Amenorrhoe ist der medizinische Fachbegriff für das Ausbleiben der Menstruationsblutung bei Frauen im reproduktiven Alter. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen primärer und sekundärer Amenorrhoe. Primäre Amenorrhoe liegt vor, wenn eine junge Frau bis zum 15. Lebensjahr noch nie eine Menstruation hatte, obwohl sie bereits andere sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickelt hat, oder bis zum 13. Lebensjahr, wenn keinerlei Anzeichen einer Pubertätsentwicklung erkennbar sind. Sekundäre Amenorrhoe hingegen beschreibt das Ausbleiben der Menstruation für drei oder mehr aufeinanderfolgende Zyklen bei einer Frau, die zuvor bereits regelmäßige Blutungen hatte, oder für sechs Monate oder länger bei Frauen mit unregelmäßigen Zyklen. Dieses Phänomen ist ein Symptom und keine eigenständige Krankheit, weshalb eine genaue Ursachenforschung unerlässlich ist.
Die Ursachen der primären Amenorrhoe sind oft genetischer oder anatomischer Natur. Dazu gehören Chromosomenanomalien wie das Turner-Syndrom, bei dem ein X-Chromosom fehlt oder strukturell verändert ist und zu einer Fehlentwicklung der Eierstöcke führt. Auch angeborene Fehlbildungen der Gebärmutter, des Gebärmutterhalses oder der Vagina, die den Abfluss von Menstruationsblut behindern oder die Entwicklung der inneren Geschlechtsorgane beeinträchtigen, können eine primäre Amenorrhoe verursachen. In seltenen Fällen kann auch eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse, die für die hormonelle Steuerung des Menstruationszyklus verantwortlich ist, ursächlich sein.
Sekundäre Amenorrhoe ist weitaus häufiger und hat ein breiteres Spektrum an möglichen Ursachen. Die häufigsten physiologischen Gründe sind Schwangerschaft, Stillzeit und die Menopause. Abgesehen davon können verschiedene Faktoren des Lebensstils eine Rolle spielen, darunter extremer körperlicher und psychischer Stress, übermäßiger Sport, insbesondere Leistungssport, und extreme Gewichtsveränderungen, sowohl Untergewicht (z.B. bei Anorexia nervosa) als auch starkes Übergewicht. Diese Faktoren können die empfindliche hormonelle Balance stören, die für einen regelmäßigen Zyklus notwendig ist.
Pathologische Ursachen der sekundären Amenorrhoe sind vielfältig und erfordern eine genaue medizinische Abklärung. Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist eine der häufigsten endokrinen Störungen bei Frauen im gebärfähigen Alter und geht oft mit Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe einher. Weitere hormonelle Ungleichgewichte, wie Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hyper- oder Hypothyreose), erhöhte Prolaktinwerte (Hyperprolaktinämie, oft durch ein Prolaktinom verursacht) oder Nebennierenrindenfunktionsstörungen, können ebenfalls den Zyklus beeinflussen. Vorzeitige Ovarialinsuffizienz, bei der die Eierstöcke ihre Funktion vor dem 40. Lebensjahr einstellen, führt ebenfalls zur Amenorrhoe. Eine Schädigung der Gebärmutterschleimhaut, beispielsweise durch intrauterine Verwachsungen nach Operationen oder Entzündungen (Asherman-Syndrom), kann ebenfalls die Menstruation verhindern.
Die Diagnose der Amenorrhoe beginnt mit einer ausführlichen Anamnese, bei der Informationen über den Menstruationszyklus, die medizinische Vorgeschichte, Medikamenteneinnahme, Ernährungsgewohnheiten, Sportaktivitäten und Stressfaktoren gesammelt werden. Es folgen eine körperliche Untersuchung, einschließlich einer gynäkologischen Untersuchung, und Laboruntersuchungen zur Bestimmung der Hormonspiegel, insbesondere von FSH, LH, Östradiol, Prolaktin und Schilddrüsenhormonen. Je nach Verdacht können weitere Tests wie ein Schwangerschaftstest, ein Glukosetoleranztest oder bildgebende Verfahren wie Ultraschall des Beckens, MRT des Kopfes oder der Gebärmutter notwendig sein, um strukturelle Anomalien oder Tumore auszuschließen.
Die Behandlung der Amenorrhoe ist direkt abhängig von ihrer zugrundeliegenden Ursache. Bei physiologischen Ursachen wie Schwangerschaft oder Stillzeit ist keine spezifische Behandlung notwendig. Bei Amenorrhoe, die durch Lebensstilfaktoren wie Untergewicht oder übermäßigen Sport verursacht wird, können Anpassungen des Lebensstils, wie eine gesunde Gewichtszunahme oder eine Reduzierung der Trainingsintensität, zur Wiederherstellung des Zyklus führen. Hormonelle Ungleichgewichte werden oft medikamentös behandelt, zum Beispiel mit Schilddrüsenhormonen bei Hypothyreose, Dopaminagonisten bei Hyperprolaktinämie oder einer Hormontherapie bei vorzeitiger Ovarialinsuffizienz. Bei strukturellen Problemen können chirurgische Eingriffe erforderlich sein.
Es ist wichtig, Amenorrhoe nicht unbehandelt zu lassen, da sie langfristige gesundheitliche Folgen haben kann. Ein chronischer Östrogenmangel, wie er bei einigen Formen der Amenorrhoe auftritt, kann zu einem erhöhten Risiko für Osteoporose führen, da Östrogen eine entscheidende Rolle für die Knochendichte spielt. Zudem kann Amenorrhoe, je nach Ursache, ein Hinweis auf andere ernsthafte Erkrankungen sein, die einer Behandlung bedürfen. Die psychologische Belastung durch das Ausbleiben der Menstruation und die möglicherweise damit verbundene Unfruchtbarkeit sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden und erfordert gegebenenfalls psychologische Unterstützung.