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Overton-Fenster

Politik & Soziologie

Quadratische Illustration eines stilisierten Fensters mit der Aufschrift „Overton-Fenster“. Innerhalb des Rahmens gut lesbare Kärtchen mit „akzeptabel“, „vernünftig“ und „Mainstream“. Außerhalb, im Nebel, verschwommen: „radikal“ und „undenkbar“.

Manche politischen Ideen sorgen für Kopfnicken, andere für hochgezogene Augenbrauen – und wieder andere sind so absurd, dass du sie lieber gar nicht erst aussprichst. Warum? Weil sie außerhalb des Overton-Fensters liegen.


Das Overton-Fenster ist kein echtes Fenster (schade eigentlich), sondern ein Konzept, das beschreibt, welche politischen Meinungen und Ideen in der Öffentlichkeit als akzeptabel gelten – und welche (noch) nicht. Es ist wie ein gedanklicher Rahmen für das, was als „sagbar“, „vertretbar“ oder „normal“ empfunden wird.

Der Begriff geht auf den US-Politikwissenschaftler Joseph P. Overton zurück, der in den 1990er-Jahren beobachtete:


Politische Ideen fallen nicht in zwei Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“, sondern eher entlang eines Spektrums – von undenkbar über radikal, akzeptabel, vernünftig, bis hin zu Mainstream und schließlich Politik.


Was heute also noch völlig undenkbar erscheint, kann morgen schon zum politischen Alltag gehören – wenn sich das Overton-Fenster verschiebt. Und genau das passiert ständig. Beispiel gefällig?


Nehmen wir das Thema gleichgeschlechtliche Ehe: Vor ein paar Jahrzehnten noch völlig außerhalb des Fensters – heute in vielen Ländern nicht nur legal, sondern gesellschaftlich akzeptiert. Oder umgekehrt: Ideen, die früher normal waren (z. B. körperliche Züchtigung in Schulen), gelten heute als absolut inakzeptabel. Das Fenster wandert mit dem Zeitgeist.


Spannend – und manchmal beängstigend – ist, wie bewusst das Overton-Fenster verschoben werden kann. Manche Akteur*innen in Politik, Medien oder Werbung bringen ganz gezielt extreme Ideen ins Spiel – nicht unbedingt, um sie sofort umzusetzen, sondern um den Rahmen des Diskurses zu verändern. Plötzlich wirken frühere „radikale“ Vorschläge auf einmal moderat.

Ein Beispiel aus der Praxis:


Wenn jemand extrem fordernd auftritt („Wir wollen XYZ komplett verbieten!“), wirkt ein etwas milder Vorschlag („Wir regulieren XYZ nur ein bisschen“) viel harmloser – und wird eher akzeptiert. Das ist kein Zufall, sondern strategisches Framing mithilfe des Overton-Fensters.


Das Overton-Fenster ist ein unsichtbares, aber mächtiges Werkzeug, das bestimmt, worüber wir überhaupt sprechen können – und wie. Es zeigt, dass politische Realität nicht nur aus Fakten besteht, sondern auch aus Wahrnehmung, Debatten und Verschiebungen in unserem kollektiven Kopf. Und genau deshalb ist es so wichtig zu verstehen, wer dieses Fenster aufstößt… und wer es schließt.

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