Lost in Translation? Wenn Übersetzungsfehler Geschichte machen (oder brechen!)
- Benjamin Metzig
- 2. Apr.
- 5 Min. Lesezeit

Hey Leute, mal ehrlich: Wer von uns hat nicht schon mal Google Translate benutzt und sich über das Ergebnis kaputtgelacht (oder ist verzweifelt)? Kleine Sprach-Stolpersteine im Alltag sind ja meistens harmlos. Aber was, wenn so ein "kleiner" Fehler nicht beim Chatten mit dem Urlaubsflirt passiert, sondern bei der Übersetzung von Texten, die die Welt verändern? Ja, ihr habt richtig gehört. Übersetzungen sind nicht nur dröges Vokabelnpauken – sie sind mächtige Werkzeuge, die den Lauf der Geschichte, den Fortschritt der Wissenschaft und sogar unsere Weltanschauung massiv beeinflusst haben. Manchmal zum Guten, manchmal... naja, eher so semi-gut. Schnallt euch an, wir tauchen ein in die faszinierende und manchmal echt krasse Welt der historischen Übersetzungen – Brille aufsetzen und los geht's, wie auf unserem Bild!
Stellt euch vor: Übersetzung ist nicht einfach nur das Austauschen von Wort A in Sprache 1 gegen Wort B in Sprache 2. Nope, das wäre ja zu einfach! Es ist eher wie der Versuch, ein komplexes Gefühl, einen Witz oder eine kulturelle Anspielung in eine völlig andere Welt zu transportieren. Jede Sprache hat ihre eigene Melodie, ihre eigenen ungeschriebenen Regeln, ihre eigenen Fettnäpfchen. Was in der einen Kultur völlig normal ist, kann woanders missverstanden werden oder gar nicht existieren. Und genau hier wird's tricky, besonders wenn wir uns alte Texte anschauen. Da kommt nicht nur die Sprachbarriere dazu, sondern auch eine riesige zeitliche und kulturelle Kluft. Die Übersetzerinnen und Übersetzer von damals (und heute!) sind quasi kulturelle Brückenbauer, aber manchmal ist die Brücke halt doch ein bisschen wackelig.
Ein Paradebeispiel, das viele Diskussionen ausgelöst hat, findet sich in der Bibel. Kennt ihr die Weihnachtsgeschichte? Klar, Jesus wurde von einer Jungfrau geboren. Aber Moment mal! Sprachwissenschaftler weisen darauf hin, dass im hebräischen Originaltext des Propheten Jesaja, auf den sich das Neue Testament bezieht, das Wort "almah" steht. Das bedeutet eher "junge Frau" oder "Mädchen im heiratsfähigen Alter", nicht zwingend "Jungfrau". Erst in der griechischen Übersetzung, der Septuaginta, wurde daraus "parthenos", was eben spezifischer "Jungfrau" heißt. War das ein bewusster theologischer Kniff oder einfach die naheliegendste Übersetzung in diesem Kontext? Fakt ist: Diese Wortwahl hat die christliche Theologie und Marienverehrung über Jahrhunderte geprägt. Ein einziges Wort – mit gewaltigen Folgen. Ziemlich krass, oder?
Aber nicht nur religiöse Texte sind betroffen. Auch in der Wissenschaft gab es "Lost in Translation"-Momente, die für ordentlich Wirbel sorgten. Ende des 19. Jahrhunderts beobachtete der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli dunkle Linien auf dem Mars und nannte sie "canali". Im Italienischen kann das einfach "Kanäle" oder "Rinnen" bedeuten, also natürliche geologische Formationen. Doch als seine Arbeiten ins Englische übersetzt wurden, wurde daraus oft "canals". Und "canals" impliziert im Englischen viel stärker künstliche Bauten. Dieser kleine, aber feine Unterschied befeuerte die Fantasie des amerikanischen Astronomen Percival Lowell und vieler anderer. Sie waren überzeugt: Auf dem Mars gibt es intelligente Wesen, die riesige Kanalsysteme zur Bewässerung bauen! Ganze Generationen von Science-Fiction-Autoren und Wissenschaftlern wurden davon inspiriert – alles wegen einer möglicherweise zu spezifischen Übersetzung. Die "Marsianer" waren also vielleicht nur ein Übersetzungs-Artefakt!
Manchmal können Übersetzungsunschärfen sogar zu politischen Katastrophen führen. Ein berühmtes Beispiel ist die Potsdamer Erklärung von 1945, in der die Alliierten Japan zur bedingungslosen Kapitulation aufforderten. Der japanische Premierminister Suzuki Kantarō antwortete auf einer Pressekonferenz mit dem Wort "mokusatsu". Dieses Wort ist teuflisch ambivalent. Es kann bedeuten "ignorieren", "mit stiller Verachtung behandeln", aber auch "kein Kommentar" im Sinne von "wir beraten noch". Die japanische Regierung meinte wohl Letzteres, aber die internationalen Nachrichtenagenturen übersetzten es als "ablehnende Kenntnisnahme" oder "Ignorieren". Die Alliierten interpretierten das als endgültige Zurückweisung – wenige Tage später fielen die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Hätte eine andere Übersetzung den Lauf der Dinge geändert? Das ist spekulativ, aber es zeigt die immense Verantwortung, die auf den Schultern von Übersetzern lastet, besonders in diplomatischen Krisen.
Es geht aber nicht immer nur um einzelne Wörter. Ganze Wissensbereiche wurden durch Übersetzungstransfer geformt – und dabei manchmal auch verformt. Denkt an das Mittelalter: Das Wissen der antiken griechischen Philosophen und Wissenschaftler war in Westeuropa größtenteils verloren gegangen. Es überlebte aber in der arabischen Welt, wo Gelehrte wie Avicenna und Averroes diese Texte nicht nur übersetzten, sondern auch kommentierten und weiterentwickelten. Als dieses Wissen dann ab dem 12. Jahrhundert über Spanien (Stichwort: Schule von Toledo) zurück nach Europa kam, geschah dies oft über den Umweg einer Übersetzung vom Arabischen ins Lateinische – manchmal basierend auf einer vorherigen Übersetzung vom Griechischen ins Arabische! Das ist wie Stille Post über Jahrhunderte und Kulturen hinweg. Natürlich ging dabei Nuance verloren, es kamen neue Interpretationen hinzu, manchmal schlichen sich auch schlicht Fehler ein. Aber ohne diese monumentale Übersetzungsleistung wäre die Renaissance in Europa kaum denkbar gewesen. Übersetzung als Motor des Fortschritts – auch das gibt es!
Manchmal führen Übersetzungen auch zu kuriosen kulturellen Missverständnissen. Als zum Beispiel westliche Unternehmen nach China expandierten, gab es legendäre Marketing-Fails. Der Slogan "Come alive with the Pepsi Generation" wurde angeblich mal mit "Pepsi holt deine Vorfahren aus dem Grab zurück" übersetzt. Und Kentucky Fried Chicken's "Finger lickin' good" soll zu "Iss deine Finger auf" geworden sein. Auch wenn manche dieser Geschichten vielleicht urban legends sind, zeigen sie doch: Sprache und Kultur sind untrennbar verbunden. Was in einem Kontext funktioniert, kann im anderen völlig daneben sein. Das gilt für Werbeslogans genauso wie für die Übersetzung von Literatur oder philosophischen Konzepten.
Die Herausforderung liegt oft darin, dass es eben keine perfekte Eins-zu-eins-Entsprechung gibt. Wie übersetzt man deutsche Gemütlichkeit, dänisches Hygge oder japanisches Wabi-Sabi? Man kann es umschreiben, erklären, aber der Kern, das Gefühl dahinter, geht leicht verloren. Übersetzer müssen also ständig abwägen: Bleibe ich möglichst nah am Originaltext (und riskiere, dass es hölzern oder unverständlich klingt) oder übertrage ich den Sinn möglichst gut in die Zielkultur (und entferne mich dabei vielleicht vom Wortlaut)? Das ist ein ständiger Balanceakt, eine kreative und intellektuelle Höchstleistung.
Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen. Künstliche Intelligenz und maschinelle Übersetzung werden immer besser. DeepL & Co. liefern oft erstaunlich gute Ergebnisse, viel besser als das holprige Google Translate von früher. Das ist super praktisch für den schnellen Überblick oder die Urlaubs-E-Mail. Aber ersetzen sie menschliche Übersetzer? Gerade bei Texten, wo es auf Nuancen, kulturellen Kontext, Stil und vielleicht sogar auf ethische oder moralische Implikationen ankommt – also bei Literatur, Philosophie, juristischen Dokumenten oder eben historischen Texten – da stoßen die Maschinen (noch?) an ihre Grenzen. Sie können (noch?) nicht die Intention des Autors erfassen, zwischen den Zeilen lesen oder kreative Lösungen für unübersetzbare Wortspiele finden.
Was lernen wir daraus? Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sie formt unser Denken, unsere Kultur, unsere Geschichte. Und die Übersetzung ist der entscheidende, oft unterschätzte Mittler zwischen den Sprachwelten. Jeder übersetzte Text ist eine Interpretation, eine Annäherung, manchmal genial, manchmal fehlerhaft, aber immer mit dem Potenzial, unsere Sicht auf die Welt zu verändern. Wenn wir also das nächste Mal einen historischen Bericht lesen, einen fremdsprachigen Roman genießen oder uns über eine internationale Nachricht informieren, lohnt es sich vielleicht, kurz innezuhalten und zu fragen: Wer hat das übersetzt? Und was könnte dabei vielleicht... "lost in translation" gegangen sein? Es ist ein bisschen wie beim Blick durch die Brille auf unserem Bild: Manchmal hilft sie, schärfer zu sehen, aber sie kann auch den Blickwinkel leicht verändern. Bleibt neugierig und kritisch!
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