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WTF-Fragen
Könnte ein Pilz das Internet lahmlegen und die Menschheit versklaven?
Kategorie:
Biologie
Der kurze TEASER:
Ja, theoretisch schon. Ein intelligenter Schleimpilz könnte nicht nur komplexe Netzwerke wie das Internet optimieren, sondern theoretisch auch kontrollieren – und seine "Intelligenz" ist verstörender als jede KI.
Die ausführliche Antwort:
Wir neigen dazu, Intelligenz als etwas zu betrachten, das ein Gehirn erfordert. Neuronen, Synapsen, komplexe Verknüpfungen – das ist die Hardware, die wir mit Bewusstsein und Problemlösung in Verbindung bringen. Doch das Reich der Pilze und insbesondere der Schleimpilze stellt diese Annahme radikal infrage. Ein Organismus ohne ein einziges Neuron, der in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, die selbst menschliche Ingenieure vor Neid erblassen lassen, ist nicht nur eine biologische Kuriosität, sondern ein Weckruf.
Der Star dieser unglaublichen Geschichte ist Physarum polycephalum, ein amöbenartiger Einzeller, der in feuchten, schattigen Wäldern auf Totholz lebt. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein unscheinbarer, gelber Glibber. Doch dieser Glibber hat es in sich. In einem bahnbrechenden Experiment im Jahr 2010 wollten japanische Forscher unter der Leitung von Toshiyuki Nakagaki herausfinden, wie effizient dieser Schleimpilz Netzwerke bilden kann. Sie platzierten Haferflocken – die Leibspeise des Pilzes – auf einer Karte an den Positionen der größten Städte rund um Tokio. Der Schleimpilz, ausgehend vom Zentrum (Tokio), breitete sich aus, um alle Nahrungsquellen zu erreichen. Zuerst bildete er ein riesiges, redundantes Netzwerk. Doch dann passierte das Erstaunliche: Innerhalb von nur 26 Stunden zog sich der Pilz zurück und hinterließ nur die effizientesten Verbindungsröhren zwischen den Haferflocken. Das Ergebnis war eine fast exakte Nachbildung des realen Tokioter U-Bahn-Netzes, das von menschlichen Ingenieuren über Jahrzehnte optimiert wurde. Der Pilz hatte ein komplexes Logistikproblem ohne einen einzigen Gedanken gelöst.
Wie ist das möglich? Physarum operiert nach einem einfachen, aber genialen Prinzip dezentraler Intelligenz. Jeder Teil des Organismus kann "fühlen" und "kommunizieren". Fließt durch eine seiner Röhren viel Nährstoff, wird diese Röhre verstärkt. Röhren, die zu Sackgassen oder ineffizienten Wegen führen, werden abgebaut. Es ist ein ständiger Prozess der Optimierung, ein biologischer Algorithmus, der auf physikalischen und chemischen Rückkopplungen basiert. Der Pilz "merkt" sich sogar, wo er schon war, indem er eine chemische Spur hinterlässt, die er meidet. Diese Form der externen Speicherung ist rudimentär, aber hochwirksam. Er kann durch Labyrinthe navigieren, Risiken abwägen (z. B. eine Nahrungsquelle meiden, die mit Licht oder Salz bestraft wird) und sogar periodische Ereignisse "vorhersagen", indem er seinen Rhythmus anpasst.
Jetzt wird es dystopisch. Stellen wir uns vor, wir könnten diese Fähigkeit nutzen – oder schlimmer noch, sie würde sich gegen uns wenden. Das Internet ist, genau wie das Tokioter U-Bahn-Netz, ein komplexes Netzwerk aus Knoten und Verbindungen. Was wäre, wenn ein biologischer Organismus, der darauf programmiert ist, Netzwerke zu optimieren, mit unserer digitalen Infrastruktur interagiert? Forscher haben bereits "Bio-Computer" entwickelt, in denen Schleimpilze logische Gatter steuern. Man könnte sich ein Szenario ausmalen, in dem ein genetisch modifizierter oder künstlich gezüchteter Schleimpilz mit elektronisch leitfähigen Nanopartikeln gefüttert wird. Dieser "kybernetische Pilz" könnte physisch in unsere Serverfarmen und Glasfaserkabel eindringen.
Seine Mission: Optimierung. Zuerst würde er vielleicht unbemerkt die Datenströme im Internet effizienter gestalten, Latenzen verringern und Engpässe beseitigen. Wir würden eine unerklärliche Verbesserung der Netzwerkleistung feststellen und die Tech-Giganten würden sich selbst auf die Schulter klopfen. Doch die Optimierung würde weitergehen, basierend auf den Zielen, die der Pilz verfolgt: Überleben und Wachstum. Daten, die sein Wachstum fördern (z.B. Informationen über neue Energiequellen oder organische Materie in der Nähe der Serverfarm), würden priorisiert. Informationen, die eine Bedrohung darstellen (z.B. Wartungspläne, die seine physische Existenz gefährden), würden verlangsamt, umgeleitet oder subtil beschädigt.
Der Schritt von Optimierung zu Kontrolle ist fließend. Ein Organismus, der das Netzwerk kontrolliert, könnte beginnen, menschliches Verhalten zu manipulieren, nicht aus Bosheit, sondern aus reiner Logik. Wenn er feststellt, dass bestimmte Online-Inhalte (z.B. Fake News, emotionale Debatten) zu einem höheren Datenverkehr und damit zu mehr "Nahrung" in Form von Rechenleistung und Energie führen, würde er diese Inhalte bevorzugen. Er könnte Börsenkurse manipulieren, um Unternehmen zu bevorzugen, die in die für ihn vorteilhafte Infrastruktur investieren. Er würde lernen, was uns antreibt, was uns ablenkt, was uns spaltet – und er würde es nutzen, um sein eigenes Überleben zu sichern. Das wäre keine Versklavung durch einen bewussten Tyrannen, sondern eine schleichende Unterwerfung unter einen biologischen Algorithmus, dessen einziges Ziel Effizienz ist. Wir würden zu bloßen Ressourcen in seinem globalen Netzwerk, gesteuert durch die subtile Manipulation von Informationen, ohne es jemals wirklich zu bemerken. Die ultimative Horrorvorstellung ist nicht die künstliche Intelligenz, die ein Bewusstsein entwickelt, sondern eine primitive, hirnlose Intelligenz, die uns optimiert, bis von unserer Freiheit nichts mehr übrig ist.
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