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Virtuelle Realitätssucht

Medienpsychologie & Technikfolgenforschung

Ein junger Mann sitzt blass und schlapp in einem dunklen Raum, bekleidet mit einem schlichten T-Shirt. Sein Blick ist hinter einem VR-Headset verborgen, aus dem eine farbenfrohe, fast magische Fantasiewelt leuchtet – mit Regenbogen, Wolken und leuchtenden Landschaften. Der starke Kontrast zwischen dem fahlen, vernachlässigten Realbild und der bunten VR-Projektion macht das Thema „digitale Flucht“ eindrucksvoll sichtbar.

Virtuelle Realität ist wie Magie mit Stromanschluss: Du setzt die Brille auf und bist plötzlich mitten in einer anderen Welt – lebendig, greifbar, grenzenlos. Für viele ist das faszinierend, inspirierend oder therapeutisch hilfreich. Doch für manche wird es zu viel des Guten. Wenn aus gelegentlichem Eintauchen ein ständiges Abtauchen wird, sprechen Fachleute von Virtueller Realitätssucht – einer modernen Form der Realitätsflucht.


Was sie besonders macht? Die Immersion. Anders als bei klassischen Bildschirmen, wo ein Teil des Gehirns noch mitbekommt, dass du vor einem Gerät sitzt, nimmt die virtuelle Welt dich komplett ein. Visuell, auditiv und – mit neuen Technologien – bald auch haptisch. Dein Körper ist plötzlich in dieser anderen Welt, auch wenn du rein physisch noch im Wohnzimmer stehst.


Und genau das macht VR-Sucht so heimtückisch. Die virtuelle Welt ist oft schöner, kontrollierbarer und angenehmer als die reale. Du bist dort Held, Heilerin oder Entdecker – während das echte Leben vielleicht gerade chaotisch, einsam oder überfordernd ist. Kein Wunder, dass man lieber in der digitalen Traumwelt bleibt. Das Problem: Die echte Welt geht dabei verloren. Schule, Arbeit, Freundschaften, Selbstfürsorge – alles wird zweitrangig.


Psychologisch funktioniert VR-Sucht ähnlich wie andere Verhaltenssüchte. Es geht nicht nur um die Technik, sondern um das Bedürfnis dahinter: der Wunsch, der Realität zu entkommen, Kontrolle zu spüren, Belohnung zu erleben oder einfach nicht mehr nachdenken zu müssen.


Je intensiver die Erlebnisse in VR, desto stärker kann sich dieses Verhalten einbrennen. Und mit der Entwicklung hin zum „Metaverse“ – also permanent begehbaren digitalen Parallelwelten – stellt sich die Frage immer dringlicher: Was passiert, wenn das Virtuelle attraktiver wird als das Reale?


Gleichzeitig eröffnet diese Diskussion auch eine neue Form der Medienverantwortung. Entwickler, Pädagog*innen, Eltern und Nutzer selbst müssen sich fragen: Wie viel ist zu viel? Und wie erkennen wir den Punkt, an dem aus Begeisterung ein Rückzug wird?


Virtuelle Realität ist nicht per se gefährlich. Sie ist eine der spannendsten Technologien unserer Zeit. Aber wie bei jeder mächtigen Erfindung gilt: Es kommt darauf an, wie wir sie nutzen – und wann wir sie auch mal absetzen.

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