Illegale Geheimdienstoperationen – Folter, Putsche, Überwachung im Schatten der Demokratie
- Benjamin Metzig
- vor 7 Stunden
- 11 Min. Lesezeit

Wer an Geheimdienste denkt, hat oft Kino-Bilder im Kopf: raffinierte Agenten, die Terroranschläge verhindern, Attentäter stoppen, Regierungen stabil halten. Aber was wäre, wenn ein großer Teil dieser Welt nicht aus heldenhaften Rettungen, sondern aus illegalen Geheimdienstoperationen, Menschenversuchen, Putschen und systematischer Überwachung besteht – und das mitten in demokratischen Staaten?
Genau das zeigen freigegebene Dokumente, Gerichtsurteile und parlamentarische Untersuchungen der letzten Jahrzehnte. Sie entwerfen das Bild eines globalen Schattenapparats, der sich selbst immer wieder Sonderrechte zuschreibt – und dafür bereit ist, demokratische Grundwerte zu opfern.
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Wie aus Sicherheitsbehörden Täter werden
Die moderne Geheimdienstgeschichte liest sich wie ein Lehrbuch über die Grauzonen des Rechts. Offiziell sollen Dienste Informationen sammeln, Gefahren früh erkennen und politische Entscheidungsträger beraten. In der Praxis haben sie sich jedoch immer wieder als verlängerter Arm einer aggressiven Außenpolitik oder als Werkzeug innenpolitischer Repression erwiesen.
Typisch ist ein bestimmtes Muster: Zuerst wird eine Bedrohung beschworen – Kommunismus, Terrorismus, „Extremismus“, „Subversion“. Dann wird argumentiert, dass die üblichen rechtsstaatlichen Regeln für diesen besonderen Feind nicht ausreichen. Ausnahmeregelungen werden geschaffen, die zunächst als provisorisch daherkommen, sich aber schnell verselbstständigen. Am Ende stehen Folterprogramme, verdeckte Putsche, Todesschwadronen oder Massenüberwachung – also genau das, was Demokratien eigentlich von autoritären Regimen unterscheidet.
Dabei bedienen sich Nachrichtendienste immer wieder der „plausible deniability“: Operationen werden so aufgebaut, dass die politische Führung im Zweifel alles abstreiten kann. Entscheidungen werden mündlich getroffen, Akten vernichtet, private Firmen oder befreundete Dienste eingespannt. Und wenn doch etwas auffliegt, heißt es: „Einige abtrünnige Elemente sind über das Ziel hinausgeschossen.“
Der zweite zentrale Mechanismus ist Blowback: Die langfristigen Folgen dieser Aktionen kehren wie ein Bumerang zurück. Der Sturz einer Regierung bringt eine radikalisierte Gegenbewegung hervor, die Unterstützung einer Rebellengruppe führt Jahre später zur Entstehung einer Terrororganisation, Folterprogramme zerstören die moralische Glaubwürdigkeit ganzer Staaten. Illegale Geheimdienstoperationen erzeugen genau die Instabilität, vor der sie angeblich schützen sollten.
USA: Von MKUltra bis Waterboarding – wenn der Zweck alle Mittel heiligt
Kaum ein Dienst steht so sehr für den Mythos der allmächtigen Schattenorganisation wie die CIA. Gegründet, um Analysen für den Präsidenten zu liefern, wurde sie zum Werkzeug verdeckter Interventionen – nach außen und nach innen.
Menschenversuche im Namen der „nationalen Sicherheit“
In den 1950er-Jahren war der Kalte Krieg so von Paranoia geprägt, dass die CIA sich ernsthaft fragte: Können wir das menschliche Bewusstsein knacken? Aus dieser Frage entstand MKUltra, ein geheimes Forschungsprogramm, das heute als einer der schlimmsten Verstöße gegen medizinische Ethik in der US-Geschichte gilt.
Über 80 Universitäten, Kliniken, Gefängnisse und Pharmaunternehmen nahmen teil. Unter Tarnorganisationen wurden Forschungsmittel verteilt, oftmals ohne dass Versuchspersonen überhaupt wussten, dass sie Teil eines Experiments waren. Menschen wurde LSD verabreicht, sie wurden hypnotisiert, wochenlang isoliert oder Elektroschocks ausgesetzt. Ziel: Methoden entwickeln, um Geständnisse zu erzwingen, Persönlichkeiten zu brechen und Gedächtnis zu manipulieren.
Besonders zynisch war „Operation Midnight Climax“: In getarnten CIA-Wohnungen lockten Prostituierte ahnungslose Männer an, die dann heimlich mit Drogen betäubt wurden, während Agenten sie durch Einwegspiegel beobachteten. Aus heutiger Sicht klingt das wie eine Mischung aus Horrorfilm und Dark Comedy – nur dass die Opfer real waren und viele ihr Leben lang mit psychischen Schäden kämpften.
Als der Skandal in den 1970er-Jahren durch das Church Committee aufflog, befahl ein früherer CIA-Direktor bereits die Vernichtung eines Großteils der Akten. Bis heute wissen wir nicht, wie viele Menschen tatsächlich betroffen waren. Der Staat selbst musste offen zugeben: „Niemand weiß, wo sie jetzt sind oder welche Folgen sie erlitten haben könnten.“
COINTELPRO: Krieg gegen die eigene Bevölkerung
Parallel dazu zielte das FBI-Programm COINTELPRO – teilweise mit Unterstützung der CIA – nicht auf ausländische Feinde, sondern auf Bürgerrechtler:innen, Friedensaktivist:innen und linke Organisationen im eigenen Land. Statt die Verfassung zu schützen, wurden verfassungsmäßige Rechte gezielt untergraben.
Die Methoden lesen sich wie ein Handbuch psychologischer Kriegsführung: gefälschte Briefe, um Beziehungen zu zerstören, Desinformation, um Misstrauen in Gruppen zu säen, verdeckte Provokation von Gewalt. Berühmt-berüchtigt ist der Fall der Schauspielerin Jean Seberg, Unterstützerin der Black Panther Party. Über sie streuten Agenten gezielt das Gerücht, ihr Kind stamme aus einer Affäre mit einem Black-Panther-Mitglied. Der öffentliche Druck trug zu einer Frühgeburt und später zu ihrem Suizid bei.
Staatliche Sicherheitsbehörden wurden so zu Akteuren, die soziale Bewegungen nicht überwachen, sondern aktiv zerstören sollten – ein drastisches Beispiel dafür, wie illegale Geheimdienstoperationen demokratische Prozesse von innen aushöhlen.
Operation Ajax: Der Prototyp des Putsches
Außenpolitisch setzte die CIA früh auf Regimewechsel. Ein Schlüsselereignis ist der iranische Putsch von 1953, Operation Ajax, gemeinsam mit dem britischen MI6 geplant. Der demokratisch gewählte Premierminister Mohammad Mossadegh hatte die Ölindustrie verstaatlicht – ein Affront gegen britische Konzerninteressen.
Die CIA finanziert daraufhin Zeitungen, die Mossadegh als kommunistische Gefahr diffamieren, organisiert Schlägertrupps, die Chaos auf den Straßen erzeugen, und besticht Militärs. Als der erste Putschversuch scheitert und der Schah das Land verlässt, befiehlt Washington eigentlich den Abbruch. Der Stationschef vor Ort, Kermit Roosevelt Jr., ignoriert den Befehl – und startet im Alleingang einen zweiten Versuch, der schließlich erfolgreich ist.
Kurzfristig triumphiert Washington: Ein autoritärer, aber pro-westlicher Schah regiert den Iran. Langfristig sägt diese Einmischung jedoch an der eigenen Sicherheitsarchitektur. Die Zerschlagung der demokratischen Opposition und die jahrzehntelange Diktatur des Schahs tragen entscheidend zur Islamischen Revolution von 1979 bei – und zur bis heute andauernden Feindschaft zwischen Iran und USA. Es ist ein klassischer Fall von Blowback.
Der „Krieg gegen den Terror“: Folter, Black Sites und Renditions
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 betritt die CIA endgültig die Zone, in der illegale Geheimdienstoperationen offen mit juristischen Verrenkungen verteidigt werden. Unter Schlagworten wie „erweiterte Verhörtechniken“ entsteht ein globales Foltersystem aus geheimen Gefängnissen („Black Sites“) und Extraordinary Renditions – Entführungen in Länder, in denen Folter gängige Praxis ist.
Häftlinge werden waterboarded, wochenlang wachgehalten, nackt angekettet, „rektal rehydriert“ – ein Euphemismus für besonders erniedrigende Misshandlungen. Der Senatsbericht von 2014 kommt zu einem vernichtenden Urteil: Die Methoden waren brutaler als gegenüber Politik und Öffentlichkeit dargestellt – und weitgehend ineffektiv. Viele Gefangene erfanden Informationen, nur um Schmerzen zu entgehen. Falsche Spuren kosteten Zeit, Geld und im Extremfall wiederum Menschenleben.
Hinzu kommt die internationale Dimension: Ohne die Kooperation europäischer Staaten wie Polen oder Litauen, die Black-Site-Gefängnisse beherbergten, wären diese Programme nicht möglich gewesen. Die Folter war kein rein amerikanisches, sondern ein transnationales Projekt – ein Vorläufer der heutigen global vernetzten Überwachung.
NSA und PRISM: Der Baukasten für den digitalen Überwachungsstaat
2013 zeigt Edward Snowden der Welt, wie weit die USA bereits in Richtung totale Überwachung gegangen sind. Programme wie PRISM erlauben der NSA und dem FBI direkten Zugriff auf Server großer Tech-Konzerne wie Google, Facebook oder Apple. Offiziell geht es um Terrorbekämpfung; tatsächlich werden massenhaft Kommunikationsdaten Unbeteiligter mitgeschnitten.
Besonders heikel ist Section 702 des FISA-Gesetzes. Eigentlich soll sie nur Ausländer im Ausland betreffen. In der Praxis werden aber auch die Daten von US-Bürger:innen „inzidentell“ mitgesammelt – und können über sogenannte Backdoor-Suchen abgefragt werden, ohne dass ein richterlicher Beschluss vorliegt. Die Grenze zwischen zulässiger Spionage und verfassungswidriger Massenüberwachung verschwimmt.
Großbritannien, Israel, Frankreich: Schmutzige Kriege und Morde mit Diplomatenpass
Die USA sind kein Ausnahmefall. Auch andere westliche Demokratien haben sich auf illegale Geheimdienstoperationen eingelassen – oft mitten in Europa.
Nordirland: Kollusion mit Todesschwadronen
Im Nordirlandkonflikt arbeiteten britische Dienste über Jahre eng mit loyalistischen Paramilitärs zusammen. Die sogenannte Glenanne Gang bestand aus Mitgliedern der extremistischen UVF, Soldaten des Ulster Defence Regiment und Beamten der Royal Ulster Constabulary. Sie war an rund 120 Morden beteiligt. Ermittlungen zeigen: Waffen stammten oft aus staatlichen Arsenalen, Warnungen wurden ignoriert, Beweismittel verschwanden.
Die Force Research Unit (FRU) des Militärgeheimdienstes setzte den Spitzel Brian Nelson in die Terrormiliz UDA ein. Anstatt Anschläge zu verhindern, half Nelson bei der Zielauswahl. Der Fall des erschossenen Anwalts Pat Finucane ist besonders symbolisch: Staatliche Stellen lieferten Fotos und Adressen, deckten die Täter und blockierten konsequent eine vollumfängliche Aufklärung. Erst Jahrzehnte später rügten Gerichte das als Verstoß gegen Menschenrechte.
Die Operation Kenova untersucht zudem den Fall „Stakeknife“, einen hochrangigen IRA-Mann und gleichzeitig britischen Agenten. Um seine Tarnung zu schützen, ließ der Staat offenbar zu, dass er an Entführungen, Folter und Morden beteiligt war. Die oft bemühte Rechtfertigung, man habe damit „Leben gerettet“, zerbröselt, sobald man die Opfer zählt.
Renditions und „Deals in der Wüste“
Im „Krieg gegen den Terror“ beteiligte sich Großbritannien an US-Renditions. Dienste wie MI5 und MI6 lieferten Informationen oder stellten Logistik bereit, obwohl ihnen klar sein musste, dass die Betroffenen in Foltergefängnissen landen würden. Der Fall des Libyers Abdul Hakim Belhadj, der mit britischer Hilfe an das Gaddafi-Regime ausgeliefert wurde, ist nur ein Beispiel. Während öffentlich von Menschenrechten die Rede war, wurden im Hintergrund Deals mit Diktatoren gemacht.
Mossad: Zwischen Mythos und Fiasko
Der israelische Geheimdienst Mossad gilt als effizient und skrupellos. Doch mehrere Operationen zeigen, wie schnell gezielte Tötungen in diplomatische Desaster umschlagen.
1973 erschießen Agenten im norwegischen Lillehammer den marokkanischen Kellner Ahmed Bouchikhi, den sie fälschlich für einen palästinensischen Terroristen halten. Bouchikhi hatte keinerlei Verbindung zum Terrorismus, seine Frau war schwanger. Mehrere Agenten werden festgenommen, Israel muss Entschädigung zahlen, die Operation entlarvt gravierende Fehler in Planung und Aufklärung.
2010 wird in Dubai der Hamas-Kommandeur Mahmoud al-Mabhouh ermordet. Der Mossad setzt ein großes Team ein, das mit gestohlenen Pässen aus EU-Staaten einreist. Doch die Agenten unterschätzen die Dichte der Kameras. Die Polizei rekonstruiert die gesamte Operation aus CCTV-Material – inklusive der verkleideten Täter auf Hotelgängen. Die Bilder gehen um die Welt, die Nutzung echter westlicher Identitäten löst einen diplomatischen Sturm aus.
Parallel dazu exportiert Israel über die Firma NSO Group die Spionagesoftware Pegasus. Offiziell dient sie der Terrorismusbekämpfung, faktisch setzen autoritäre Regime sie gegen Journalist:innen, Aktivist:innen und Oppositionelle ein. Da der Export militärischer Überwachungstechnologie staatlich genehmigt wird, verwischt die Grenze zwischen privatwirtschaftlichem Cyber-Söldnertum und staatlicher Politik.
Frankreich: Bomben gegen Greenpeace
Auch die französische DGSE zeigt, wozu Demokratien bereit sind, wenn ihre Nuklearpolitik in Frage gestellt wird. 1985 sprengen Agenten in Auckland das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior, das gegen Atomtests im Pazifik protestieren wollte. Ein Fotograf wird getötet, Neuseeland – ein befreundeter Staat – ist schockiert.
Paris streitet zunächst alles ab, bis die neuseeländische Polizei zwei Agenten festnimmt. Am Ende muss Frankreich Verantwortung übernehmen, Entschädigungen zahlen, ein Minister tritt zurück. Der Fall ist ein selten klarer Beweis, dass selbst westliche Staaten zu Staatsterrorismus greifen, wenn sie sich in ihrer strategischen Identität bedroht sehen.
Russland und der neue Hybridkrieg
Während westliche Dienste sich meist darum bemühen, ihre Aktionen zumindest rhetorisch mit Recht und Moral zu vereinbaren, setzt der Kreml noch offener auf Einschüchterung, Sabotage und Desinformation – oft mitten in der EU.
Morde mit radioaktiven und chemischen Waffen
Der Fall Alexander Litwinenko markiert eine neue Qualität. 2006 wird der ehemalige FSB-Offizier in London mit Polonium-210 vergiftet, einem hochradioaktiven Isotop. Eine britische Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Operation wahrscheinlich von höchster Stelle gebilligt wurde. Der Einsatz solcher Substanzen in einer Großstadt gefährdet Hunderte Unbeteiligte – im Grunde radiologischer Terrorismus.
2018 folgt der Anschlag auf den Ex-Spion Sergei Skripal im englischen Salisbury. GRU-Agenten setzen das Nervengift Nowitschok ein. Skripal überlebt knapp, doch eine unbeteiligte Frau, Dawn Sturgess, stirbt später an den Folgen. Die Aktion löst Massenausweisungen russischer Diplomaten aus und macht deutlich, wie wenig Rücksicht Moskau auf zivile Kollateralschäden nimmt.
Sabotage und Brandstiftung in Europa
Parallel betreibt Russland eine Kampagne der physischen Sabotage: 2014 explodiert ein Munitionslager im tschechischen Vrbětice, zwei Menschen sterben; später wird klar, dass erneut die GRU-Einheit 29155 dahintersteckt. In jüngerer Zeit mehren sich Berichte über Brandanschläge auf Lagerhallen, Eisenbahninfrastruktur und Rüstungsbetriebe in EU-Staaten – mutmaßlich, um Waffenlieferungen an die Ukraine zu stören.
Das Muster ähnelt anderen illegalen Geheimdienstoperationen, ist aber noch konsequenter auf „plausible Bestreitbarkeit“ ausgelegt. Häufig werden lokale „Wegwerf-Agenten“ angeworben, die über soziale Medien oder zwielichtige Geschäftskontakte rekrutiert werden und sich ihrer tatsächlichen Auftraggeber nicht bewusst sind.
Desinformation und Putsche in Afrika
Digitale Operationen ergänzen diese Strategie. Im Sahel unterstützt der ehemalige Wagner-Konzern – inzwischen als „Africa Corps“ neu etikettiert – Militärputsche in Ländern wie Mali, Burkina Faso oder Niger. Über gezielte Social-Media-Kampagnen wird zunächst anti-französische Stimmung geschürt, Frankreich als neokoloniale Macht dargestellt, Russland dagegen als verlässlicher Partner. Wenn die Stimmung kippt, übernehmen Militärjuntas die Macht, vertreiben westliche Truppen und öffnen Ressourcen- sowie Militärabkommen für Moskau. Propaganda und Desinformation werden so zum Vorlauf klassischer Geopolitik.
Deutschland: Die leisen Skandale des BND
Verglichen mit CIA oder GRU wirkt der Bundesnachrichtendienst fast brav. Doch auch hier zeigt der Blick hinter die Kulissen, wie stark der Druck ist, technische Möglichkeiten auszureizen – und dafür das Recht zu verbiegen.
Die „Weltraumtheorie“ und das Grundgesetz
Um großflächige Satellitenkommunikation auszuwerten, entwickelte der BND die sogenannte Weltraumtheorie. Die Logik: Daten, die über Satelliten laufen, befinden sich „im Weltraum“ und damit außerhalb des deutschen Staatsgebiets. Also müsste das Grundgesetz – insbesondere das Fernmeldegeheimnis – dort nicht gelten.
Diese juristische Akrobatik ermöglichte eine weitreichende Überwachung ausländischer Kommunikation, ohne die Schranken, die für Inländer:innen gelten. Bürgerrechtsorganisationen zogen dagegen vor das Bundesverfassungsgericht. 2020 folgte eine klare Antwort: Der deutsche Staat ist an Grundrechte gebunden, wo immer er handelt – auch, wenn der Server im Ausland oder das Kabel unter dem Atlantik liegt. Das Gericht erklärte zentrale Teile des BND-Gesetzes für verfassungswidrig und zwang den Gesetzgeber zu Reformen.
NSA-Selektoren und Spionage „unter Freunden“
Zusätzlich zeigte der NSA-Untersuchungsausschuss, wie eng der BND mit der US-NSA kooperierte. Über sogenannte Selektoren – Listen mit E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IPs – filterte der BND Datenströme, die über den Internetknoten Frankfurt liefen. Theoretisch sollte es um Terrorismus gehen, praktisch landeten aber auch europäische Behörden, Unternehmen und Journalist:innen im Fadenkreuz.
Besonders heikel: Die Bundesregierung hatte öffentlich empört erklärt, „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“, während der eigene Dienst genau das im Auftrag eines Partners tat. Zusätzlich überwachte der BND ausländische Journalist:innen, was die Pressefreiheit und den Quellenschutz direkt bedrohte. Wer mit Informanten in Krisengebieten spricht, muss damit rechnen, dass Metadaten und Kontakte heimlich erfasst werden.
Auch das sind illegale Geheimdienstoperationen – nicht so spektakulär wie ein Bombenanschlag, aber mit einem tiefgreifenden Effekt auf Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie.
Warum sich illegale Geheimdienstoperationen immer wiederholen
Wenn wir all diese Fälle nebeneinanderlegen – von MKUltra über Nordirland und die Rainbow Warrior bis zu russischer Sabotage und der deutschen Weltraumtheorie –, dann springen mehrere Muster ins Auge.
Erstens: Oversight ist schwächer, als wir glauben. Parlamentarische Kontrollgremien, Untersuchungsausschüsse, Geheimdienstbeauftragte – all das existiert auf dem Papier. In der Praxis werden sie oft selektiv informiert, hingehalten oder offen belogen. Der „Tiefe Staat“ ist kein allmächtiges Monster, aber ein Milieu, in dem sich Akteure gern als „jenseits des politischen Tagesgeschäfts“ verstehen.
Zweitens: Blowback ist real. Der Iran-Putsch, die Unterstützung islamistischer Mudschaheddin in Afghanistan, Folterprogramme, die Radikalisierungspropaganda erleichtern, Sabotageakte, die die eigene internationale Isolation verstärken – all das zeigt: Kurzfristige Vorteile werden mit langfristigen Stabilitätsverlusten bezahlt.
Drittens: Technologie verschärft die Versuchung. Mit Werkzeugen wie Pegasus, globalen Datennetzen und bald immer mächtigeren KI-Analysefähigkeiten wächst die Illusion, man könne „alles sehen“ und „alle Risiken kontrollieren“. Doch je umfassender Überwachung und Einflussnahme werden, desto größer ist der Schaden, wenn sie missbraucht oder kompromittiert werden.
Viertens: Gewalt wird privatisiert. Private Militärfirmen, Cyber-Söldner, Überwachungssoftware-Hersteller – sie alle ermöglichen Staaten, Verantwortung auszulagern. Wenn etwas schiefgeht, zeigt man auf die Firma: „Ein Einzelfall, wir hatten mit der konkreten Operation nichts zu tun.“ Die Haftung zersplittert, die Opfer bleiben allein.
Was folgt daraus? Echte Kontrolle über Geheimdienste braucht mehr als formale Gremien. Sie erfordert:
starke Whistleblower-Schutzmechanismen, damit Insider Missstände ohne Lebensgefahr melden können
Transparenz über historische Verfehlungen, inklusive Entschädigung der Opfer
klare rote Linien im Völker- und Verfassungsrecht, die auch in Krisen gelten
internationale Kooperation, etwa bei der Regulierung von Überwachungssoftware oder privaten Militärfirmen
eine informierte Öffentlichkeit, die nicht reflexhaft jede „Sicherheitsmaßnahme“ abnickt, sobald das Wort „Terror“ fällt
Und sie braucht Medien, NGOs und Wissenschaft, die hartnäckig bleiben, wenn Regierungen von „Staatsgeheimnissen“ sprechen.
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Quellen:
MKUltra – https://en.wikipedia.org/wiki/MKUltra
Operation Midnight Climax – https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Midnight_Climax
COINTELPRO – https://en.wikipedia.org/wiki/COINTELPRO
1953 Iranian coup d'état – https://en.wikipedia.org/wiki/1953_Iranian_coup_d%27%C3%A9tat
U.S. Senate report on CIA torture – https://en.wikipedia.org/wiki/U.S._Senate_report_on_CIA_torture
EPIC v. DOJ – PRISM – https://epic.org/documents/epic-v-doj-prism/
Glenanne Gang Murders – Hansard – https://hansard.parliament.uk/commons/2013-11-12/debates/13111261000003/GlenanneGangMurders
The Report of the Patrick Finucane Review – https://www.gov.uk/government/publications/the-report-of-the-patrick-finucane-review
Operation Kenova – https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Kenova
Lillehammer affair – https://en.wikipedia.org/wiki/Lillehammer_affair
Assassination of Mahmoud Al-Mabhouh – https://en.wikipedia.org/wiki/Assassination_of_Mahmoud_Al-Mabhouh
Pegasus (spyware) – https://en.wikipedia.org/wiki/Pegasus_(spyware)
Alexander Litvinenko – https://www.britannica.com/biography/Alexander-Litvinenko
Poisoning of Sergei and Yulia Skripal – https://en.wikipedia.org/wiki/Poisoning_of_Sergei_and_Yulia_Skripal
2014 Vrbětice ammunition warehouse explosions – https://en.wikipedia.org/wiki/2014_Vrb%C4%9Btice_ammunition_warehouse_explosions
Russian sabotage operations in Europe – https://en.wikipedia.org/wiki/Russian_sabotage_operations_in_Europe
Sinking of the Rainbow Warrior – https://en.wikipedia.org/wiki/Sinking_of_the_Rainbow_Warrior
The bombing of Rainbow Warrior: 40 years on – https://www.rmg.co.uk/stories/ocean/bombing-rainbow-warrior-40-years-on
In their current form, the Federal Intelligence Service's powers… – Bundesverfassungsgericht – https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/EN/2020/bvg20-037.html
The challenge of limiting intelligence agencies' mass surveillance regimes – https://www.researchgate.net/publication/325844652_The_challenge_of_limiting_intelligence_agencies'_mass_surveillance_regimes_Why_western_democracies_cannot_give_up_on_communication_privacy








































































































Was mich am meisten schockiert? Daß etwas, das nicht erst seit 3 Tagen klar ist, noch immer schockieren kann. Daß Staaten, egal ob sie sich Demokratie oder sonstige nennen, in derartiger Form agieren ist dermaßen hochwahrscheinlich, daß der einzige Unterschied zwischen vor und nach dem Lesen Ihres Berichts der sein dürfte, daß man nun, nachdem man im Grunde fast sicher wußte, daß es diese Strukturen überall gibt, konkrete Beispiele hinzuaddieren kann. Aber vermutlich wird man auch wieder totaaal schockiert sein, wenn man bewiesen bekommt, daß das hier nur die harmlose Spitze des Eisbergs ist und daß sich die richtig verstörend kranken Dinge unter der Oberfläche verstecken. Menschen bekommen es vermutlich auch hin in Ohnmacht zu fallen, wenn man ihnen da…