Blogverzeichnis Bloggerei.de
top of page

Mittelalter-Realität vs. Netflix: Wo blieben die 90%?


Das Bild zeigt eine Szene aus dem bäuerlichen Mittelalter. Im Vordergrund stehen ein Mann mit Kapuzenumhang, der entschlossen einen Pflug hinter einem Pferd führt, und eine Frau mit Kopftuch und ernstem Gesichtsausdruck, die einen Holzeimer trägt. Im leicht unscharfen Hintergrund sind weitere Personen bei der Feldarbeit sowie einfache, strohgedeckte Hütten eines Dorfes zu erkennen. Der Gesamteindruck ist erdig, mühsam und realistisch.

Hey Leute, mal ehrlich: Wenn ihr an das Mittelalter denkt, was poppt da zuerst im Kopf auf? Bestimmt glänzende Rüstungen, edle Ritter, die holde Burgfräulein retten, weise Könige auf prächtigen Thronen und vielleicht noch ein paar finstere Mönche, die geheime Schriften hüten. So kennen wir es aus Filmen, Serien, ja sogar vielen Dokus. Burgen, Turniere, Intrigen am Hof – das ist der Stoff, aus dem die Mittelalter-Träume (und Albträume) sind. Aber, und das ist ein fettes, matschiges ABER: Das ist nur die halbe, ach was, die zehntel Wahrheit! Was ist mit dem Rest? Wo zur Hölle sind die Leute, die den Laden eigentlich am Laufen gehalten haben?


Das Bild zu diesem Beitrag sagt eigentlich schon alles. Wir sehen keine strahlenden Helden, sondern abgearbeitete Menschen in einfacher Kleidung auf einem Acker. Ein Mann, der mit grimmiger Miene einen Pflug hinter einem Pferd herzieht, eine Frau mit Sorgenfalten auf der Stirn, die einen Eimer schleppt. Das, liebe Freunde, war die Lebensrealität für die absolute Mehrheit der Menschen im Mittelalter – Schätzungen gehen von 80 bis 90 Prozent aus! Bauern, Handwerker, Mägde, Knechte. Das "einfache Volk". Nur komisch, dass die in unseren Hochglanz-Geschichtsstunden oft nur als graue, gesichtslose Masse im Hintergrund vorkommen, wenn überhaupt. Warum ist das so?



Ein Grund ist sicher die Quellenlage. Wer konnte im Mittelalter schon schreiben und lesen? Hauptsächlich Kleriker und Adelige. Und über wen schreiben die? Natürlich über sich selbst, ihre Kriege, ihre Politik, ihre Gottesdienste. Bauer Hans' Rückenschmerzen nach 12 Stunden Feldarbeit oder Magd Gretas Ärger über den kaputten Melkeimer waren selten eine Zeile wert. Das ist wie heute: Die Schlagzeilen gehören den CEOs und Politikern, nicht der Kassiererin oder dem Paketzusteller, obwohl deren Arbeit genauso wichtig ist. Diese "Quellen-Bias" prägt unser Bild bis heute – das Spektakuläre, das Mächtige überstrahlt das Alltägliche, das Mühsame.



Aber lasst uns mal kurz eintauchen in diesen Alltag der 90%. Vergesst die romantischen Vorstellungen vom einfachen Landleben. Es war brutal hart. Der Tag begann vor Sonnenaufgang und endete nach Sonnenuntergang. Die Arbeit auf dem Feld war Knochenarbeit, abhängig von Wetter, Saat und Ernte. Missernten bedeuteten Hunger, oft den Tod. Die Ernährung war eintönig: Brei, Brot, selten mal etwas Gemüse, Fleisch war Luxus. Krankheiten, schlechte Hygiene und mangelnde medizinische Versorgung führten zu einer niedrigen Lebenserwartung. Viele Kinder überlebten die ersten Jahre nicht. Klingt nicht gerade nach „Game of Thrones“-Glamour, oder?



Und dann war da noch die Sache mit der Freiheit. Viele dieser Menschen waren keine freien Bauern, sondern Leibeigene. Das heißt, sie gehörten quasi zum Land ihres Herrn dazu. Sie durften das Land nicht ohne Erlaubnis verlassen, mussten Abgaben leisten (oft in Form von Naturalien – also einem Teil ihrer Ernte) und Frondienste verrichten (also unbezahlte Arbeit für den Grundherrn). Heiraten? Nur mit Zustimmung des Herrn. Ein eigenes Stück Land besitzen? Für die meisten unvorstellbar. Das war ein System der Abhängigkeit und Kontrolle, das über Jahrhunderte Bestand hatte.


Natürlich bestand das "Volk" nicht nur aus Bauern. Es gab Handwerker in den langsam wachsenden Städten – Schmiede, Bäcker, Gerber, Weber –, die oft in Zünften organisiert waren. Es gab Müller, Fischer, Köhler im Wald. Es gab auch Tagelöhner, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlugen. Aber auch ihr Leben war meist von harter Arbeit, geringem Lohn und wenig sozialer Sicherheit geprägt. Der Aufstieg in höhere Schichten war extrem selten. Die Gesellschaft war stark hierarchisch gegliedert, und wer unten geboren wurde, blieb meist auch dort.



Warum ist es wichtig, sich das klarzumachen? Weil es unser Geschichtsbild gerade rückt! Wenn wir nur auf die Könige und Ritter schauen, verstehen wir nicht, wie diese Gesellschaft wirklich funktioniert hat. Wir übersehen die Basis, das Fundament, auf dem all der Prunk und die Macht der Oberschicht überhaupt erst aufgebaut waren. Die Arbeit dieser 90% hat die Burgen erst ermöglicht, die Armeen ernährt und die Kathedralen mitfinanziert. Ihre Geschichten sind vielleicht weniger glamourös, aber sie sind die Geschichten der allermeisten Menschen dieser Zeit.


Es geht nicht darum, die Geschichten von Königen und Rittern komplett zu ignorieren. Die sind ja auch Teil der Geschichte. Aber wir sollten uns bewusst sein, dass sie nur einen winzigen Ausschnitt zeigen. Es ist, als würde man die Geschichte des Internets nur anhand von Jeff Bezos und Mark Zuckerberg erzählen wollen. Wichtig, ja, aber wo bleiben die Millionen von Programmierern, Designern, Content Creators, Admins und Nutzer*innen, die das Netz erst zu dem machen, was es ist?


Wenn wir also das nächste Mal eine Mittelalter-Doku schauen oder durch ein Freilichtmuseum schlendern, sollten wir vielleicht mal innehalten. Statt nur die Burg zu bestaunen, sollten wir uns fragen: Wer hat diese Steine geschleppt? Wer hat das Essen für die Ritter gekocht? Wer hat die Kleidung gewebt, die Waffen geschmiedet, das Feld bestellt? Wenn wir anfangen, diese Fragen zu stellen, bekommen wir ein viel ehrlicheres, kompletteres – und ja, oft auch ernüchternderes – Bild vom Mittelalter. Und das ist doch viel spannender als die immer gleiche Heldengeschichte, oder?


Es ist an der Zeit, dass wir die 90% aus dem Schatten holen und ihre Lebensrealitäten anerkennen. Nicht, weil es uns Mitleid einjagen soll, sondern weil es uns hilft, Geschichte als das zu verstehen, was sie war: das Ergebnis des Zusammenspiels aller Gesellschaftsschichten, nicht nur der schillernden Spitze. Und weil die Geschichten von harter Arbeit, Gemeinschaft, Abhängigkeit und dem Kampf ums tägliche Überleben vielleicht mehr mit unserem heutigen Leben zu tun haben, als wir manchmal denken. Schaut genau hin – auch hinter die Kulissen der Geschichte!

Yorumlar

5 üzerinden 0 yıldız
Henüz hiç puanlama yok

Puanlama ekleyin
bottom of page
TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste