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Postfaktisch

Seltene Fremdwörter

Eine stilisierte Waage: Auf einer Seite liegen bunte Herzchen und Emojis, auf der anderen Seite dicke Bücher und Fakten – aber die Herzchen wiegen mehr.

Wir leben in einer Welt, in der ein Tweet mehr Gewicht haben kann als ein wissenschaftlicher Bericht, und wo „Ich hab das Gefühl“ öfter zählt als „Ich hab die Daten“. Willkommen in der postfaktischen Realität!


Der Begriff postfaktisch (englisch: post-truth) beschreibt einen Zustand, in dem Fakten an Bedeutung verlieren, während Emotionen, Meinungen und persönliche Überzeugungen den Ton angeben – besonders in Politik, Medien und öffentlichen Debatten.

Die Vorsilbe post- heißt hier nicht einfach „nach“, sondern eher „jenseits von“. Postfaktisch heißt: Fakten sind zwar noch da – aber sie spielen kaum noch eine Rolle. Was zählt, ist das, was sich wahr anfühlt. Auch wenn’s objektiv falsch ist.


Ein paar Beispiele gefällig?

  • Klimafakten? „Ich glaube nicht an den Klimawandel.“

  • Impfstatistiken? „Ich fühle, dass das ungesund ist.“

  • Wahlergebnisse? „Das kann nicht stimmen – mein Umfeld sieht das ganz anders.“


Besonders präsent wurde der Begriff ab 2016, als das Oxford Dictionary ihn zum „Wort des Jahres“ kürte – im Zuge von Brexit, Trump und Co. Die gesellschaftliche Diagnose war klar: Wir reden nicht mehr über Fakten, sondern an ihnen vorbei.


Warum funktioniert das so gut?


Weil das menschliche Gehirn emotional tickt.
Neurowissenschaftlich belegt: Wir glauben lieber das, was zu unserem Weltbild passt, als das, was nachweislich stimmt.
Stichwort: Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) – einmal auf einer Meinung eingerastet, ignorieren wir alles, was dagegen spricht.


Zudem begünstigen soziale Medien den postfaktischen Diskurs:


– Algorithmen zeigen uns das, was wir ohnehin schon glauben.
– Emotionale Inhalte verbreiten sich schneller als sachliche.
– Jeder kann senden – aber nicht jeder muss prüfen.


Ist das gefährlich?


Auf jeden Fall.


Wenn Gefühl vor Fakt kommt, wird es schwierig mit Debatten, Konsens und Demokratie. Denn ohne gemeinsame Faktenbasis wird jede Diskussion zur Parallelrealität. Und Verschwörungstheorien oder Fake News haben dann leichtes Spiel.


Postfaktisch ist das perfekte Wort für eine Zeit, in der „gefühlte Wahrheiten“ oft mehr Einfluss haben als objektive Fakten. Umso wichtiger ist es, sich bewusst zu machen: Nur weil etwas gut klingt oder sich „richtig“ anfühlt, heißt das nicht, dass es stimmt.
Also: Fakten-Check vor Bauch-Check – auch (oder gerade) im Alltag.

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