Anosmie bezeichnet den vollständigen Verlust der Fähigkeit, Gerüche wahrzunehmen. Sie unterscheidet sich von der Hyposmie, dem teilweisen Verlust des Geruchssinns, und von Parosmie oder Phantosmie, bei denen es zu Geruchsverzerrungen oder Geruchshalluzinationen kommt. Der Geruchssinn ist für die Lebensqualität und Sicherheit von großer Bedeutung, da er nicht nur zur Wahrnehmung angenehmer Aromen beiträgt, sondern auch vor Gefahren wie Rauch, Gaslecks oder verdorbenen Lebensmitteln warnt.
Die Geruchswahrnehmung ist ein komplexer Prozess, der im Riechepithel in der oberen Nasenhöhle beginnt. Dort befinden sich spezialisierte Riechzellen, deren Rezeptoren durch Duftmoleküle aktiviert werden. Die Signale werden über den Riechnerv (Nervus olfactorius) zum Riechkolben (Bulbus olfactorius) im Gehirn weitergeleitet und von dort zu verschiedenen Hirnregionen, darunter der primären Riechrinde, dem Thalamus und dem limbischen System, das für Emotionen und Gedächtnis zuständig ist. Eine Störung in einem dieser Bereiche kann zu Anosmie führen.
Die Ursachen von Anosmie sind vielfältig und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Eine häufige Form ist die konduktive oder obstruktive Anosmie, bei der die Duftmoleküle die Riechzellen nicht erreichen können. Dies geschieht oft durch eine Verstopfung der Nasengänge, beispielsweise durch eine starke Erkältung, Grippe, Allergien mit ausgeprägter Nasenschleimhautschwellung, Nasenpolypen oder Tumore in der Nasenhöhle. Diese Form ist häufig reversibel, sobald die zugrunde liegende Ursache behoben ist.
Eine weitere Hauptkategorie ist die sensorineurale Anosmie, die durch eine Schädigung der Riechzellen oder des Riechnervs entsteht. Dies kann durch Virusinfektionen (wie COVID-19, Influenza), Kopfverletzungen mit Schädigung des Riechkolbens oder der Riechnervenfasern, toxische Substanzen, bestimmte Medikamente, Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich oder neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer verursacht werden. Auch das natürliche Altern kann zu einer Abnahme des Geruchssinns führen (presbyosmie). Seltener ist die angeborene oder kongenitale Anosmie, die meist auf einer fehlenden oder unterentwickelten Riechbahn beruht, wie es beim Kallmann-Syndrom der Fall sein kann.
Die Diagnose der Anosmie beginnt mit einer ausführlichen Anamnese und einer HNO-ärztlichen Untersuchung, oft ergänzt durch eine Endoskopie der Nase. Spezielle Riechtests, wie die Verwendung von standardisierten Riechstiften (Sniffin' Sticks) oder Geruchsschwellentests, können das Ausmaß des Geruchsverlusts objektiv messen. Bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes sind oft notwendig, um strukturelle Anomalien, Entzündungen, Polypen, Tumore oder Schädigungen des Riechkolbens oder der Riechbahnen zu identifizieren.
Die Auswirkungen der Anosmie reichen weit über den bloßen Verlust des Geruchssinns hinaus. Da der Geschmackssinn eng mit dem Geruchssinn verbunden ist, empfinden viele Betroffene auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Geschmackserlebnisses, was zu Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust führen kann. Die fehlende Warnfunktion bei Rauch, Gas oder verdorbenen Lebensmitteln stellt ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko dar. Psychologisch kann Anosmie zu einer verminderten Lebensqualität, Isolation, Depressionen und Angstzuständen führen, da alltägliche Freuden wie der Duft von Kaffee oder Blumen nicht mehr wahrgenommen werden können.
Die Behandlung der Anosmie hängt stark von ihrer Ursache ab. Bei obstruktiver Anosmie können Kortikosteroid-Nasensprays, orale Kortikosteroide oder chirurgische Eingriffe zur Entfernung von Polypen oder zur Korrektur von Nasenanatomie helfen. Bei sensorineuraler Anosmie, insbesondere nach Virusinfektionen oder Kopfverletzungen, ist die Heilung schwieriger. Riechtraining, bei dem Betroffene über Wochen oder Monate gezielt an verschiedenen Düften riechen, kann in einigen Fällen die Wiederherstellung des Geruchssinns unterstützen. Für viele Formen der sensorineuralen Anosmie gibt es jedoch keine spezifische Heilung, und die Therapie konzentriert sich auf das Management der Symptome und die Anpassung an die veränderte Lebenssituation. Die Prognose variiert stark je nach Ursache und Dauer der Anosmie; eine spontane Besserung ist vor allem bei akuten viralen Infektionen möglich.