Anarchokapitalismus ist eine politische Philosophie, die die Abschaffung des Staates und die Ersetzung staatlicher Funktionen durch private, wettbewerbsorientierte Dienstleister auf einem freien Markt fordert. Er gehört zu den libertären Strömungen und basiert auf der Idee, dass alle gesellschaftlichen Interaktionen, einschließlich Recht und Sicherheit, auf freiwilliger Basis und im Rahmen von Eigentumsrechten organisiert werden sollten. Im Kern steht die Überzeugung, dass der Staat ein unnötiger und schädlicher Monopolist ist, der Zwang ausübt und individuelle Freiheit sowie wirtschaftliche Effizienz behindert.
Die zentralen Prinzipien des Anarchokapitalismus sind das Non-Aggressions-Prinzip (NAP) und die absolute Geltung von Privateigentumsrechten. Das Non-Aggressions-Prinzip besagt, dass die Initiierung von physischer Gewalt oder Betrug gegen Personen oder deren Eigentum moralisch unzulässig ist. Dies schließt auch die Besteuerung durch den Staat ein, die als eine Form der Aggression betrachtet wird. Privateigentum wird als naturgegebenes oder durch Arbeit erworbenes Recht angesehen, das unveräußerlich ist und die Grundlage für alle wirtschaftlichen Transaktionen bildet. Ein freier Markt, frei von staatlicher Regulierung, wird als das effizienteste Mittel zur Allokation von Ressourcen und zur Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen gesehen.
In einer anarchokapitalistischen Gesellschaft würden Funktionen, die normalerweise vom Staat wahrgenommen werden, wie Rechtsprechung, Polizeidienstleistungen und Landesverteidigung, von privaten Unternehmen erbracht. Es gäbe private Schutzagenturen, die Sicherheitsdienstleistungen anbieten und sich im Wettbewerb um Kunden befänden. Streitigkeiten zwischen Individuen oder Unternehmen würden von privaten Schiedsgerichten oder Vermittlungsdiensten gelöst, deren Urteile durch vertragliche Vereinbarungen und den Ruf der jeweiligen Agenturen durchgesetzt würden. Das Prinzip der freiwilligen Vereinbarung und des Vertragsrechts wäre allgegenwärtig und würde die Grundlage für die soziale Ordnung bilden.
Auch Infrastruktur wie Straßen, Bildung und Gesundheitswesen würden vollständig privatisiert und von Unternehmen oder Genossenschaften bereitgestellt, die ihre Dienste auf dem freien Markt anbieten. Die Finanzierung dieser Dienstleistungen würde durch direkte Zahlungen der Nutzer, freiwillige Spenden oder Versicherungsmodelle erfolgen, anstatt durch Zwangsbesteuerung. Befürworter argumentieren, dass der Wettbewerb zwischen diesen privaten Anbietern zu höherer Qualität, größerer Effizienz und niedrigeren Kosten führen würde, da sie direkt auf die Bedürfnisse und Präferenzen der Konsumenten reagieren müssten, um auf dem Markt bestehen zu können.
Wichtige Denker des Anarchokapitalismus sind Murray N. Rothbard, der den Begriff maßgeblich prägte und eine umfassende Theorie des Anarchokapitalismus entwickelte, sowie Hans-Hermann Hoppe, der sich auf die Logik des Privateigentums und die Kritik des Staates konzentriert. Der Anarchokapitalismus unterscheidet sich von anderen Formen des Anarchismus, wie dem Anarchosyndikalismus oder dem Anarchokommunismus, durch seine kompromisslose Befürwortung des Kapitalismus und des Privateigentums. Während andere anarchistische Strömungen oft antikapitalistisch sind und kollektives Eigentum oder dezentrale, nicht-hierarchische Wirtschaftsstrukturen anstreben, sieht der Anarchokapitalismus den Kapitalismus als die einzige moralisch und ökonomisch tragfähige Wirtschaftsordnung an.
Kritiker des Anarchokapitalismus führen oft an, dass eine staatenlose Gesellschaft ohne einen zentralen Gewaltmonopolisten zu Chaos, Ungleichheit und dem Recht des Stärkeren führen könnte. Es wird befürchtet, dass private Schutzagenturen zu Warlords degenerieren oder dass wohlhabende Individuen und Unternehmen unangemessen viel Macht erlangen könnten, was zu einer Tyrannei der Reichen führen würde. Fragen der öffentlichen Güter, der externen Effekte und der Bereitstellung von Dienstleistungen für Bedürftige in einer rein marktwirtschaftlichen Umgebung werden ebenfalls häufig als Herausforderungen genannt, für die anarchokapitalistische Theorien keine zufriedenstellenden Antworten bieten würden.