert: „Kenn ich nicht.“
Typisches Beispiel: Du schreibst ein ganz normales Wort wie „Tisch“ mehrfach hintereinander auf. Irgendwann wirkt es plötzlich falsch – als wär’s ein Kauderwelsch aus einer fremden Sprache. Oder du sprichst deinen Namen so oft aus, bis du denkst: „Moment mal… heißt das wirklich so?!“ Klingt verrückt? Ist aber gar nicht so selten.
Was steckt dahinter?
Jamais-vu ist eine temporäre Entfremdung. Die Wissenschaft vermutet, dass das Gehirn bei Wiederholungen einen Art „Neuheits-Reset“ macht: Wenn ein Reiz zu oft kommt, wird er neu bewertet – plötzlich fehlt das gewohnte Gefühl von „Vertrautheit“. Das kann ganz harmlos passieren (z. B. bei Müdigkeit oder Reizüberflutung), aber auch als Symptom bei bestimmten neurologischen oder psychischen Erkrankungen auftreten – z. B. bei Epilepsie, Migräne, Dissoziationen oder in sehr seltenen Fällen bei Schizophrenie.
Im Alltag tritt Jamais-vu oft spontan und nur kurz auf – wie ein kleiner Gehirn-Glitch. Es ist harmlos, aber extrem faszinierend, weil es zeigt, wie stark unser Bewusstsein auf Gewohnheit basiert. Wenn das Gefühl von „Ich kenne das“ ausbleibt, ist alles auf einmal wackelig: Realität, Identität, Sprache, Selbstverständnis.
Spannend auch: In psychologischen Experimenten lässt sich das Phänomen künstlich auslösen, z. B. durch ständige Wortwiederholungen. Proband*innen berichten dann, das Wort fühle sich „leer“, „falsch“ oder „nicht mehr echt“ an. Als hätte man kurzzeitig das Vertrauen in die Bedeutung verloren.
Jamais-vu ist also ein kleiner Reminder daran, wie sehr unser Erleben konstruiert ist. Wir nehmen Dinge nicht einfach wahr – wir erkennen sie als bekannt, erwarten, dass sie Sinn machen. Wenn diese Gewissheit aussetzt, wird’s kurz mal richtig seltsam.
Aber keine Sorge: Meist ist das Jamais-vu nur ein flüchtiger Moment der Fremdheit – und danach wirkt die Welt umso vertrauter. Ein Mini-Mindfuck mit Aha-Effekt.