Der Begriff Lügenpresse ist wie ein verbales Molotowcocktail: kurz, laut, brennend – und vor allem polemisch. Er wird verwendet, um pauschal den Medien die Glaubwürdigkeit abzusprechen, meist mit dem Vorwurf, sie seien gesteuert, einseitig oder manipulativ. Das Wort hat eine lange, dunkle Geschichte – und seine Wiederauferstehung in der Gegenwart ist leider kein Zufall.
Schon im Ersten Weltkrieg nutzten deutsche Nationalisten den Begriff, um ausländische Kriegsberichterstattung als Propaganda abzuwerten. Besonders perfide wurde es in der Zeit des Nationalsozialismus: Die NS-Propaganda stempelte alle kritischen oder jüdischen Zeitungen als „Lügenpresse“ ab – ein Mittel zur Meinungslenkung und Delegitimierung unabhängiger Informationen.
Nach dem Krieg war der Begriff lange Zeit verbrannt – bis er im 21. Jahrhundert ein überraschendes Comeback feierte, vor allem in rechtspopulistischen und verschwörungsideologischen Kreisen. Besonders sichtbar wurde das auf Pegida-Demonstrationen, wo „Lügenpresse“ mit Sprechchören gegen öffentlich-rechtliche Sender und etablierte Tageszeitungen skandiert wurde. Und plötzlich war ein Wort wieder da, das nach Zensur, Kontrollverlust und Misstrauen riecht – nicht nur gegenüber Medien, sondern gegenüber dem ganzen „System“.
Sprachwissenschaftlich ist „Lügenpresse“ ein klassischer Kampfbegriff: Er emotionalisiert, pauschalisiert und immunisiert gegen Argumente. Wer an die Lügenpresse glaubt, muss sich mit unbequemen Fakten nicht mehr auseinandersetzen – sie sind ja angeblich ohnehin alle „gemacht“. Es ist ein Mittel der Abwehr, nicht der Diskussion.
Dabei ist Medienkritik an sich nicht das Problem. Im Gegenteil: Sie ist essentiell in einer Demokratie. Medien können Fehler machen, tendenziös berichten, Dinge ausblenden – all das muss benannt werden. Aber der Begriff „Lügenpresse“ unterscheidet nicht, sondern verurteilt pauschal. Er stellt nicht die Qualität einer bestimmten Berichterstattung infrage, sondern den ganzen Berufsstand.
Ein bisschen wie: Du hast einmal bei einem Bäcker ein hartes Brötchen bekommen – also schließt du daraus, dass alle Bäcker Teil einer knusprigen Weltverschwörung sind.
Fazit: Wer „Lügenpresse“ ruft, will nicht aufklären, sondern spalten. Der Begriff verrät oft mehr über die Weltanschauung derjenigen, die ihn benutzen, als über die Medien, die sie beschimpfen.