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Hippocampus

Neurowissenschaft

Der Hippocampus ist eine paarige, seepferdchenförmige Struktur, die tief im medialen Temporallappen des menschlichen Gehirns und anderer Säugetiere lokalisiert ist. Sein Name leitet sich vom griechischen Wort "hippokampos" ab, was Seepferd bedeutet, und bezieht sich auf seine charakteristische Form. Als integraler Bestandteil des limbischen Systems spielt der Hippocampus eine entscheidende Rolle bei einer Vielzahl von kognitiven Funktionen, insbesondere bei der Bildung und Konsolidierung neuer Erinnerungen sowie bei der räumlichen Navigation. Er ist eine der wenigen Gehirnregionen, in denen auch im Erwachsenenalter noch Neurogenese, also die Bildung neuer Nervenzellen, stattfindet.


Anatomisch lässt sich der Hippocampus in mehrere Subregionen unterteilen, darunter den Gyrus dentatus, das Cornu Ammonis (CA1, CA2, CA3, CA4) und das Subiculum. Diese Regionen sind in einer hochorganisierten Schichtenstruktur angeordnet und durch spezifische neuronale Schaltkreise miteinander verbunden. Der Gyrus dentatus empfängt primär Inputs vom entorhinalen Kortex und projiziert zum CA3-Bereich, welcher wiederum zum CA1-Bereich projiziert. Von CA1 gelangen die Informationen schließlich zum Subiculum und von dort zurück zum entorhinalen Kortex oder zu anderen Gehirnbereichen. Diese unidirektionale Fluss von Informationen, bekannt als der trisynaptische Schaltkreis, ist grundlegend für seine Funktion.


Die primäre und am besten erforschte Funktion des Hippocampus ist seine Beteiligung an der Bildung von deklarativem Gedächtnis. Dies umfasst sowohl das episodische Gedächtnis, also Erinnerungen an spezifische Ereignisse und persönliche Erfahrungen, als auch das semantische Gedächtnis, welches Fakten und allgemeines Wissen speichert. Der Hippocampus ist nicht der Speicherort für langfristige Erinnerungen, sondern fungiert als temporärer Speicher und Vermittler, der neue Informationen von Kurzzeitgedächtnis in Langzeitgedächtnis überführt, ein Prozess, der als Gedächtniskonsolidierung bekannt ist. Patienten mit bilateralen Schädigungen des Hippocampus, wie der berühmte Fall HM, zeigen eine schwere anterograde Amnesie, was die zentrale Rolle dieser Struktur für das Lernen neuer Inhalte unterstreicht.


Neben seiner Rolle im Gedächtnis ist der Hippocampus auch fundamental für die räumliche Navigation und Orientierung. Dies wurde durch die Entdeckung von "Place Cells" (Ortszellen) im Hippocampus von Nagetieren und Menschen untermauert. Diese Neuronen feuern selektiv, wenn ein Individuum sich an einem bestimmten Ort in seiner Umgebung befindet, und bilden so eine Art kognitive Karte der Umgebung. Die Fähigkeit, sich im Raum zu orientieren und Routen zu planen, ist eng mit der Integrität des Hippocampus verbunden, und Beeinträchtigungen in dieser Funktion sind oft frühe Anzeichen neurodegenerativer Erkrankungen.


Der Hippocampus ist über komplexe neuronale Netzwerke mit anderen Gehirnregionen verbunden. Er empfängt umfangreiche Eingaben vom entorhinalen Kortex, der als primäres Tor für sensorische Informationen dient, die in den Hippocampus gelangen. Ausgänge des Hippocampus führen über den Fornix zu den Corpora mammillaria und zum Thalamus, von wo aus Informationen weiter zu verschiedenen kortikalen und subkortikalen Strukturen geleitet werden. Diese weitreichenden Verbindungen ermöglichen es dem Hippocampus, Informationen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten zu integrieren und in den Kontext von Gedächtnis und Raum zu stellen.


Klinisch ist der Hippocampus von großer Bedeutung. Er ist eine der ersten Regionen, die von neurodegenerativen Veränderungen bei der Alzheimer-Krankheit betroffen sind, was die charakteristischen Gedächtnisstörungen dieser Erkrankung erklärt. Auch bei bestimmten Formen der Epilepsie, insbesondere der Temporallappenepilepsie, ist der Hippocampus häufig der Ursprungsort der Anfälle. Chronischer Stress und Depressionen können zu einer Atrophie des Hippocampus führen, was seine Vulnerabilität gegenüber externen Einflüssen und seine Bedeutung für die psychische Gesundheit unterstreicht. Forschungen zur Neurogenese im Hippocampus bieten zudem potenzielle Ansatzpunkte für neue Therapien bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen.


Die kontinuierliche Forschung am Hippocampus mittels bildgebender Verfahren, elektrophysiologischer Messungen und genetischer Studien vertieft unser Verständnis seiner komplexen Funktionen und seiner Rolle bei Gesundheit und Krankheit. Die Erkenntnisse aus der Hippocampus-Forschung tragen maßgeblich dazu bei, Strategien zur Prävention und Behandlung von Gedächtnisstörungen, neurodegenerativen Erkrankungen und psychischen Störungen zu entwickeln. Seine einzigartige Fähigkeit zur Neurogenese im Erwachsenenalter macht ihn zu einem spannenden Forschungsfeld für die regenerative Medizin und die Verbesserung kognitiver Funktionen.

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